Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024
Diagnostikstandards Knorpeltherapie Knie, OSG, Hüfte
Deuten die Symptome und die Untersuchung darauf hin, dass ein FAIS oder eine Dysplasie vorliegen könnte, sollte eine röntgenologische Bildgebung erfolgen. Zur Standard-Beurteilung werden eine zentrierte Beckenübersichtsaufnahme und eine axiale Aufnahme der Hüfte empfohlen [1, 23]. Die Beckenübersichtsaufnahme sollte in Bezug auf Rotation und Neigung des Beckens optimal ausgerichtet sein. Die Patientin/der Patient befindet sich in Rückenlage, mit gestreckten und 15° nach innen rotierten Beinen. Der Zentralstrahl verläuft mittig durch die Tangente, die sich zwischen dem oberen Rand der Symphyse und der Linie, die die vorderen oberen Darmbeinstachel verbindet, ergibt. Eine korrekte Rotation ist daran zu erkennen, dass die Spitze des Steißbeins in einer vertikalen Linie mit der Schambeinfuge liegt. Die korrekte Neigung wird dadurch bestätigt, dass die Spitze des Steißbeins etwa 1–2 cm vom oberen Rand der Schambeinfuge entfernt ist. Gemäß aktueller S2k-Leitlinie Koxarthrose sollte bei Frauen auf den Gonadenschutz verzichtet und dieser bei Männern distal der Symphyse platziert werden [12]. Eine Beckenübersichtsaufnahme ist sinnvoll, um eine begleitende Arthrose zu erkennen, die meist mit einem Tönnis- oder Kellgren-Lawrence-Grad klassifiziert wird. Es gibt mehrere röntgenologische Möglichkeiten zur Beurteilung des Schenkelhals-Kopf-Übergangs, unter anderem die 45°- oder 90°-Dunn-, die Lauenstein- oder Faux-Profil-Aufnahme. Mit der 45°-Dunn-Aufnahme lässt sich der anterosuperiore Schenkelhals-Kopfübergang am besten beurteilen, während die Lauenstein- oder Faux-Profil-Aufnahme den anterioren Schenkelhalskopfübergang abbildet. Die häufigste Lokalisation der CAM-Morphologie ist der anterosuperiore Schenkelhalskopfübergang, sodass die Dunn-Aufnahmen zur Beurteilung empfohlen werden [23]. Der Grad der CAM-Morphologie kann anhand von 2 wichtigen radiologischen Parametern quantifiziert werden: dem Alphawinkel und dem Kopf-Hals-Offset. Im Rahmen des Lisabonner Agreement Meetings wurde ein Grenzwert des Alphawinkels von 60° definiert. Zur Bestimmung des Kopf-Hals-Offsets wird der Abstand zwischen einer Tangente, angelegt an der schmalsten Stelle des Schenkelhalses und einer parallel dazu verlaufenden Tangente, die den Oberschenkelkopf schneidet, gemessen. Als Normwert wurde ein Offset von > 8 mm bestimmt.
Ein Maß für die laterale Überdachung stellt der Laterale Centrum Erker (LCE)-Winkel dar, dessen Normbereich zwischen 25° und 40° liegt [1, 23]. Der von Wiberg beschriebene LCE-Winkel wird bis zum lateralen Rand der azetabulären Tragfläche (der Sourcil; franz.: Augenbraue) gemessen. Hierbei ist auf eine exakte Messung zu achten, da ein zu lateral angelegter LCE-Winkel fälschlicherweise höhere Werte ergeben kann. Obwohl der LCE-Winkel ein Maß für die laterale Femurkopfüberdachung darstellt, bleibt die anteriore und posteriore Überdachung hierbei weitgehend unberücksichtigt.
