Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015

Differenzialdiagnostik bei Schmerzen nach Hüftendoprothese

J. Jerosch1

Zusammenfassung: Die Hüfttotalendoprothese ist eine der erfolgreichsten Operationen des letzten Jahrhunderts. Dennoch gibt es Patienten, die über anhaltende Schmerzen nach einer hüftendoprothetischen Versorgung klagen. Die differenzialdiagnostische Abklärung ist hierbei nicht immer einfach. Die differenzialdiagnostischen Ursachen hierzu sind vielfältig. Prinzipiell kann man mechanische Ursachen (intra- und extrakapsulär) von infektiösen Ursachen, sonstige Ursachen sowie Ursachen außerhalb des Hüftgelenks differenzieren.

Besondere diagnostische Relevanz haben die spezifische Schmerzanamnese, die klinische Untersuchung sowie die Analyse des Gangbilds. Gleichfalls gehören Standard-Röntgenbeckenübersichtsaufnahmen mit Darstellung des Beckens und des gesamten Femurs obligat mit zur Abklärung. Der Zeitpunkt des Auftretens von Beschwerden in Relation zur Implantation der TEP kann bereits richtungweisend sein. Die Infektion ist nach wie vor die Hauptursache für Beschwerden nach Hüftendoprothesen und diese gilt es abzuklären. Beinlängendifferenzen sind nach wie vor ein klinisch und juristisch relevantes Problem nach hüftendoprothetischer Versorgung. In seltenen Fällen ist eine arthroskopische Abklärung notwendig.

Schlüsselwörter: Hüftendoprothese, Schmerzsyndrome, diagnostischer Algorithmus

Zitierweise
Jerosch J: Differenzialdiagnostik bei Schmerzen nach Hüftendoprothese. OUP 2015; 02: 090–100 DOI 10.3238/oup.2015.0090–0100

Summary: Total hip replacement is one of the most successful operation of the last century. However, there are still patients with complaints with a total hip replacement. The diagnostic workout is not always easy. The cause for complaints can be multiple. Mechanical causes (intra- and extracapsular) can be differentiated from infection and other causes outside the hip itself.

Of main importance for the diagnostic workup is the specific pain history, the clinical examination including the gait analysis. Plain x-rays include the pelvis as well as the complete femur. The onset of pain in relation to the implantation of the implant can also give some clues. Infection is still the most important problem to rule out. Leg length discrepancies are also an important clinical and legal problem. Sometime even diagnostic arthroscopy is necessary.

Keywords: total hip replacement, pain syndromes, diagnostic algorithm

Citation
Jerosch J: Differential diagnostic in the painful total hip replacement. OUP 2015; 02: 090–100 DOI 10.3238/oup.2015.0090–0100

Einleitung

Die Hüfttotalendoprothese zählt zu den erfolgreichsten Operationen im letzten Jahrhundert. Dies gilt sowohl aus medizinischer Sicht für den Patienten aber auch aus sozioökonomischer Sicht. Dennoch gibt es immer wieder Patienten, die über anhaltende Schmerzen nach einer hüftendoprothetischen Versorgung klagen. Es gibt durchaus auch kritische Literatur die zeigt, dass bis zu 22 % der Patienten nach Hüftendoprothesen nicht zufrieden sind [1]. Die differenzialdiagnostische Abklärung ist hierbei nicht immer einfach [2]. Prinzipiell gilt es, Ursachen im Bereich des betroffenen Hüftgelenks selbst und hüftgelenksfern zu differenzieren.

Die differenzialdiagnostischen Ursachen hierzu sind vielfältig. Prinzipiell kann man mechanische Ursachen (intra- und extrakapsulär) von infektiösen Ursachen, sonstige Ursachen sowie Ursachen außerhalb des Hüftgelenks differenzieren (Tab. 1).

Für die klinische Differenzierung ist es hilfreich, die zeitliche Relation zum Auftreten der Beschwerden nach Implantation der Hüftendoprothetik vor Augen zu haben. Hier kann man frühe Probleme (innerhalb von Tagen) von intermediären Problemen (innerhalb von Wochen) und Spätproblemen (innerhalb von Jahren) nach der Implantation differenzieren (Tab. 2).

Schmerzanamnese

Ganz entscheidend bei der Differenzierung von Schmerzen nach hüftendoprothetischer Versorgung ist die Schmerzanamnese. Hierzu zählen die folgenden Punkte:

Ist der Schmerz anders

als vor der hüftendoprothetischen Versorgung?

Falls das nicht der Fall ist, liegt eventuell. eine Schmerzursache außerhalb des Hüftgelenks vor und man muss, insbesondere bei den hüftunabhängigen Schmerzursachen (s.u.), nochmals weitere differenzialdiagnostische Überlegungen anstellen.

Wo ist der Schmerz lokalisiert?

Fragt man den Patienten danach, gibt der Patient bei einem Hüftschmerz üblicherweise selber das sogenannte C-Zeichen an (Abb. 1) [3, 4, 5]. Das C-Zeichen deutet eher auf eine Pfannenproblematik oder eine Problematik im Bereich der Abduktoren.

Deutet der Patient eher auf den Femur, spricht das eher für eine Schaftproblematik. Im Gegensatz ist die Schmerzlokalisation im Gesäß oder im Bereich des posterioren Trochanters oder sogar Beschwerden, die bis unterhalb des Knies ausstrahlen, nicht durch intraartikuläre Ursachen bedingt. Hier können auch spinale oder sakroiliacale Pathologien eine Rolle spielen. Assoziierte Symptome sind solche Parästhesien, Taubheit, Rückenschmerz und eine neurogene Claudicatio. Die Symptome verschlechtern sich häufig beim Niesen oder Husten und sind positionsabhängig [4, 6]. Beeinträchtigungen höherer lumbaler Wurzeln (L1 bis L3) können oftmals einen Hüftschmerz ohne distale Ausstrahlung verursachen [7].

Liegt ein Nachtschmerz vor?

Beim Nachtschmerz ist primär an eine Infektion oder an eine sich ausbildende heterotrope Ossifikationen zu denken.

Liegt der Schmerz vor allen Dingen beim Stehen vor?

Das spricht für eine mechanische oder ossäre Problematik im Sinne einer Implantatlockerung.

Gibt es Schmerzen beim Gehen?

Das spricht ebenfalls wieder für eine Interface-Problematik, kann jedoch durchaus auch auf ein muskuläres Problem hinweisen.

Findet sich der Schmerz vor allem beim Sitzen?

Hier ist dann an ein Iliopsoasimpingement zu denken (seine unten).

Klagt der Patient eigentlich nur über einen gewissen Dyskomfort beim Laufen, so kann das die Ursache in einer Beinlängendifferenz haben.

Ganganalyse

Der Patient sollte auch unbedingt – bis auf die Unterwäsche entkleidetet – in der Untersuchungssituation angehalten werden zu laufen. Das Gangbild gibt viele wichtige Hinweise und hier sind das Trendelenburg-Hinken das Duchenne-Hinken und das Schmerzhinken zu differenzieren.

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