Übersichtsarbeiten - OUP 01/2025

Die hintere Kreuzbandruptur
Diagnostik, Begleitverletzungen und Therapieoptionen

Tobias C. Drenck, Alexander Korthaus, Lena Eggeling, Jannik Frings, Karl-Heinz Frosch, Ralph Akoto

Lernziele:

Nach dem Lesen dieses Artikels können Sie:

die komplexe Diagnostik der hinteren Kreuzbandverletzungen verstehen.

Begleitverletzungen der hinteren Kreuzbandverletzung klassifizieren.

Therapieverfahren der hinteren Kreuzbandverletzung indizieren.

knöcherne Begleitpathologien einschätzen.

die konservative Therapie der hinteren Kreuzbandverletzung einleiten.

Zusammenfassung:
Die hintere Kreuzbandverletzung (HKB) ist im Vergleich zur vorderen Kreuzbandverletzung selten, sodass auch erfahrene Kniechirurginnen und -chirurgen selten vor der Herausforderung dieser Verletzung stehen. Ferner bleiben die zu erwartenden Ergebnisse nach operativer Rekonstruktion
des hinteren Kreuzbandes trotz intensiver Forschung der letzten Jahre hinter den Ergebnissen
einer vorderen Kreuzbandverletzung zurück. Die Herausforderung liegt insbesondere im inhomogenen Verletzungsmuster, so sind oft verschiedene Bandstrukturen betroffen und führen
zu kombinierten Instabilitäten. Dies erfordert ein differenziertes Vorgehen hinsichtlich konservativer und operativer Therapie.

Schlüsselwörter:
Hinteres Kreuzband, posterolateral, Kniegelenkinstabilität, Slope

Zitierweise:
Drenck TC, Korthaus A, Eggeling L, Frings J, Frosch K-H, Akoto R: Die hintere Kreuzbandruptur. Diagnostik, Begleitverletzungen und Therapieoptionen
OUP 2025; 14: 33–40
DOI 10.53180/oup.2025.0033-0040

Summary: Posterior cruciate ligament injuries are relatively uncommon compared to anterior cruciate ligament injuries. Thus, even experienced knee surgeons are less frequently confronted with this type of injury. Furthermore, despite intensive research in recent years, outcomes achieved after surgical reconstruction of the posterior cruciate ligament lag behind the results of anterior cruciate ligament surgery. In particular, the challenge lies in the heterogeneous injury pattern, which often affects different ligament structures and leads to combined instabilities. This requires a differentiated approach to both conservative and surgical treatment options.

Keywords: Cruciate ligament, posterolateral, knee joint instability, slope

Citation: Drenck TC, Korthaus A, Eggeling L, Frings J, Frosch K-H, Akoto R: Posterior cruciate ligament injury. Diagnosis, concomitant injuries and therapy
OUP 2025; 14: xxxx–xxxx. DOI 10.3238/oup.20XX.XXXX–XXXX

T. C. Drenck, L.Eggeling: Abteilung Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie, BG Klinikum Hamburg

A. Korthaus, K.-H. Frosch: Abteilung Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie, BG Klinikum Hamburg & Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

J. Frings: Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

R. Akoto: Abteilung Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie, BG Klinikum Hamburg & Universität Witten/Herdecke, Krankenhaus Köln-Merheim

Einleitung

Verletzungen des hinteren Kreuzbandes sind selten und werden häufig in der initialen Untersuchung übersehen. Sanders berichtete von einer Inzidenz von 1,8 pro 100.000 Personen [1]. Somit stehen auch erfahrene Gelenkchirurginnen und -chirurgen nur selten vor der Herausforderung, diese Verletzungen zu behandeln. Zudem ist das Verletzungsmuster oft inhomogen und beinhaltet sowohl knöcherne Avulsionen als auch Verletzungen begleitender Bandstrukturen. Diese Begleitverletzungen führen zu verschiedenen Mustern von Instabilitäten. Die Therapie der Verletzung erfordert daher eine genaue Klassifikation mit differenzierter Therapieentscheidung. Die operative Therapie ist durch die Komplexität der Begleitverletzungen anspruchsvoll und erfordert viel Erfahrung, die betroffenen Strukturen erfolgreich zu detektieren und zu rekonstruieren. Bei korrekter Indikationsstellung und bestimmten isolierten Verletzungen des hinteren Kreuzbandes bieten spezielle Orthesen die Möglichkeit, mittels konservativer Therapie gute Ergebnisse zu erzielen. Wichtig sind hierbei eine gute Compliance der Patientin/des Patienten sowie eine konsequente Mitbehandlung durch Physiotherapie.

Anamnese und Diagnostik

Die korrekte und differenzierte Diagnostik einer hinteren Kreuzbandverletzung ist anspruchsvoll. Der Verletzungsmechanismus unterscheidet sich vom klassischen Verdrehtrauma und dem klinischen Erscheinungsbild der ungleich häufigeren vorderen Kreuzbandruptur. Fanelli et al. fanden in ihrer Studie unter 222 Patientinnen und Patienten mit einer Kniegelenkverletzung mit hoher Energieeinwirkung und Hämarthros in 38 % der Fälle eine hintere Kreuzbandverletzung. Sportverletzungen sind für die hintere Kreuzbandverletzung weniger typisch, Fanelli et al. fand diese Ursache in nur 32 % der Fälle [2, 3]. Mindestens 70 % der Patientinnen und Patienten mit einer hinteren Kreuzbandverletzung haben begleitende Bandverletzungen, am häufigsten ist hier die posterolaterale Gelenkecke betroffen. Sie bildet ein komplexes Zusammenspiel des Außenbandes mit dem Ligamentum popliteofibulare. Im untersuchten Kollektiv waren die meisten Verletzten männlich und zwischen 28 und 34 Jahre alt [2, 3]. Ein typisches Verletzungsmuster ist der Anprall am Armaturenbrett bei einem Verkehrsunfall (Dashboard Injury), ein Sturz auf das gebeugte Knie sowie das Hyperextensionstrauma.

Kim et al. zeigten das in 8 % der Fälle Verletzungen des HKB bei kniegelenksnahen Frakturen übersehen wurden [4]. Frische Verletzungen werden im MRT recht sicher in 96 % der Fälle detektiert, chronische Verletzungen wiederum werden im MRT nur in etwa 57 % der Fälle richtig diagnostiziert (Abb. 1) [5]. Im Falle einer chronischen Verletzung ist der Goldstandard eine gehaltene Röntgenaufnahme bei der die hintere Schublade im Röntgen seitenvergleichend quantifiziert werden kann (Abb. 2). Viele Behandlungskonzepte, die bei der vorderen Kreuzbandverletzung zu guten Ergebnissen führen, lassen sich nicht uneingeschränkt auf das hintere Kreuzband übertragen. Dies führt nach operativer Versorgung in vielen Fällen zu schlechteren klinischen Ergebnissen. Tucker et al. stellten eine Versagensrate von hinteren Kreuzbandverletzungen von 42 % fest [6]. Im Gegensatz zur vorderen Kreuzbandverletzung konnten für die isolierte hintere Kreuzbandverletzung gute Ergebnisse unter konservativer Therapie gezeigt werden. Agolley et al. zeigten bei 46 semi-professionellen Athleten, dass 91,3 % nach 2 Jahren ein höheres oder gleiches sportliches Level erreichten [7].

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