Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Gelenkerhaltende, valgisierende hohe Tibiakopf-Umstellungsosteotomie bei Gonarthrose

Auch wenn die Osteotomierichtung in erster Linie auf eine Korrektur in der Frontalebene abzielt, so werden heute üblicherweise keine eindimensionalen Schnittführungen mehr verwandt. In der Sagittalebene wird die Hauptosteotomie heute bevorzugt mit einer zusätzlichen, inkompletten aufsteigenden Schrägosteotomie (biplanare Technik) kombiniert, was große Kontaktflächen innerhalb der Osteotomie und hohe, bereits durch die Schnitttechnik bewirkte, Stabilität gewährleistet [23].

Im Vergleich zur lateralen Technik bleibt auch nach der Operation das Tibia-Alignment erhalten, wodurch eine spätere Endoprothetik weniger erschwert wird. Weiterhin ist es auch intraoperativ immer möglich, die Osteotomie bezüglich des Korrekturausmaßes anzupassen. Dies sind die wesentlichen Vorzüge der medialen Osteotomie im Vergleich zur lateralen Technik.

Nur in Ausnahmefällen kommen bei der Behandlung der primären Gonarthrose andere Techniken zum Einsatz, z.B. die Kallotaxis mit externer Fixation [24] oder die Rotations-Pendelosteotomie nach Maquet [25]. Eine Mehr-Etagen-Osteotomie [26] kann bei sehr großen Korrekturwinkeln angewandt werden, allerdings kommen solche Fehlstellungen bei einer primären Gonarthrose eher seltener vor. Liegen solche schweren Störungen (> 20°) vor, so ist die Arthrose meist bereits so weit fortgeschritten, dass für eine Osteotomie keine Indikation mehr besteht. Wesentliche Operationsschritte (eigene Technik) einer medialen, öffnenden Osteotomie sind in Abbildung 4 dargestellt.

Ergebnisse

Ziel der HTO ist es, die Funktion des Kniegelenks bei medialer Varusgonarthrose zu verbessern, die Belastbarkeit zu erhalten und die Schmerzen zu reduzieren. Bei einem großen Teil der Patienten gelingt dies für einen Zeitraum von ca. 10 Jahren [27, 28]. Den einmal in Gang gekommenen Arthroseprozess kann man selbstverständlich durch diese Maßnahme allenfalls verlangsamen, evtl. auch für einen gewissen Zeitraum aufhalten. Gelegentlich kann es sogar zu einer Regeneration der bereits beschädigten Knorpelflächen kommen (in Abhängigkeit von der jeweils angewandten arthroskopischen Zusatztherapie). Allerdings korreliert der Grad einer möglichen Knorpelregeneration nicht mit dem klinischen Ergebnis.

Dabei müssen sich die Ergebnisse in erster Linie am „Konkurrenz-Verfahren“, der Schlittenendoprothese, messen lassen. Insgesamt scheint es so, dass vor allem jüngere und aktive Patienten von einer HTO im Hinblick auf die mechanische Belastbarkeit der Kniegelenke profitieren [29].

Nachbehandlung,
Metallentfernung,
Kontrollarthroskopie

Aufgrund der hohen Stabilität der heute zur Verfügung stehenden, meist winkelstabilen Implantate, ist eine Vollbelastung des operierten Beins, in Abhängigkeit vom Stand der Wundheilung und der jeweiligen Schmerzsituation, bereits kurze Zeit nach dem Eingriff unlimitiert möglich. Die Weiterbehandlung des Patienten entspricht den Standards der konservativen Arthrosebehandlung.

