Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018

Behandlung von Knorpelschäden an Knie, Sprunggelenk und Hüfte
Zusammenfassung der Empfehlungen der AG Klinische GeweberegenerationGuidelines from the group “Clinical Tissue Regeneration” of the German Society of Orthopaedics and Traumatology (DGOU)

In der modernen Gelenktherapie des Kniegelenks stehen eine Vielzahl von konservativen und operativen regenerativen Therapieoptionen bei Knorpelschäden zur Verfügung. Die Auswahl des geeigneten Therapieverfahrens hängt von Knorpeldefekt- und Patienten-spezifischen Parametern ab. Bei den Knorpeldefekt-spezifischen Parametern sind die jeweilige Ätiologie der Knorpelschädigung (traumatisch oder nicht traumatisch), die Symptomdauer (akut oder chronisch), die Knorpeldefektgröße sowie Knorpeldefekttiefe und die Ausdehnung des Knorpeldefekts in den subchondralen Knochen (ICRS-Klassifikation) zu nennen [2]. Anspruch des Patienten, sein Alter und Gewicht sowie vorliegende systemische Erkrankungen (z.B. Knochenstoffwechselstörungen) stellen bei den Patienten-spezifischen Parametern wichtige Entscheidungskriterien dar.

Erfolgreiche Knorpeltherapie ist nur bei gleichzeitiger Behandlung der zugrunde liegenden Ursache (z.B. Kreuzbandriss, Meniskusschaden) zu erwarten. Daher sind das Erkennen und die Behandlung der auslösenden Ursache dringend erforderlich, um eine Regeneration des Knorpelschadens und damit eine langfristige Wiederherstellung der Knorpelfunktion zu ermöglichen. Instabile Bandverhältnisse im Kniegelenk führen zu entsprechenden Scherbelastungen und reduzieren die Regeneratbildung nach Knorpeltherapie und Erhöhen das Transplantatversagen. Auch pathologische Belastungsspitzen, bedingt durch Abweichung der Beinachse, müssen behoben werden, um die Knorpelregeneration zum Erfolg zu führen. Daher wird bei Knorpelschaden und Achsabweichung das entsprechende Knorpeltherapieverfahren mit einer Korrektur der Achsabweichung verbunden.

Grundsätzlich sollten nur symptomatische Knorpeldefekte behandelt werden. Beschwerdefreie Patienten mit zufällig radiologisch festgestellter chondraler oder osteochondraler Läsion sollten nicht operiert werden.

Konservative Therapie

Für die konservative Therapie bei Knorpelschäden stehen Physiotherapie und orthopädische Hilfsmittel, wie z.B. Einlagen und Gelenksorthesen, zur Verfügung, um den entsprechenden Gelenkbereich zu entlasten. Durch physikalische Therapie (Kälte-, Wärmeanwendung, Lymphdrainage, Ultraschall) können entzündliche Begleitveränderungen an Sehnen und Gelenkkapsel positiv beeinflusst werden.

Nicht steroidale Antiphlogistika, z.B. Diclofenac, führen zur Reduktion von Gelenkschmerzen und -entzündung und sind gerade akut nach Verletzung und nach operativem Eingriff eine gute therapeutische Ergänzung. Intraartikuläre Injektionen mit Hyaluronsäure oder Eigenblut (platelet rich plasma) können zudem Symptome wie Gelenkschmerzen und -erguss für eine Zeit von bis zu einem Jahr reduzieren. Eine kausale Behandlungsoption des Knorpeldefekts stellt dies jedoch nicht dar.

Bei subchondralen Ödemen mit Minderdurchblutung findet die Gabe von Vitamin D in Verbindung mit entlastenden Orthesen Anwendung. Hierbei sollte der Behandlungserfolg nach 6 Wochen durch eine Kontroll-Kernspintomografie überprüft werden.

Eine Vielzahl von Knorpelpräparaten und Nahrungsergänzungssubstanzen sind erhältlich. Da sie zeitweilig Beschwerden lindern können, sind sie geeignete Ergänzungspräparate. Jedoch können sie keine Regeneration eines Knorpelschadens erzielen.

Operative Therapie

Bei der operativen Versorgung von Gelenkknorpelschäden ist bei akut traumatischen Abscherverletzungen die frühzeitige Refixation des chondralen oder osteochondralen Fragments zu empfehlen.

