Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015

Differenzialdiagnostik bei Schmerzen nach Hüftendoprothese

Das Trendelenburg-Hinken nach Einbau einer Hüftendoprothese ist ein klinisch wichtiges Zeichen hinsichtlich der glutealen Insuffizienz, bei der das Becken auf der Gegenseite des Standbeins nach unten fällt. Manche Patienten kompensieren dieses mit dem Duchenne-Hinken. Hierbei bewegt der Patient den Oberkörper in der Standphase zur betroffenen Seite mit einer zusätzlichen Anhebung des Beckens im Bereich des Schwungbeins.

Das Schmerzhinken ist durch eine deutlich verkürzte Standphase der schmerzhaften Hüfte charakterisiert. Hierbei kommt es auch zu einer Neigung des Rumpfs auf die schmerzhafte Seite, um das Körperzentrum auf die schmerzhafte Hüfte zu verlagern und hier mit den Hebelarm zwischen Körperschwerpunkt und betroffenem Hüftgelenk zu reduzieren, was zu einer Reduktion der Gesamtkraft in der betroffenen Hüfte führt.

Früh in der postoperativen Phase auftretende
Beschwerden

Lag zwischen der Operation und dem Auftreten der Schmerzen kein freies Intervall vor, so ist an eine Nervenschädigung zu denken, an eine Frühinfektion, eine heterotrope Ossifikation (Abb. 2) aber auch an eine periprothetische Fraktur [8]. Der Frühinfekt ist gekennzeichnet durch den fehlenden Abfall des C-reaktiven Proteins, Ruhe- und Belastungsschmerz, einen auffälligen Wundbefund wie eine Sezernierung aus dem Wundbereich, die länger als 72 Stunden anhält.

Bei zementfreien Implantaten kann es immer wieder insbesondere im Bereich des Schafts zu intraoperativ nicht erkannten Schaftfissuren kommen, die sich dann durch anhaltende Schmerzen postoperativ wieder spiegeln. Im Zweifelsfall sollte eine Computertomografie des Prothesenlagers durchgeführt werden, um bisher nicht erkannte Schaftfissuren zu erkennen (Abb. 3).

Kommt es zu einer Hüftluxation, so sind Frühluxationen von intermediären und Spätluxationen zu differenzieren (Abb. 4). Bei allen gilt es jedoch, eine sorgfältige Analyse, insbesondere der Komponentenpositionierung, durchzuführen. Dieses wird mit einem Rotations-CT durchgeführt (Abb. 5).

Postoperative Neuralgien aufgrund einer direkten Nervenverletzung oder eines Nahtentrapments können bereits eine Woche nach der initialen Operation auftreten [9]. Neuralgien können jedoch auch Monate bis Jahre nach der initialen Operation aufgrund von Narbenentrapment und/oder Narbenneuromen entstehen [9]. Der Schmerzverlauf ist üblicherweise entlang der nervalen Versorgung. Die Patienten beschreiben den Schmerz als brennend oder stechend. Die Narbenlokalisation gibt wichtige Hinweise hinsichtlich der Frage, welcher Nerv betroffen sein kann. Entrapmentbedingter Nervenschmerz wird üblicherweise gesehen nach Hüftoperationen oder Appendektomien, Vasektomien sowie nach Knochenspanentnahmen am Becken oder ventralen Auftreten.

Intermediär auftretende
Beschwerden

Auch für diese Phase gilt es primär, eine Hüftinfektion auszuschließen (s.u.). Der Infekt ist gekennzeichnet durch belastungsunabhängige Beschwerden, findet sein Maximum jedoch in der Regel in der Nacht.

Bei neuartigen Beschwerden in Projektion auf das Hüftgelenk, die deutlich different sind von den ursprünglichen Beschwerden, gilt es, mechanische Faktoren abzuklären wie etwa ein Iliopsoas-Impingement, Muskelinsuffizienzen oder ein Prothesen-Impingement [10].

