Übersichtsarbeiten - OUP 02/2023
Behandlungsprinzipien von Pilonfrakturen
Wenn sich eine vernünftige Rekonstruktion nicht erzielen lassen sollte, so kann auch für solche eher seltene Konstellationen die primäre Arthrose erwogen werden. Einzelne Untersuchungen haben mit unterschiedlichen Techniken über gute funktionelle Ergebnisse sowie Heilungsraten berichtet [26]. Dabei wurde eine ventrale überbrückende Plattenosteosynthese mit einer additiven Stabilisierung mittels Fixateur externe angewandt [26].
Eine weitere Arbeitsgruppe um Zelle et al. berichtete befriedigende Ergebnisse der primären OSG-Arthrodese unter Anwendung einer dorsal eingebrachten Klingenplatte [27]. In diesem Zusammenhang wurde auf geringe Infekt bedingte Komplikationen hingewiesen. Allerdings wurde gleichzeitig betont, dass das primäre Ziel immer die Gelenkrekonstruktion sein sollte, um Nachteile der Arthrodese-bedingten Nebenwirkungen wie Anschluss-Arthrosen und Gangbild-Beeinträchtigungen zu vermeiden [27].
Prognose und
Langzeitergebnisse
Bisher wurde insb. für Hochrasanzverletzungen über unbefriedigende Ergebnisse berichtet. Aktuelle Untersuchungen stellten erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität im Vergleich zur Normalbevölkerung fest [28]. Es wurde über chronifizierte Schmerzen und eingeschränkte Mobilität geklagt [29]. Die Return-to-Work-Quote war niedrig. Weniger als 15 % aller körperlich arbeitenden Verletzten konnten beruflich rehabilitiert werden [29, 30]. Besonders komplexe C3-Frakturen haben eine sehr ungünstige Prognose hinsichtlich posttraumatischer Arthrose-Inzidenzen von mehr als 50 % [31], die wiederum mit relevanten Beeinträchtigungen der Lebensqualität belastet sind [32].
Da die funktionellen Langzeitergebnisse mit der Qualität der Fraktur- und Gelenk-Reposition korrelierten, sollte die chirurgische Strategie neben der Gelenkrekonstruktion ein möglichst komplikationsarmes Vorgehen beinhalten, da Weichteil- und Infekt-Komplikationen das Gesamtergebnis signifikant beeinträchtigen [28, 32].
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Die Pilonfraktur stellt auch heute noch eine erhebliche Herausforderung dar. Die Behandlung sollte durch ein erfahrenes Team erfolgen, wobei die notfallmäßige Versorgung im Zweifel die gelenküberbrückende Ruhigstellung mittels Fixateur externe beinhalten sollte. Die Frakturanalyse sollte neben der konventionell radiologischen Bildgebung immer durch eine CT ergänzt werden, um die Rekonstruktionsstrategie mit den damit verbundenen Zugangsoptionen auf Basis des Weichteilschadens planen zu können. Eine endoskopisch assistierte Frakturversorgung kann insb. bei nicht verfügbarer intra-operativer 3D-Bildgebung die Repositionsqualität verbessern. Additive weichteilprotektive Maßnahmen mit Vacuum-Inzisionsfolien zeigten positive Effekte, um Komplikationen zu reduzieren.
Die Langzeitergebnisse wurden durch verhältnismäßig stark beeinträchtigte Lebensqualität und hohen post-traumatische Arthroseraten getrübt. Die Langzeitergebnisse korrelieren mit der Güte der chirurgischen Gelenkrekonstruktion, wobei neben Patientenfaktoren die Weichteile einen limitierenden Faktor darstellen ebenso wie die primäre irreversible Gelenkknorpelschädigung.
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf: www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Atesch Ateschrang
Klinik für Orthopädie und
Unfallchirurgie
Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein
Ev. Stift St. Martin
Johannes-Müller-Str. 7
56068 Koblenz
atesch.ateschrang@gk.de
Fragen zum CME-Artikel:
1. Pilonfrakturen – welche Aussage trifft zu?
Sie kommen bei osteoprotischer Knochenqualität vor.
