Originalarbeiten - OUP 02/2024

Infektionen bei operativ versorgten Tibiakopffrakturen
Wie ist das Langzeit-Outcome und welche Einflussfaktoren sind klinisch relevant?

Jan Philipp Reumann, Tobias Ohmann, Martin Glombitza, Lars Victor von Engelhardt

Zusammenfassung:
Hintergrund: Die infizierte Tibiakopffraktur hat eine Häufigkeit von bis zu 12 % und oftmals weitreichende Folgen für die Betroffenen. Hauptziel dieser Studie war es, neben der Identifikation von negativen und positiven Einflussfaktoren auch ein besseres Verständnis zum Outcome und zur Therapie dieser häufigen Komplikation zu gewinnen.
Material und Methoden: Retrospektive Studie anhand von 75 Patientinnen und Patienten mit einer postoperativen Infektion bei Tibiakopffraktur, die über einen Zeitraum von 10 Jahren behandelt und nach einem medianen Follow-up von ca. 6,5 Jahren nachuntersucht wurden. Es wurden insgesamt 76 verschiedene Parameter analysiert. Das funktionelle Outcome konnte bei 40 Patientinnen und Patienten (53 %) mithilfe der PROMs (Patient reported outcome measurements), KOOS (Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score) und Lysholm-Score erhoben werden.
Ergebnisse: Bei den Patientinnen und Patienten mit einer postoperativ infizierten Tibiakopffraktur lag in 79 % eine AO-41-C-Fraktur vor. Im Verlauf mussten pro Patientin/Patient im Durchschnitt 9 Revisionsoperationen durchgeführt werden. Am häufigsten wurden Staphylococcus aureus, MRSA, Staphylococcus epidermidis und Enterobacter cloacae nachgewiesen. Das Auftreten einer Mischinfektion, ein Nikotinabusus und ein Diabetes mellitus führten zu einem signifikant schlechteren Outcome (p = 0,001). Im KOOS wurden mittlere Werte von 87 von 168 Punkten (± 50, min. 0, max. 168 Punkte) und im Lysholm-Score von 52 von 100 Punkten (± 30, min. 0, max. 100 Punkte) erzielt. Die Amputationsrate lag bei 9 % und die Arthrodeserate bei 8 %. Ein frühes operatives Vorgehen nach dieser schwerwiegenden Komplikation war mit einem besseren Outcome assoziiert. Dennoch kam es trotzdem in 60 % zu einer Arbeitsunfähigkeit.
Schlussfolgerung: Das Outcome von Patientinnen und Patienten mit einer infizierten Tibiakopffraktur ist schlecht. Vorliegende Risikofaktoren und die hohe Anzahl an Revisionsoperationen führen zu einer Verschlechterung des Outcomes mit deutlicher Beeinträchtigung der alltäglichen Aktivitäten. Konsequenz können ein Verlust des Arbeitsplatzes, chronische Schmerzen und eine eventuell notwendige Amputation sein.

Schlüsselwörter:
Infizierte Tibiakopffraktur, Outcome, KOOS, Lysholm-Score

Zitierweise:
Reumann JP, Ohmann T, Glombitza M, von Engelhardt LV: Infektionen bei operativ versorgten Tibiakopffrakturen. Wie ist das Langzeit-Outcome und welche Einflussfaktoren sind klinisch
relevant?
OUP 2024; 13: 74–80
DOI 10.53180/oup.2024.0074-0080