In diese Zeitphase fallen jedoch auch operationstechnisch bedingte Probleme, die durch Anschlagphänomene (Impingementphänomene) bedingt sind, wenn der Patient zunehmend an Beweglichkeit gewinnt. Zu differenzieren sind hier Hardware-Impingement, Knochen-zu-Knochen-Impingement oder Knochen-zu-Implantat-Impingement. Ursache hierzu können belassene Osteophyten sein, insbesondere wenn die Pfanne zur besseren biomechanischen Positionierung medialisiert wurde. Nicht korrekt eingebrachte Pfannen oder Schaftkomponenten können implantatbezogene Impingementphänomene verursachen.

Ein Anstoßphänomen (Impingement-Syndrom) von Prothesenteilen ist extrem selten (Abb. 6). Viel häufiger tritt ein knöchern weichteilbedingtes Impingement auf, beispielsweise Trochanter major und Os ilium sowie zwischen dem Sitzbein und dem Trochanter minor. In der Regel sind Offset-Reduzierungen die Ursache für dieses Problem [11].

Die Reduktion des Prothesenoffset durch die meisten Hüftprothesen-Designs führt zu einer Instabilität der Hüfte, die dann oft durch einen längeren Kopf ausgeglichen wird. Dieses wiederum führt zu einer Beinverlängerung. So berichten Iaguli et al. [12], dass selbst bei erfahrenen Operateuren bei 410 Patienten nach Hüft-TEP eine mittlere Beinverlängerung von 3,9 mm resultierte. Shiramizu et al. [13] berichten über eine mittlere Beinverlängerung von 3,4 mm, eine Verlängerung von mehr als 12 mm in 5 % der Fälle und in 7 % der Patienten über eine symptomatische Beinverlängerung, die eine Absatzerhöhung notwendig machte. Edeen et al. [14] zeigten, dass 32 % der Patienten einen Beinlängenunterschied wahr nahmen. Diese Beinlängenunterschiede sind nicht selten Gegenstand von juristischen Auseinandersetzungen [15, 16].

Bei Patienten mit Hüftdysplasien und zementfreien Pfannenimplantaten oder auch bei Pfannenimplantaten ohne Anteversion kann es zu einem Reibephänomen im Bereich der Iliopsoassehne kommen [17] (Abb. 7). Verschiedene Gründe haben dazu geführt, dass in den letzten Jahren das Interesse am Iliopsoas-Impingement (IPI) zugenommen hat. Einer der Gründe mag in neuen Prothesendesigns liegen, bei denen – insbesondere bei Oberflächenersatzendoprothesen – die azetabulare Komponente teilweise am Pfannenrand eine für die Iliopsoassehne ungünstige und teils scharfe Konfiguration aufweist. Ein weiterer Grund kann darin liegen, dass das mittlere Patientenalter für die endoprothetische Versorgung von Arthrosepatienten abgenommen hat und hierdurch ein zunehmender Teil von Dysplasiecoxarthrose-Patienten mit Endoprothesen versorgt werden. Bei diesen ist anatomisch bedingt, die anteriore Acetabulumbegrenzung schwach ausgebildet, sodass dies häufig zu einer prominenten ventralen azetabulären Komponente führt. Verschiedene Berichte in der Literatur zeigen, dass es sich beim IPI nicht um Einzelfallbetrachtungen handelt, sondern dass man bei sorgfältiger Diagnostik dieses Krankheitsbild häufiger antrifft als früher angenommen.

Die typische Anamnese, Schmerzen bei der kraftvollen Hüftflexion zwischen 0–70° sowie ein positiver LA-Test sind wegweisend für die Diagnose. Konservative Therapieverfahren zeigen nur geringe Aussicht auf Erfolg. Ein arthroskopisches Release (Abb. 8) der Iliopsoassehne bietet eine minimal invasive Therapieoption mit vorhersagbar gutem Erfolg und ist einer erneuten Prothesenrevision mit Umplatzierung der Komponenten nach dem jetzigen Stand der Literatur vorzuziehen [18].

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