Eine Möglichkeit zur Beurteilung der anterioren Überdachung ist der Anterior Wall Index (AWI). Der AWI quantifiziert röntgenologisch die anteriore Überdachung des Femurkopfes durch die Pfanne. Analog zum AWI quantifiziert der Posterior Wall Index (PWI) röntgenologisch die posteriore Überdachung. Eine Möglichkeit die azetabuläre Version und somit eine azetabuläre Retroversion anhand einer Beckenübersichtsaufnahme zu beurteilen, liegt in der Evaluation des sog. Cross-Over Signs (COS), des Posterior Wall Signs (PWS) und des Ischial Spine Signs. Bei einem positiven COS überkreuzt der vordere Pfannenrand den hinteren, wobei hier eine fokale von einer globalen Überkreuzung unterschieden werden muss. Das PWS ist definiert als mediale Projektion der Pfannenhinterwand zum Zentrum des Hüftkopfes. Das Ischial Spine Sign beschreibt die Projektion der Spina Ischiadica in die Eingangsebene des Beckens. Finden sich alle 3 Zeichen, so muss von einer relevanten Retroversion der Pfanne ausgegangen werden. Liegt kein PWS vor, kann ein COS eher auf eine fokale Mehrüberdachung durch eine prominente azetabuläre Vorderwand als auf eine Retroversion des Azetabulums hinweisen [23].
Konträr einer Pincer-Morphologie mit erhöhten LCE-Winkeln können diese auch vermindert sein, sodass bei einem LCE-Winkel von < 25° von einer Hüftdysplasie ausgegangen werden muss. Bei den Grenzdysplasien (LCE-Winkel 18–25°) hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass eine Differenzierung zwischen Instabilitätsbeschwerden oder impingementbedingten Beschwerden therapieentscheidend ist. Aus diesem Grund wurden radiologische Parameter definiert, die eine solche Differenzierung erlauben sollen. Diese Parameter sind der Femoro-Epiphyseal Acetabular Roof (FEAR) Index oder Gothic Arch Angle (GAA) [36, 38]. Eine Darstellung coxometrie-relevanter Winkel und Zeichen ist in den Supplements des Artikels hinterlegt (Abb. 4, 5).
Magnetresonanztomographie
Während durch die Röntgenaufnahmen vor allem knöcherne Pathologien identifiziert werden können, zielt die MRT auf die Detektion weichteiliger Schäden (Labrum, Knorpel etc.) ab. Vor allem der Grad der Knorpelschädigung ist ein wichtiger prognostischer Faktor für jede hüftgelenkerhaltende Operation, sodass eine adäquate präoperative Evaluation des Knorpelstatus erforderlich ist. Die MRT der Hüfte, die direkte MR-Arthrographie (dMRA) und seltener die indirekte MRA sind Methoden für die Detektion von chondrolabralen Läsionen der Hüfte, wobei die diagnostische Genauigkeit der dMRA im Vergleich zur nativen MRT überlegen ist. Gegenwärtig gibt es Hinweise darauf, dass die dMRA die beste Technik zur Untersuchung intraartikulärer struktureller Läsionen ist [23]. Allerdings war die 3T-MRT bei der Diagnose von Labrumrissen und Knorpeldelaminationen gleichwertig mit der 1,5T-dMRA. Die dMRA oder MRT kann mit einer Traktion der Beine kombiniert werden und hat erste vielversprechende Ergebnisse in der Detektion chondraler Schäden vor allem azetabulärer Delaminationen gezeigt. Ergänzend können spezifische hochauflösende Sequenzen für Knorpelmapping (z.B. „delayed gadolinium enhanced MRI of cartilage“ [dGEMRIC]) hinzugefügt werden (Abb. 6).
Zur genauen Charakterisierung der morphologischen Beschaffenheit des Femurkopf-Schenkelhalsübergangs sollte eine radiäre Bildgebung ergänzend durchgeführt werden. Radiäre Aufnahmen, die sich um die Achse des Oberschenkelhalses drehen, ermöglichen eine zirkumferentielle Beurteilung des Hüftgelenks im Uhrzeigersinn, um CAM-Morphologien darzustellen, die typischerweise im anterosuperioren Quadranten des Femurkopf-Schenkelhalsübergangs liegen. Die radiären Schnitte können entweder durch rekonstruierte 3D-Datensätze oder direkte radiale 2D-Sequenzen Sequenzen erstellt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass zweidimensionale Röntgenaufnahmen das Vorhandensein einer CAM-Morphologie nicht ausschließen und zudem deren Schweregrad unterschätzen können.