Übersichtsarbeiten - OUP 01/2025
Die hintere KreuzbandrupturDiagnostik, Begleitverletzungen und Therapieoptionen
Derzeit existiert nur wenig Evidenz zur postoperativen Nachbehandlung von hinteren Kreuzbandverletzungen [13]. Die Konzepte sind meist inhomogen bezüglich Dauer der Teilbelastung, Orthesenversorgung und Bewegungslimitierung. Die Zeiträume variieren dabei zwischen 6 Wochen und 6 Monaten. Für wenige Orthesen werden klinische Ergebnisse berichtet [14]. Die meisten nationalen und internationalen Arbeiten empfehlen die Nachbehandlung einer Kreuzbandverletzung mit einer Orthese nach operativer und konservativer Therapie. Die Autoren berichten von einer Verbesserung der Instabilität, sofern eine Orthese verwendet wird, mit der die hintere Schublade aktiv über das gesamte Bewegungsausmaß kompensiert wird. Biomechanische Daten deuten darauf, dass statische Orthesen die Kräfte auf das hintere Kreuzband weniger effektiv kompensieren können, da die Kräfte vom Beugegrad abhängig sind (Tab. 3) [14].
Konservative Behandlung
Die konservative Therapie der hinteren Kreuzbandverletzung steht in reger Diskussion in der aktuellen Literatur. So konnte in einer Studie mit über 4000 Patientinnen und Patienten festgestellt werden, dass Patientinnen und Patienten mit konservativer Behandlung, im Vergleich zu einer operativen Therapie, deutlich mehr Meniskusverletzungen, sowie eine höhere Rate an Arthrosen aufwiesen. Zudem waren Implantationen einer Knieprothese häufiger in der konservativen Gruppe indiziert [15]. Andererseits konnten auch gute klinische Ergebnisse durch die konservative Therapie präsentiert werden. So erreichen 83 % der Sportlerinnen und Sportler nach einer konservativen Therapie bei isolierter Verletzung eine sportliche Aktivität auf Wettkampfniveau [16]. Es herrscht aktueller Konsens, dass bei akuten isolierten HKB-Verletzungen mit geringer hinterer Schublade unter 5 mm und einer/einem klinisch kompensierten Patientin/Patienten die Indikation zum konservativen Therapieversuch besteht.
Neben dem Verletzungsmuster müssen in der Therapieentscheidung aber auch patientenspezifischen Faktoren wie BMI, Alter oder etwaige vorbestehende degenerative Schäden berücksichtigt werden. So sollte bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen genau herausgearbeitet werden, ob die Instabilität der ligamentären Verletzung im Fokus der Beschwerden der Patientin/des Patienten steht. Auch das vorhandene bzw. angestrebte Aktivitätsniveau sollte mit in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. So hat die konservative Therapie bei nur geringer kniebelastender Aktivität und geringen Instabilitäten eine große Bedeutung [17]. Bei knöchernen tibialen HKB-Avulsionsverletzungen konnten Yoon et al. darstellen, dass eine konservative Therapie bei Fragmentdislokationen bis 6,7 mm gute klinische und radiologische Ergebnisse erzielen kann [2].
Für die allgemeine konservative Therapie von ligamentären hinteren Kreuzbandverletzungen wurden in der Literatur verschiedene uneinheitliche Algorithmen beschrieben [18]. Allerdings besteht ein Konsens, dass eine angemessene Stabilisierung durch eine anfängliche Ruhigstellung in Verbindung mit einer progressiven Bewegungstherapie sowohl nach der Verletzung als auch postoperativ wichtig sind, um den Heilungsprozess des hinten Kreuzbandes zu unterstützen [19]. Jung et al. präsentierten 2008 ein konservatives Procedere mit 6 Wochen Extensionsgips in vorderer Schublade und anschließend 6 Wochen Tragen einer Orthese, die die posteriore Translation der Tibia neutralisiert. Dabei wurde eine Bewegungslimitation von 0–0–90º für 3 Wochen danach von 0–0–120º für 6–12 Wochen ausgesprochen. Jedoch wurde eine ausgeprägte Quadrizepsarthrophie beobachtet [20]. In Anlehnung an diese Studie führten Jacobi et al. eine Ruhigstellung in einer Orthese (Jack PCL Albrecht GmbH, Bernau, Deutschland) mit aktiver Unterstützung der hinteren Schublade durch [21]. Sie konnten im Follow Up einen durchschnittlichen IKDC, von 95 zeigen während Jung et al. lediglich einen Wert von 90 erreichte.
Zu Beginn der konservativen Therapie wird eine Teilbelastung empfohlen und Bewegungsübungen werden in Bauchlage durchgeführt, um das Risiko einer posterioren Schublade durch die Schwerkraft zu reduzieren. Schwerpunkt der Physiotherapie liegt auf der Kräftigung der Quadrizepsmuskulatur. Sportartspezifische Übungen können häufig im sechsten postoperativen Monat begonnen werden. Allerdings ist vor der Rückkehr zum Sport ein vollständiges ROM, eine ausreichende Quadrizepsmuskulatur und ein fester Anschlag im hinteren Schubladentest erforderlich [16, 18, 22].
In unserer Klinik empfehlen wir für einen Zeitraum von 6 Wochen das Tragen einer speziellen bewegungslimitierenden „HKB-Bewegungsorthese“ mit aktiver, dynamischer Aufhebung der hinteren Schublade (Jack PCL Albrecht GmbH, Bernau, Deutschland). Die Jack PCL gewährleistet durch die flächige Anlage der Wadenschale und konstante Krafteinwirkung (Entkoppelung von Rotation und Translation) eine Sicherung des hinteren Kreuzbands über den gesamten Bewegungsumfang und somit die Verhinderung einer Elongation. Für die ersten 6 Wochen wird die Schiene auf einen Bewegungsradius von 0–0–60º eingestellt. Darüber hinaus empfehlen wir eine Mobilisation in Bauchlage unter Quadrizepsanspannung. Das Bewegungsziel wird alle 2 Wochen von 0–0–45º auf 0–0–60º bzw. auf 0–0–90º gesteigert. Bezüglich der Belastung sieht unser Konzept eine vierwöchige Teilbelastung an Unterarmgehstützen mit 20 kg vor. Anschließend erfolgt ein Aufbelasten auf 50 % des Körpergewichtes für weitere 2 Wochen. Dies setzt eine hohe Compliance und hochwertige Physiotherapie voraus. Es ist ferner davon auszugehen, dass ein zu später Beginn einer konservativen Therapie zu keinen zufriedenstellenden Ergebnissen führen kann, da die Bandheilung bereits abgeschlossen ist. Ein früher und konsequenter Beginn der Orthesenbehandlung ist daher essentiell.
Interessenkonflikte:
Finanzielle Unterstützung für Forschungsprojekte durch die Firma
Albrecht GmbH, Bernau, Deutschland
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Tobis C. Drenck
Kniechirurgie
BG Klinikum Hamburg