Summary: Background: The average infection rate of tibial plateau fracture is 12 %. These infections often lead to serious consequences for those affected. The main objective of this study was to identify both negative and positive influencing factors, as well as to gain a better understanding of the outcomes and treatments of this common complication.
Patients and method: This retrospective study included 75 patients with a postoperative infection following tibial plateau fracture, treated over a period of 10 years and evaluated after a median follow-up of approximately 6.5 years. 76 different parameters were documented and analyzed. In 40 patients (53 %), the functional outcome could be assessed using the PROMs (Patient Reported Outcome Measurements) KOOS (Knee injury and Osteoarthritis Outcome Score) and Lysholm-Score.
Results: In patients with a postoperative infection, the highest type of tibial plateau fractures (AO-41-C) was found in 79 % of the patients. In the further course, an average of 9 revision operations per patient had to be performed. Our main bacteria were Staphylococcus aureus, MRSA, Staphylococcus epidermidis and Enterobacter cloacae. The occurrence of mixed infections, nicotine abuse or diabetes mellitus led to a significant clinical worsening of the outcome (p = 0.001). An average score of 87 of 168 points was achieved in the KOOS (± 50, min. 0, max. 168 points) and 52 of 100 points in the Lysholm-Score (± 30, min. 0, max. 100 points). The amputation rate was 9 % and the arthrodesis rate was 8 %. An early surgical procedure after this severe complication was associated with a good outcome. However, 60 % of the patients ended up being unable to work.
Conclusion: The outcome can be considered as bad. Present risk factors and a high number of revision surgeries lead to a significant reduction of the outcome quality as well as strong functional limitations which go beyond the everyday movements. This often results in the loss of the previous profession, chronic pain or a necessary amputation.

Keywords: Infection of the tibial plateau, outcome, KOOS, Lysholm-Score

Citation: Reumann JP, Ohmann T, Glombitza M, von Engelhardt LV: Infections in surgically treated tibial plateau fractures. What are the long-term outcomes and which influencing factors are clinically relevant?
OUP 2024; 13: 74–80. DOI 10.53180/oup.2024.0074-0080

J. P. Reumann & L. V. von Engelhardt: Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke

T. Ohmann: Forschungsabteilung, BG Klinikum Duisburg

M. Glombitza: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, BG Klinikum Duisburg

Einleitung

Entsprechend der Literatur haben Frakturen des Tibiakopfes mit zunehmenden Schweregraden viele Komplikationen und ein schlechtes klinisches Outcome [11, 17, 18, 27]. Die gravierenden Folgen von Knochen- und Gelenkinfektionen sind allgemein bekannt. Finden sich entsprechende Fälle, so gilt es, alle Möglichkeiten zu nutzen, um das Bein zu erhalten und die Ergebnisse unserer Patientinnen und Patienten zu verbessern. Dazu ist es wichtig, Risikofaktoren, aber auch positive Einflussfaktoren für den Verlauf dieser schweren Verletzung und dessen Behandlung zu kennen.

Tibiakopffrakturen machen 1–2 % aller Frakturen aus [19]. Ursachen sind Sturzereignisse, Verkehrs-, Sport- und Arbeitsunfälle. Aufgrund der oft vorhandenen Komplexität der Verletzung zählen sie zu den prognostisch ungünstigsten Frakturtypen der unteren Extremitäten [19]. Während die durchschnittliche Infektionsrate bei elektiv durchgeführten orthopädischen Operationen in der Literatur bei maximal 3 % angegeben wird, liegt die postoperative Infektionsrate bei Summe an Tibiakopffrakturen bei durchschnittlich 12 % [10]. Zu den Komplikationen einer infizierten Tibiakopffraktur zählen eine progrediente Knochen- und Gelenkdestruktion, die posttraumatische/postinfektiöse Arthrose sowie die Entwicklung einer Pseudarthrose [9, 11, 19]. Schwerwiegende, sich ausbreitende bakterielle Entzündungen erfordern gelegentlich die Amputation der betroffenen Extremität. Teilweise kann dies auch in einer Sepsis mit Multiorganversagen und schlimmstenfalls mit dem Tod der Patientin/des Patienten enden [11, 23]. Betrachtet man die Literatur zu den Tibiakopffrakturen, so fällt auf, dass in den bisher durchgeführten Studien zu dieser schwerwiegenden Komplikation wie bspw. den häufigen Infektionen kaum Daten zum mittel- und langfristigen Outcome, bspw. im Rahmen eines Scorings zu finden sind [10]. Meist finden sich Beschreibungen und Einteilungen wie bspw. in oberflächliche und tiefe Infektion, allerdings keine weiteren Auswertungen zum Outcome oder negativen bzw. positiven Risikofaktoren dieser leider nicht seltenen Komplikation. Ziel dieser Arbeit war es, neben der Identifikation von Einflussfaktoren auch ein tieferes Verständnis zum Outcome und zur Optimierung der Therapie dieses Patientenkollektivs zu gewinnen.