Sie werden durch mind. 5 Fragmente definiert.
Sie wurden erstmals 1750 von Plafond beschrieben.
Sie werden nach Weber Danis klassifiziert.
Es können unterschiedliche Klassifikationen angewandt werden.
2. Klassifizierung der Pilonfraktur – welche Aussage trifft zu?
Die Klassifikation nach Rüedi und Allgöwer wird heute ausschließlich angewandt.
Die AO-Klassifikation hat eine prognostische Aussage.
Die Klassifikation nach Leonetti bildet die Komplexität der Gelenkfraktur nicht ab.
Es bestehen immer 3 Hauptfragmente.
Die Studie von Cole et al. identifizierte 4 Hauptfragmente.
3. Behandlung von Pilonfrakturen – welcher Aspekt trifft zu?
Der Weichteilschaden wird nach Rüedi und Allgöwer klassifiziert.
Weichteilschäden sollten besonders beachtet werden.
Hochrasanz- und Distorsionstraumata führen zu identischen Frakturmorphologien.
Die definitive Versorgung beinhaltet die Gelenkrekonstruktion mit einem Fixateur externe.
Die Prognose der Pilonfraktur ist mittlerweile auf Grund neuer präformierter Plattenosteosynthesen sehr gut.
4. Behandlung von Pilonfrakturen – welche Aussage trifft zu?
Posttraumatische Arthrosen nach Pilonfrakturen kommen in ca. 10 % der Fälle vor.
Die Notfallbehandlung beinhaltet die sofortige Gelenkrekonstruktion.
Metaphysäre Knochendefekte können mit allogener Spongiosa-Plastik rekonstruiert werden.
Metaphysäre Knochendefekte können mit Knochenzement definitiv rekonstruiert werden.
Pilonfrakturen sollten wegen der Gelenkzertrümmerung im Fixateur externe ausbehandelt werden.
5. Wie sollte die Behandlungsstrategie von Pilonfrakturen erfolgen?
Die Gelenkrekonstruktion erfolgt beginnend mit der tibialen Gelenkfläche.
Die Notfalltherapie sollte, w.m., die anatomische Rekonstruktion der Fibula beinhalten.
Die notfallmäßige Behandlung mit Stabilisierung der Fibula und Fixateur externe kann die tibiale Gelenkstellung durch Ligamentotaxis nicht verbessern.
Die primäre Fibulaosteosynthese kann Ligamentotaxis aufbauen, auch wenn die Syndesmose rupturiert ist.
Die Pilonfraktur ist vergesellschaftet mit Frakturen der Fibula.
6. Bildgebung bei Pilonfrakturen – welche Aussage trifft zu?
Die radiol. Bildgebung ist mit Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen für alle Frakturklassifikationen der Pilonfraktur ausreichend.
Eine MRT ist immer sinnvoll, um Knorpelschäden zu identifizieren.
Die CT wird nur selten benötigt.
Ein präoperatives CT bringt gegenüber der konventionell radiol. Bildgebung keine Vorteile.
Wurde die Fibula primär stabilisiert, so können Nachteile in der Zugangswahl resultieren.
7. Osteosyntheseprinzipien von Pilonfrakturen – welche Aussage trifft zu?
Die Doppelplattenosteosynthese führt zu keinen Weichteilkomplikationen.
Durch die Entwicklung neuer Plattenosteosynthesen ist eine Doppelplattenosteosynthese nicht mehr notwendig.
Der 3D-Bildwandler ist für die
intra-operative Kontrolle der
Osteosynthese obligatorisch.
Die Arthro- bzw. Endoskopie kann die Gelenkfläche so darstellen, dass eine intraop. 3D-Bildgebung nicht erforderlich wird.
Die Arthroskopie hat keine Bedeutung, da durch die Spülflüssigkeit ein Kompartmentsyndrom entsteht.