Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015
Differenzialdiagnostik bei Schmerzen nach Hüftendoprothese
Verletzungen oder Schädigungen des N. femoralis sind in der Regel jedoch nicht durch einen direkten Schaden, sondern eher durch indirekte Schädigung (z.B. Hakendruck) bedingt. Schädigungen des N. ischiadicus sind in der Regel Folge eines übermäßigen Zugs oder Überdehnung des Nervens bei der Schaftpräparation. In vielen Fällen ist die genaue Ursache der Nervenverletzung jedoch nicht mehr evaluierbar.
Die Prognose hängt ganz entscheidend von der initialen Verletzung ab. Eine vollständige Erholung ist glücklicherweise bei vielen Patienten beobachtbar. Nur in 15 % der Fälle kommt es zu einer erheblichen neurologischen Beeinträchtigung [48].
Verschiedene Untersuchungen, die unterschiedliche Zugänge auf Häufigkeit von Nervenläsionen vergleichen, zeigen, dass sich hier kein Zusammenhang darstellen lässt. So verglichen beispielsweise Navarro et al. [49] in einer prospektiven Untersuchung den transtrochantären Zugang mit dem dorsalen Zugang bei 1000 konsekutiven Patienten und konnten keine Unterschiede aufzeigen. Die Inzidenz der Nervenverletzungen stieg jedoch deutlich bei Revisionsoperationen an.
Simmons et al. [50] berichteten über 360 primäre Hüftendoprothesen, bei denen insgesamt 7 Femoralisparesen auftraten. Alle bei einem anterolateralen Zugang.
Weale et al. [51] verglichen die Prävalenz von Nervenläsionen zwischen dem posterioen und lateralen Zugang. Klinisch lag in keinem Fall eine Auffälligkeit vor. In 5 von 20 Hüften, die über einen lateralen Zugang operiert wurden, kam es jedoch zu EMG-Veränderungen, wohingegen dies bei keinem der 22 Patienten der Fall war, die über einen posterioren Zugang operiert wurden.
Nicht-muskuloskelettale Schmerzursachen
Besteht der Verdacht auf nicht-muskuloskelettale Schmerzursachen nach Hüftendoprothese, ist eine weitergehend konsiliarische Abklärung notwendig. Abdominal und ins kleine Becken ausstrahlende Beschwerden sowie eventuell auch Gewichtsverlust lassen an gastrointestinale Erkrankungen denken [4]. Inguinale Schwellungen mit Schmerzen beim Heben, Niesen und Husten lassen an eine Inguinalhernie oder eine Femoralhernie denken [52]. Über pubische Schmerzen mit Dysurie und häufigem Harndrang, evtl. in Kombination mit einer Harninfektion, welche insbesondere bei Frauen häufig vorkommen, sollten dahingehend weiter abgeklärt werden [53]. Flankenschmerzen mit Ausstrahlung in die Leiste, evtl. in Kombination mit Mikro- oder Makrohämaturie, sind typisch für eine Nephrolithiasis [54]. Eine Epididymitis, Orchitis oder eine Hodentorsion können einen akuten Leistenschmerz auslösen [55, 56]. Auch unterschiedliche gynäkologische Schmerzursachen, wie beispielsweise eine Endometriose können für Schmerzen verantwortlich sein [57].
Fazit und klinische Relevanz
Bei Schmerzen nach hüftendoprothetischer Versorgung ist die sorgfältige standardisierte Anamneseerhebung (Abb. 17) ganz entscheidend. Besondere Relevanz hat die spezifische Schmerzanamnese. Der Patient muss bis auf die Unterwäsche entkleidet und in der Untersuchungssituation inspiziert werden. Insbesondere ist das Gangbild mit der Differenzierung des Hinkens (Trendelenburg-, Duchenne-, Schmerzhinken) ganz entscheidend.
Es gehören Standard-Röntgenbeckenübersichtsaufnahmen mit Darstellung des Beckens und des gesamten Femurs obligat mit zur Abklärung. Die Infektion ist nach wie vor die Hauptursache für Beschwerden nach Hüftendoprothesen, und diese gilt es abzuklären. Geräusche des betroffenen Hüftgelenks sind bei Hart-Hart-Paarungen ein Hinweis auf Malalignement. Beinlängendifferenzen sind nach wie vor ein klinisch und juristisch relevantes Problem nach hüftendoprothetischer Versorgung. In seltenen Fällen ist eine arthroskopische Abklärung notwendig.
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.?
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch
Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin
Johanna Etiennne Krankenhaus
Am Hasenberg 46, 41452 Neuss
J.Jerosch@ak-neuss.de
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