Material und Methoden

1387 Patientinnen und Patienten wurden im Rahmen einer retrospektiven Auswertung des Klinikinformationssystems am BG Klinikum Duisburg gescreent. 75 Patientinnen und Patienten (58 Männer, 17 Frauen; Alter 59 ± 12,4) wurden identifiziert, die im Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2015 aufgrund einer postoperativen Infektion nach Tibiakopffraktur behandelt wurden. Hiervon wurden 54 Patientinnen und Patienten (72 %) extern primärversorgt. Die Studienteilnehmerinnen/-teilnehmer wurden mithilfe einer gekreuzten Suche aus ICD-10-Klassifikation und Operations- und Prozedurenschlüssel herausgefiltert.

Zur Evaluierung und Detektion von Einflussfaktoren wurde ein zweistufiges Vorgehen gewählt. Zunächst untersuchten wir 76 Parameter anhand der im Informationssystem gespeicherten Daten. Hierzu gehörten: demografische Daten, Klassifikation der Frakturen nach AO, Art der Osteosynthese, Infektionserreger, Antibiogramme, das Vorliegen von Früh- (< 4 Wochen) oder Spätinfektionen (> 4 Wochen), die Anzahl an Revisionseingriffen, Reexazerbationen und die resultierende Arbeitsunfähigkeit. Das Outcome wurde im August 2016 telefonisch mithilfe des Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Scores (KOOS) und des Lysholm-Scores erfasst [3, 16, 20, 21]. Zur Analyse lagen 40 vollständig ausgefüllte Fragebögen vor (53 %). Der mediane Follow-Up-Zeitraum betrug 2366 Tage. Die restlichen 35 Patientinnen und Patienten waren entweder unbekannt verzogen, verstorben oder lehnten die telefonische Befragung ab.

Die statistische Auswertung erfolgte mithilfe von SPSS Statistics Version 24 (SPSS Inc., Chicago, USA) und Microsoft Excel (Microsoft Corporations, USA). Ein p-Wert < 0,05 in allen Testverfahren wurde als statistisch signifikant gewertet.

Ergebnisse

Demografische Daten der
75 Patientinnen und Patienten

Die häufigsten Unfallmechanismen waren Sturzereignisse (25 %), Arbeits- und Verkehrsunfälle (jeweils 19 %) sowie Motorradunfälle (13 %). In 79 % der Unfälle bestand eine AO-41-C-Fraktur mit mehreren Fragmenten artikulär und metaphysär (Abb. 1a), in jeweils 10 % der Fälle zeigte sich eine B- oder eine C-Fraktur. 21 % der Patientinnen und Patienten erlitten eine offene Fraktur. Relevante Begleitverletzungen wie ein Kompartmentsyndrom bestanden in 21 % der Fälle. 25 % der Patientinnen und Patienten waren polytraumatisiert.

Operative Therapie

61 % der Patientinnen und Patienten wurden am Unfalltag operiert. Die initiale Frakturversorgung erfolgte in Abhängigkeit von der Frakturschwere (79 % AO-41-C-Frakturen) sowie Begleitverletzungen (25 % Polytraumata) in 53 % mit einem Fixateur externe (Abb. 2a, b) und in 47 % mit einer Plattenosteosynthese (Abb. 1b, c). Im Verlauf war in 59 % der Fälle ein Verfahrenswechsel der Osteosynthese notwendig. Auch hier kamen u.a. verschiedene Fixateursysteme zum Einsatz (Abb. 2). Insgesamt wurden im Behandlungsverlauf 639 Revisionseingriffe durchgeführt (Mittelwert 8,5; ± 9/Patientin, bzw. Patient). Bei 8 % erfolgte die Implantation einer gekoppelten, gestielten Knieendoprothese, 7 % eine Oberschenkelamputation und in 6 % eine Kniearthrodese (Abb. 3).