Nur wenn eine Refixation nicht mehr möglich ist, stehen zur Behandlung von tiefgreifenden Knorpeldefekten (ICRS Grad III–IV) unterschiedliche biologische Knorpel-regenerative Verfahren zur Verfügung. Evidenzbasierte Empfehlungen wurden in den Behandlungsempfehlungen der Arbeitsgemeinschaft „Klinische Geweberegeneration“ der DGOU (Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie) zusammengefasst (Abb. 2) [3]. Entscheidend für eine erfolgreiche Knorpelbehandlung ist hierbei eine möglichst frühzeitige Therapie beim Vorliegen von lokalisierten Knorpelschäden, um die Arthrose zu vermeiden.

Knorpelrefixation

Bei Verletzungen wie z.B. Kniescheibenluxation kommt es häufig zur Abscherung von Knorpel-Knochenanteilen. Im Akutfall können diese Fragmente, wenn sie gut erhalten sind, in den Defekt eingepasst und mit selbst auflösenden Pins fixiert werden. Die erfolgreiche Einheilung ist abhängig von der soliden Verbindung des Knorpel-Knochenanteils mit dem knöchernen Defektgrund.

Tissue-Response-Verfahren

Für chondrale Defekte unter 2,5 cm2 empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft „Klinische Geweberegeneration“ der DGOU eine Anwendung von knochenmarkstimulierenden Techniken (z.B. Mikrofraktur) [3].

Während einer Gelenkspiegelung (Arthroskopie) wird mit Küretten ein steil abfallender und stabiler Knorpeldefektrand präpariert. Am Knorpeldefektgrund wird die kalzifizierende Schicht entfernt und anschließend die Knochenlamelle im Defektgrund mit Bohrern oder Meißeln durchbrochen. Dies führt zum Austritt von Blut, das Regenerationszellen (Stammzellen) in den Defektbereich einbringt. Um die Zellzahl im Defekt zu erhöhen, wird neuerdings versucht, die Mikrofrakturierung mit einer Abdeckung des Knorpeldefekts durch zellfreie Biomaterialien zu kombinieren [4]. Ob sich dies langfristig bewährt, kann mit den bisherigen Studien noch nicht abschließend beurteilt werden.

Unter geeigneter Nachbehandlung füllen die Regenerationszellen den defekten Bereich im Laufe der nächsten Monate mit einem Knorpel-/Narbenmischgewebe auf. Dieses unterscheidet sich in den biomechanischen Eigenschaften erheblich vom normalen hyalinen Gelenkknorpel; es ist weich und deutlich weniger stoßfest. Nach zunächst deutlicher klinischer Verbesserung fallen klinische Scores nach 3–5 Jahren wieder ab. Ursache sind die eingeschränkte Gewebequalität und die Ausbildung von intraläsionalen Osteophyten.

Osteochondrale
Transplantation (OCT)

Die osteochondrale Transplantation hat ihre Indikation bei kleineren osteochondralen Defekten. Es stellt das einzige regenerative Knorpelverfahren dar, bei dem hyaliner Knorpel in den Knorpeldefekt transferiert wird.

Bei der osteochondralen Transplantation (OCT, Knorpel-Knochen-Transplantation) werden Knorpel-Knochen-Zylinder aus einer wenig belasteten Fläche des Gelenks entnommen und in den passend ausgebohrten Defektbereich verpflanzt. Der Zylinder benötigt einen ausreichend großen knöchernen Anteil (10–15 mm Zylindertiefe), um in den umliegenden Knochen solide einzuheilen. Der Knorpelanteil des Zylinders führt zu einer Auffüllung der Defektfläche mit hochwertigem, hyalinem Knorpel. Die zwischen den Zylindern verbleibenden Lücken werden mit einem minderwertigen Narbengewebe gedeckt.

In prospektiv randomisierten Studien konnten durch die osteochondrale Transplantation im Vergleich zur Mikrofraktur signifikant niedrigere Versagensraten nachgewiesen werden: (OCT: 14 %; Mikrofraktur: 38 %) und signifikant höhere „Return-to-sport“-Raten (OCT: 93 %; Mikrofraktur: 52 %) [5].

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