Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015

Differenzialdiagnostik bei Schmerzen nach Hüftendoprothese

Auch fehlimplantierte, nicht korrekt eingebrachte Keramikinlays können zu Impingementproblemen führen. Finden sich vor allen Dingen belastungsabhängige Beschwerden, so ist dies häufig auf eine mechanische Ursache zurückzuführen [19].

Das ischiofemorale Impingement (IFI) ist eine seltene Ursache von Beschwerden nach Implantation einer Hüftendoprothese und ist bedingt durch die Reduktion des femoralen Offsets [20]. Ihm liegt zugrunde eine pathologische Annäherung zwischen Trochanter minor und dem Os ischium [20, 21], welches bei Extension, Außenrotation und Adduktion zu einem Impingementphänomen führen kann. Es kommt dann zu einer Einklemmung der interponierenden Weichteile und insbesondere des Musculus quadratus femoris. Ursächlich ist hierbei ein verminderter Abstand zwischen supero-lateralem Rand der Sehnenplatte der ischiocuralen Muskulatur und der postero-medialen Begrenzung der Iliopsoas-Sehne (sog. quadratus femoris space). Neben einem reduzierten femoralen Ofsett nach Implantation einer Endoprothese können auch eine valgisierende Femurosteotomie sowie posttraumatische oder angeborene Offset-Reduktionen (z. B. Coxa valga) ein IFI verursachen.

Die Beschwerden beim IFI sind belastungsabhängige Schmerzen gluteal, tief inguinal und im Adduktorenbereich [22, 23, 24], aber auch Schmerzen mit Ausstrahlung bis hin zum Knie [24].

Bei der klinischen Untersuchung kann durch eine passive Extension, Außenrotation und Adduktion das IFI mit den typischen Beschwerden ausgelöst werden. Gelegentlich besteht auch direkter Druckschmerz über dem Sitzbein.

Hinsichtlich der Bildgebung ist das Standard-Röntgen mit einem reduzierten Offset schon richtungsweisend. Bei der weiteren Abklärung sind metallunterdrückte kernspintomografische Sequenzen sinnvoll.

Ist die Diagnose gesichert, so wäre die kausale Therapie bei einer Offset-Reduktion (Abb. 9) die Offset-Erhöhung bei einliegender Endoprothese. Dieses ist naturgemäß mit einem deutlich erhöhten operativen Aufwand verbunden.

Als konservative Möglichkeiten werden Aktivitätsanpassung mit der Vermeidung von provozierenden Bewegungen, Einnahme von nichtsteroidalen Rheumatika, Physiotherapie mit Stretching und Kräftigung der Außenrotatoren angegeben. Konservativ kann auch eine CT-gesteuerte Infiltration der Musculus quadratus femoris mit Kortikosteroiden durchgeführt werden [25,26, 24].

Weichteilbedingte
Beschwerden

Selten kann es beispielsweise bei Vergrößerung des femoralen Offsets zu einer Schmerzsymptomatik im Bereich der Bursa trochanterica in Sinne einer Bursitis kommen. Sehr häufig verbirgt sich hinter einer sogenannten Bursitis trochanterica eine Offset-Veränderung oder gar eine Gluteus medius Ruptur. Es gilt diese beiden Faktoren auszuschließen, bevor man sich mit der Diagnose Bursitis trochanterica zufrieden gibt. Spontanrupturen des Gluteus medius wurden bei Hüftendoprothesen-Implantation zwischen 1,6 und 3,5 % gesehen [27]. Bei schmerzhaftem Hüftgelenk konnte Kingzett-Taylor [28] sogar in bis zu 8,8 % Rupturen des Gluteus medius nachweisen. Nach Hüftendoprothesen findet sich bei einem anterolateralen Zugang in 0,8 % eine Ruptur des Gluteus medius [29].

Bei der klinischen Untersuchung findet sich bei diesen Patienten ein Schmerz lokal im Bereich des Trochanter majors sowie eine spontane Außenrotation in Rückenlage (der Gluteus medius ist eine funktioneller Innenrotator). Bei der Analyse des Gangbilds zeigt sich der Kraftverlust mit Trendelenburg-Zeichen sowie Trendelenburg-Hinken und Schwächung der aktiven Abduktion und Innenrotation. Im Röntgen können sich eventuell enthesiopathische Ausziehungen am Trochanter major zeigen.

Letztendlich wird eine sogenannte Metall Artefakt reduzierende Sequenz (MARS) Kernspintomografie das Ausmaß der Ruptur sowie die Verfettung der Muskulatur aufdecken [30,31] (Abb. 10a). In der Regel lässt sich die Insuffizienz der Glutealmuskulatur als solche bereits in der Hüftarthrographie darstellen (Abb. 10b).

Hier ist die differenzialdiagnostische Abklärung besonders wichtig, da beim zu späten Erkennen der Gluteus medius Ruptur eine direkte Rekonstruktion kaum noch möglich ist und dann aufwendigere Rekonstruktionsverfahren, z.B. mit Muskeltransfer (Gluteus maximus Transfer) indiziert werden können.

Spät einsetzende
Beschwerden

Auch hier gilt es, als erstes wieder den Infekt in die differenzialdiagnostischen Erwägungen mit einzubeziehen. Auf Grund der zunehmenden Verwendung von Metall-Metall-Gleitpaarungen ist die metalabriebindizierte ARMD (Adverse reaction to metal debris) heutzutage eine wichtige Differenzialdiagnose [32]. Dazu zählt auch die sogenannte ALVAL-Reaktion als Metallose (aseptic lymphocytic vasculitis- associated lesion) sowie die dazugehörigen Pseudotumoren [33].

Im Röntgen und CT werden Osteolysen sichtbar und im Kernspintomogramm die Pseudotumoren. Chrom- und Kobaldspiegel im Serum sind bei diesen Patienten dann möglicherweise erhöht. Die letztendliche Diagnosesicherung gelingt durch arthroskopische Biopsie und immunhistochemische Analyse des periprothetischen Gewebe (Abb. 11). Bei der ARMD bleibt dann konsequenterweise dann nur der Wechsel der Metall-Metall-Gleitpaarung auf eine andere Prothese mit anderer tribologischer Kombination.

Im Rahmen der Diagnostik ist unbedingt darauf zu achten, dass das gesamte Becken und der Femur der betroffenen Hüfte ganz abgebildet wird, da ansonsten Veränderungen außerhalb der unmittelbaren Prothesenlokalisation übersehen werden (Abb. 12, 13).

Gleichfalls gilt es bei Beschwerden nach einigen Jahren unbedingt Vergleichsbilder mit hinzu zu ziehen, um neu auftretende Saumbildungen richtig interpretieren zu können.

Das Gleiche gilt für die Zunahme von Osteolysen. Auch hier ist ein einziges Röntgenbild nicht aussagekräftig genug (Abb. 14). Das gesamte Ausmaß der Osteolysen ist of erst im CT zu erkennen (Abb. 15).

Sklerosierungen im Bereich der Prothesenspitze sprechen für ein Schwingen der Prothesenspitze im proximalen Anteil. Hier finden sich dann auch gehäuft Saumbildungen [34] (Abb. 16).

Dieses Phänomen kann bei einigen diaphysär verankerten Prothesenmodellen normal sein und spricht nicht unbedingt immer für eine Lockerung, führt jedoch bei einigen Patienten zu chronischen Beschwerden, was dann durchaus auch eine Indikation zur operativen Revision darstellen kann. Findet sich radiologisch ein Zementmantelbruch, so ist das in den allermeisten Fällen ebenfalls Beweis für die Lockerung der Prothese [34].

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