Keimspektrum

Die Auswertung des Erregerspektrums ergab in 48 % der Fälle eine Monoinfektion und in 48 % eine Mischinfektion. Bei den restlichen 4 % der Patientinnen und Patienten konnte trotz klinischer und histologischer Sicherung der Infektion in den mikrobiologischen Untersuchungen kein Erreger nachgewiesen werden. Insgesamt konnten 33 verschiedene Erreger isoliert werden. Häufigster Erreger war in 41 % ein Staphylococcus aureus. Weitere Erreger, die jeweils mit Häufigkeiten von ca. 20 % nachgewiesen wurden, waren Staphylococcus epidermidis, Enterobacter cloacae, Methicillin/Oxacillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) und Enterococcus faecalis (Abb. 4). Frühinfektionen (< 4 Wochen) traten in 53 % der Fälle auf; in 47 % bestand eine Spätinfektion (> 4 Wochen). Zur Behandlung der Infektionen kamen 29 verschiedene Antibiotikawirkstoffe aus 12 verschiedenen Antibiotikaklassen zum Einsatz. Die am häufigsten verwendete Gruppe waren Beta-Laktam-Antibiotika mit 41 %. In dieser Gruppe wurden vornehmlich Cephalosporine eingesetzt (31 %). Zudem wurden noch Glykopeptide (10 %), Fluorchinolone (13 %) und Aminoglykoside (16 %) verabreicht. Insgesamt kamen pro Patientin/Patient im Durchschnitt 4 verschiedene Antibiotikawirkstoffe zum Einsatz. Die Antibiotikatherapie erstreckte sich im Mittel über einen Zeitraum von 51 Tagen. Dieser Wert beinhaltet die kalkulierte und gezielte Antibiotikatherapie sowie die zusätzliche Gabe eines Antibiotikums aufgrund einer Reexazerbation. Hierbei wurden 18 Patientinnen und Patienten (33 %) primär mit einer Gentamicin-PMMA-(polymeres Methyl-Methacrylat-)Ketteneinlage versorgt und einer Person (2 %) wurde ein Gentamicin-Kollagen-Vlies eingelegt (Abb. 1d, e und Abb. 2c, d). Ein Infektrezidiv nach initialer Infektberuhigung trat in 49 % der Fälle auf.

Risikofaktoren und längerfristige Antibiotikagaben

In der Gruppe der Raucher (48 %) kam es signifikant häufiger zu Infektrezidiven mit Reexazerbationen (p = 0,001). Einen Diabetes mellitus wiesen insgesamt 25 % der Patientinnen und Patienten auf. Diese Patientinnen und Patienten profitierten von einer längerfristigen Antibiotikagabe, die zu signifikant weniger Reexazerbationen führte (p = 0,032). Die Kombination aus Rauchen und einem Diabetes mellitus resultierte in einer signifikant höheren Anzahl an Reexazerbationen und Revisionsoperationen (p = 0,002).

Outcome

Die Daten der Patientinnen und Patienten (n = 40), die die PROMs vollständig ausgefüllt haben, wurden für Subgruppenanalysen herangezogen. Von den 40 Patientinnen und Patienten erreichten 14 eine Wiedereingliederung in ihren alten Beruf. Bis zum Ende des Studienzeitraumes wurden 26 von 40 Patientinnen und Patienten vorzeitig berentet bzw. waren anhaltend arbeitsunfähig.

Der Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS, max. 168 Punkte) zeigte einen vergleichsweise niedrigen Mittelwert von 87. Niedrige Punktwerte erzielten vor allem die Bereiche sportliche Aktivität und allgemeine Lebensqualität. In den Sektionen Schmerz, Symptome sowie alltägliche Aktivitäten wurden vergleichsweise höhere Werte festgestellt (Abb. 5a). Raucher, Patientinnen und Patienten mit einer offenen Fraktur oder einem Kompartmentsyndrom hatten einen signifikant schlechteren KOOS (p < 0,05). Patienten, die weniger Schmerzen empfanden, konnten signifikant häufiger in ihren alten Beruf zurückkehren (p = 0.003) und waren weniger in ihren allgemeinen Aktivitäten eingeschränkt (p = 0.026).

Der Lysholm-Score (max. 100 Punkte) zeigte einen Mittelwert von 52 Punkten. Beeinträchtigt waren die Patientinnen und Patienten vor allem in den Bereichen Hinken, Treppensteigen und in die Hocke gehen. Die Kriterien Gehen/Laufen/Springen, Hilfsmittel und Oberschenkelatrophie erzielten höhere Punktwerte (Abb. 5b). Besonders interessant war die Subgruppenanalyse des Lysholm-Scores bezüglich des Operationszeitpunktes. Hier zeigten Patientinnen und Patienten, die umgehend nach dem Unfall operiert wurden, einen signifikant besseren Langzeitoutcome. Hier war der mittlere Score im Vergleich zum Gesamtkollektiv mit einem Mittelwert von 69 Punkten deutlich höher (p = 0,007).