Röntgenkontrollen sind in der Regel in ca. vierteljährlichen Abständen bis zum Abschluss der knöchernen Konsolidierung der Osteotomie erforderlich, um eine mögliche verzögerte Knochenheilung möglichst früh zu erkennen. In der Regel sind die Osteotomien nach ca. 1,5–2 Jahren ausgeheilt, zu diesem Zeitpunkt sollte das Metallimplantat entfernt werden. Die Metallentfernung ist aus mehreren Gründen sinnvoll. Zum einen bedingen die medial lokalisierten Platten häufig einen gewissen Reizzustand im Bereich des Pes anserinus. Nach der Metallentfernung berichten eine Reihe von Patienten nochmals über eine deutlich verbesserte Schmerzsituation und Funktion des Gelenks. Weiterhin muss die Osteotomie oft als Zwischenlösung vor einem späteren Gelenkersatz angesehen werden. Es entspricht der klinischen Erfahrung, dass langjährig verbleibende Metalle oft mit komplikationsträchtigen Entfernungen verbunden sind. Daher sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt dieser Folgeeingriff durchgeführt werden. Es ist unbestreitbar ein großer Nachteil der Umstellungsosteotomie, dass dieser, gelegentlich auch komplikationsbelastete, Eingriff erforderlich ist [30].

Derzeit Gegenstand kontroverser Diskussion ist die Frage, ob die Metallentfernung mit einer simultanen Kontrollarthroskopie des Gelenks kombiniert werden sollte. Bei völlig beschwerdefreien Patienten ist dies sicherlich nicht indiziert, allerdings sollte die Möglichkeit dieser Kontrollarthroskopie bei denjenigen Patienten erfolgen, die trotz komplikationsfreier Osteotomie nicht beschwerdefrei sind. In diesen Fällen bietet es sich an, nochmals mögliche intraartikuläre Pathologien zu adressieren. Ebenso ist die Kontrollarthroskopie wie keine andere Methode in der Lage, nochmals das Ausmaß der intraartikulären Knorpelschäden bzw. deren Regeneration zu bestimmen, umso den Patienten auch eine reale Information über die Prognose ihrer Erkrankung zu geben.

Komplikationen, Probleme beim späteren Gelenksersatz

Neben den typischen postoperativen Komplikationen wie Hämatom, Infekt, Thrombose usw. bestehen nach der Osteotomie prinzipiell eine Reihe eingriffstypischer Komplikationsmöglichkeiten [31].

Intraoperativ kann es bei der medialen HTO zu einem Bruch der gegenseitigen Kortikalis kommen [32]. Werden jedoch winkelstabile Implantate verwandt, so ist die Gefahr einer sekundären Instabilität eher gering. Zudem bedingen das intakt bleibende Periost und das stabile Tibiofibulargelenk eine Art stabilisierende Zuggurtung. Bei abrupter Öffnung der Osteotomie kann es zudem zu einer Infraktion der lateralen Tibiagelenkfläche kommen. Dies lässt sich durch vorsichtige Manipulation und das Belassen der Führungsdrähte für die Sägeschnitte beim Aufweiten weitgehend vermeiden. Außerdem sollte während der Eröffnung engmaschig unter dem Bildwandler kontrolliert werden. Damit ist gewährleistet, dass möglicherweise zwar der Knochen bricht, der Knorpel jedoch intakt bleibt, sodass eine exakte Reposition und Fixierung mit einer zusätzlich eingebrachten Zugschraube unter arthroskopischer Kontrolle zu keiner Zerstörung der Gelenkfläche führt.

Vor allem wenn die Implantate auch nach der knöchernen Konsolidierung in situ verbleiben, kann es vorkommen, dass vor allem Schraubenkörper brechen, was eine spätere Metallentfernung erschwert. Bei der Verwendung der heute üblichen Implantate ist komplettes Materialversagen jedoch ausgesprochen selten geworden. Trotz sorgfältiger Planung und intraoperativer Anpassung der Osteotomie an die Gegebenheiten der Beinachse kann es trotzdem zu einer Über- oder Unterkorrektur kommen. Nach unserer Erfahrung ist eine Valgusüberkorrektur oft sogar mit einem besseren Outcome assoziiert. Allerdings kann dies eine spätere Endoprothesenversorgung erheblich erschweren. In Abhängigkeit vom jeweiligen Einzelfall muss daher überlegt werden, ob hier eine Revision erforderlich wird. Unterkorrekturen kommen zwar relativ selten vor, auch hier muss im Einzelfall über eine nochmalige Revision entschieden werden.

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