Übersichtsarbeiten - OUP 03/2020

Der patellofemorale Schmerz
Ursachen und Diagnostik

In Rückenlagen sollte die mediolaterale patelläre Verschieblichkeit mit dem mediolateralen Verschiebetest beurteilt werden, um eine Aussage über das mediale patellofemorale Ligament sowie das laterale Retinakulum zu bekommen. Eine vermehrte laterale Abkippung der Patella, also ein vermehrter Patella-Tilt, kann mit einem vermehrten lateralen Anpressdruck einhergehen [4]. Mit Hilfe des Zeichens der tanzenden Patella kann eine Aussage über das Vorliegen eines intraartikulären Ergusses getätigt werden. Anschließend kann mit dem Apprehension-Test nach Hughston eine Aussage über die Luxationstendenz der Patella gemacht werden [28]. Wir präferieren eine dynamische Variante des Apprehension-Tests (ReDPAT), um eine Aussage der Luxationstendenz der Patella in verschiedenen Kniegelenksbeugegraden zu erhalten [56]. Ungeachtet dessen, dass der Zohlen-Test häufig falsch-positiv ausfällt, ist er in unserer Vorgehensweise ein Bestandteil der klinischen Untersuchung [23].

Wie oben beschrieben, ist die Kontrolle der femoralen Abduktion und Außenrotation durch eine suffiziente Hüftmuskulatur wichtig zur Verhinderung eines Patellamaltrackings. Zur Testung der Hüftaußenrotatoren stellt der Patient in Rückenlage seine Füße auf die Liege und versucht, die Kniegelenke gegen den manuellen Druck des Untersuchers nach außen zu rotieren. Mit dem Test nach Ober und der Einteilung nach Gose und Schweizer kann zusätzlich das Ausmaß einer möglichen Tractus iliotibialis-Kontraktur bestimmt werden [22]. Vervollständigt wird die klinische Untersuchung in Bauchlage des Patienten mit der Beurteilung der femoralen Torsion. Dabei ist eine Innenrotationsfähigkeit der Hüfte von > 70° verdächtig auf eine erhöhte Femurantetorsion. Weiterhin kann in Bauchlage mit dem Fersen-Gesäß-Abstand der Tonus bzw. die Dehnung des M. quadriceps beurteilt werden.

Bei funktionellen Auffälligkeiten in der klinischen Untersuchung können eine Ganganalyse, Kraftmessungen und biomechanische Untersuchungen die klinischen Untersuchungsergebnisse unterstreichen [18].

Die bildgebende Diagnostik umfasst neben der Röntgenbildgebung (in 2 Ebenen, ggf. mit Ganzbeinstandaufnahme) ggf. eine Kernspintomographie. Bei klinischem Verdacht auf einen Torsionsfehler an Femur und/oder Tibia ist die Indikation zu einer Torsionsmessung mit einem Torsions-MRT bzw. -CT gegeben.

Im Rahmen der Analyse der Bildgebung sollte neben der routinemäßigen Analyse der Kniebinnenstrukturen eine Beurteilung der bekannten Patella-Malalignmentparameter erfolgen. Hierzu zählt zum einen die Beurteilung der Patellahöhe auf der streng seitlichen Röntgenaufnahme. Diese kann z.B. nach Caton-Deschamps beurteilt werden [7]. Weiterhin erfasst werden sollte der Typ der Trochleadysplasie nach Dejour anhand der von Fucentese et al. beschriebenen Methode [13, 21]. Auch die Beurteilung der Distanz zwischen der Tuberositas tibiae und der Trochlea (TT-TG) nach der von Schoettle et al. beschriebenen Methode sowie der Abstand zwischen der Tuberositas tibiae und der hinteren Kreuzbandinsertion (TT-PCL) gemäß der publizierten Vorgehensweise nach Seitlinger et al. sind Bestandteil der bildmorpholgischen Auswertung [46, 48]. Anhand der Ganzbeinaufnahme sollte auf eine mögliche Valgusabweichung geachtet werden [25].

Auch die Beurteilung von Knorpelläsionen, Veränderungen des Hoffa-Fettkörpers und der Schleimhaut (Plica mediopatellaris) sowie ossäre Reaktionen sind essenzieller Bestandteil der kernspintomographischen Auswertung.

Schlussfolgerung

Die Ätiologie des patellofemoralen Schmerzes ist multifaktoriell. Derzeit wird ein pathophysiologisches Modell zur Entstehung des Schmerzes favorisiert, nach dem verschiedene Ursachen (anatomische, funktionelle u.a.) einen verstärkten Anpressdruck im Patellofemoralgelenk bedingen. Unklar bleibt derzeit noch, wie die genauen pathophysiologischen Abläufe bis hin zum Schmerzerleben bei diesen Patienten sind und wie diese durch psychologische Faktoren ergänzend moduliert werden. Das diagnostische Prozedere sollte sich wie gewohnt, standardisiert in Anamnese, klinische Untersuchung und bildgebende Verfahren, gliedern. Funktionelle Tests und Übungen bilden einen Schwerpunkt der Diagnostik und der Therapie. Neben dem Ausschluss intraartikulärer Pathologien gilt es zudem, ein anatomisches oder funktionelles Patella-Malalignment zu erkennen bzw. dieses auszuschließen oder zu behandeln. Klinische Scores können eine objektive Einschätzung ermöglichen und helfen, den Verlauf der Therapie zu beurteilen.

Interessenkonflikte

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Felix Zimmermann

BG Klinik Ludwigshafen und
ARCUS Sportklinik Pforzheim

felix.zimmermann@bgu-ludwigshafen.de

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