Hinsichtlich möglicher Einflussfaktoren wie Alter, BMI, Geschlecht, Frakturklassifikation, offene Frakturen, erlittenes Polytrauma, Rauchen und dem Vorliegen von Mischinfektionen erfolgte ein Vergleich zwischen den entsprechenden Subgruppen und dem Gesamtkollektiv. Hier zeigte sich bei Rauchern sowie dem Vorliegen einer Mischinfektion ein signifikant schlechteres Outcome (p < 0,05). Alle anderen Parameter zeigten im KOOS- und Lysholm-Score keinen signifikanten Einfluss auf das Outcome.

Diskussion

Entsprechend der Literatur wirkt sich die Frakturschwere nicht nur auf das klinische Outcome, sondern auch auf ein vermehrtes Auftreten akuter und chronischer postoperativer Infektionen aus [11, 17, 18, 27]. Somit erstaunt es nicht, dass C-Frakturen (Abb. 1) in dieser Studie zu postoperativen Infektionen mit einer Häufigkeit von 79 % außergewöhnlich häufig waren. Die Verläufe bei Infektionen sprechen für sich. Bei unseren Studienpatientinnen/-patienten führte die postoperative Infektion zu langwierigen Behandlungen mit einer hohen Anzahl an Revisionsoperationen. Bei insgesamt 21 % endete die Situation in einer Oberschenkelamputation, Arthrodese oder gekoppelten Knieendoprothese (Abb. 3). Das niedrige klinische Outcome (Abb. 5) hatte entsprechende soziale Folgen in Beruf und Freizeit, wonach bspw. 35 % in ihren alten Beruf und 65 % überhaupt ins Berufsleben zurückkehren konnten. Die existenziellen Probleme und psychosozialen Folgen infolge dieser Verletzungen sind nicht zu unterschätzen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, etwaige Risikofaktoren, aber auch mögliche positive Einflussfaktoren zu kennen, um die Behandlung, an welchen Stellen auch immer, zu optimieren. Evtl. hilft diese Nachuntersuchung eines vergleichsweise großen Patientenkollektivs hierzu, sinnvolle Einblicke zu gewähren.

Als Einflussfaktoren auf das klinische Outcome aseptischer Tibiakopffrakturen werden in der Literatur vor allem die Frakturklassifikation, das Ausmaß des erlittenen Weichteilschadens, das Vorliegen offener Frakturen, der Erfolg einer anatomischen Rekonstruktion von Gelenkfläche und -achse sowie die erzielte Gelenkstabilität gesehen [17, 19]. Manidakis et al. konnten zeigen, dass insbesondere eine verzögerte Operation sowie ein falscher Operationszeitpunkt unter Missachtung des Weichteilstatus für ein schlechtes Outcome verantwortlich sein können [18]. Auch unsere Daten legen nahe, dass Patientinnen und Patienten, die schnellstmöglich nach dem Unfallereignis operiert wurden, in allen Outcomeparametern profitieren. Dies und der Umstand, dass diese Patientinnen und Patienten signifikant häufiger an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren konnten, unterstützt die in der Literatur vertretene Meinung, dass eine schnelle operative Versorgung oder aber ein entsprechend der Weichteilsituation verzögerter Eingriff einen wesentlichen Faktor für ein gutes Outcome darstellt [9, 15]. Andere Faktoren, wie bspw. offene Frakturen, Begleitverletzungen oder ein erlittenes Polytrauma, hatten in unserer Studie hingegen keinen signifikanten Einfluss auf das klinische Outcomescoring.

Bei der Auswertung des Erregerspektrums zeigten Patientinnen und Patienten mit einer Mischinfektion ein signifikant schlechteres Outcome. Besonders im Lysholm-Score kam es im Durchschnitt zu einem 12 Punkte schlechteren Score gegenüber Patientinnen und Patienten mit Monoinfektionen. Vor allem in den Bereichen Schmerzen, Lebensqualität und Mobilität kam es zu einer Verschlechterung der Ergebnisse. Nach Walter et al. und Gristina et al. ist bei offenen Wunden durch Traumata ein polymikrobielles Keimspektrum zu erwarten [8, 26]. Zudem kommt es laut Spellberg et al. sowie Cooper et al. bei Mischinfektionen vermehrt zu Antibiotikaresistenzen. Diese stellen die Ärztinnen und Ärzte in der Behandlung vor besondere Probleme und können den Krankheitsverlauf besonders erschweren [4, 24]. Trotzdem bleibt es in der Literatur unklar, ob Mischinfektionen zu vermehrten Gewebeschädigungen führen und somit zusätzlich die Heilung beeinträchtigen können. Insgesamt wurde dieses brisante Thema bisher vergleichsweise selten genauer betrachtet und diskutiert.

Das gefundene Erregerspektrum spiegelt die in der Literatur angegebene Verteilung wider. So machte der Staphylococcus aureus ohne oder mit Resistenz (MRSA) mit 61 % den größten Anteil aus [10]. Weitere Keime wie Staphylococcus epidermidis, Enterobacter cloacae, Enterococcus faecalis und Pseudomonas aeruginosa traten seltener auf (Abb. 4). Für keinen der letztgenannten Keime konnten wir einen signifikanten Einfluss auf das Outcome nachweisen. Der einzige Keim, der für besonders schwerwiegende Verläufe verantwortlich war, ist der Staphylococcus aureus. Er konnte bei 46 % unserer Patientinnen und Patienten identifiziert werden, bei denen im Verlauf eine Amputation oder Arthrodese erforderlich wurde. Dies bestätigt und stärkt die Position von Cooper et al., dass insbesondere die Infektionen mit einem Staphylococcus aureus einer konsequenten chirurgischen sowie antibiotischen Behandlung bedürfen [4].

In einer Subgruppenanalyse der Risikofaktoren zeigte sich, dass Raucherinnen und Raucher ein signifikant schlechteres Ergebnis im KOOS- bzw. Lysholm-Score erreichten. Interessanterweise waren Raucherinnen und Raucher im gezeigten Patientenkollektiv mit einem Anteil von 48 % vergleichsweise häufig vertreten. Im Vergleich zu den Referenzwerten zur bundesweiten Gesamtbevölkerung des Statistischen Bundesamtes ist diese Häufigkeit um das Doppelte erhöht [25]. Zudem kam es in unserem Kollektiv bei Raucherinnen und Rauchern zu einer erhöhten Anzahl an Reexazerbationen und im Rahmen dessen zu signifikant vermehrten Revisionsoperationen. In der Literatur wird das Rauchen als ein entscheidender Risikofaktor für die Entwicklung und/oder Persistenz einer Infektion gesehen [2, 6, 23].

Nach Diefenbeck et al. werden neben dem Rauchen auch ein Diabetes mellitus, ein Alkoholabusus, eine Leber- und Nierendysfunktion und eine Herzinsuffizienz als prädisponierende Faktoren zur Ausbildung einer Infektion nach Tibiakopffraktur gewertet und somit als Risikofaktor für das Auftreten von Behandlungskomplikationen gesehen [1, 5, 15, 23]. Hierbei wurde für den Diabetes mellitus neben einer Modifikation des infektiösen Keimspektrums auch eine reduzierte Wirkung der Antibiotikatherapie nachgewiesen [22]. Besonders das Auftreten einer diabetischen Angiopathie könnte für eine gesteigerte Infektneigung verantwortlich sein [17]. Schon Korol et al. forderten, dass der Einstellung eines normwertigen Blutzuckers während der stationären Behandlung eine wichtige Bedeutung zukommt [14]. Zudem fand Hirsch et al. heraus, dass infizierte Wunden bei einer Diabetikerin/einem Diabetiker signifikant längere Wundheilungszeiten benötigten, als die einer Nicht-Diabetikerin/eines Nicht-Diabetikers [12]. Einen zusätzlichen synergistischen Effekt des Rauchens auf eine verzögerte Wundheilung wurde wiederum nachgewiesen [2]. Unsere Daten, wonach die Kombination aus Rauchen und Diabetes mellitus zu einer massiv und signifikant erhöhten Anzahl an Revisionsoperationen führte, sind daher wenig erstaunlich. In der Literatur wurde bisher wenig auf die Effekte eines Diabetes mellitus bzw. des Rauchens in Verbindung mit einer postoperativen Tibiakopfinfektion eingegangen. Alle weiteren untersuchten prädisponierenden Faktoren, wie beispielsweise BMI, Geschlecht, Medikamenten-/Drogenabusus, Gabe von Erythrozytenkonzentraten, ein Polytrauma etc. führten in unserer Studie zu keinen signifikanten Veränderungen des Outcomes.

Eine mithilfe der PROMs durchgeführte Analyse von infizierten Tibiakopffrakturen wurde bisher noch nicht veröffentlicht. In unserer Studie zeigten der KOOS und der Lysholm-Score im Vergleich zu Studien mit aseptischen Tibiakopffrakturen ein deutlich schlechteres Ergebnis (Abb. 5) [7, 13]. Jansen et al. beschrieb ein Outcome von 114 Punkten im KOOS und von 66 Punkten im Lysholm-Score in einem Patientenkollektiv mit 21 nicht-infizierten AO-C-Frakturen [13]. Auch Elsoe et al. konnte mit 129 von 168 möglichen Punkten im KOOS ein besseres Outcome aufweisen [7]. Besonders die Auswertung der Subitems in unserer Studie zeigte eine erhebliche Einschränkung in der Mobilität und Lebensqualität der Patientinnen und Patienten. Diese führte zu chronischen Schmerzen und Vermeidungsverhalten für kniebelastende Aktivitäten. Diese erheblichen Funktionseinschränkungen erklären die häufig erfolglose Rückkehr in den alten Beruf.

Eine Limitation der Studie war die fehlende gesunde Kontrollgruppe mit nicht infizierten postoperativen Tibiakopffrakturen. Zudem wurden viele Patientinnen und Patienten überwiesen, sodass die damit verbundene Selektion von schwersten Verlaufsformen mit infizierten Tibiakopffrakturen einen Bias mit einem entsprechend schlechten Outcome nach sich zieht.

Fazit für unsere Praxis

Bei schweren Frakturformen mit C-Frakturen kommt es vergleichsweise häufig zu Infektverläufen mit einem entsprechend schlechten Outcome, einer hohen Anzahl an Revisionsoperationen, Infektexazerbationen, chronischen Schmerzen, hohen Amputations- und Arthrodeseraten sowie erheblichen existentiellen sowie psychosozialen Folgen für unsere Patientinnen und Patienten. Wichtigste positive Prädiktoren sind eine umgehende operative Versorgung oder aber eine sinnvolle verzögerte Operation im Intervall. Für die Erstversorgung hat der Operationszeitpunkt, der idealerweise möglichst bald innerhalb des kritischen Zeitfensters erfolgen sollte, einen signifikanten Einfluss auf das Outcome. Vor allem aber im Fall einer Infektion ist eine umgehende und konsequente operative und antibiotische Behandlung wiederum positiv für den weiteren Verlauf. Negative Outcomeprädiktoren sind Nikotinkonsum, Diabetes mellitus, Mischinfektionen sowie der Nachweis von Staphylococcus aureus ohne oder mit Resistenz (MRSA). Diese Ergebnisse heben die Bedeutung weiterer Studien hervor, um die zukünftige Versorgung dieses komplikationsträchtigen Traumas zu verbessern und das Outcome zu steigern.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Genehmigung Ethik-Kommission:

Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universität Witten/Herdecke genehmigt (Nr. 79/2016). Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt.

Einverständniserklärung von Patientinnen und Patienten:

Von allen beteiligten Patientinnen und Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadressen

Prof. Dr. med. Lars Victor

von Engelhardt

Universität Witten/Herdecke

Alfred-Herrhausen-Straße 50

58455 Witten

Klinik für Unfallchirurgie,

Orthopädie und Sportmedizin

Klinikum Peine

Akademisches Lehrkrankenhaus,

medizinische Hochschule Hannover

Virchowstr. 8h

31226 Peine

larsvictor@hotmail.de

Dr. med. Jan Philipp Reumann

Fakultät für Gesundheit

Universität Witten/Herdecke

Alfred-Herrhausen-Straße 50

58455 Witten

jan-philipp.reumann@uni-wh.de

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