Originalarbeiten - OUP 02/2024

Infektionen bei operativ versorgten Tibiakopffrakturen
Wie ist das Langzeit-Outcome und welche Einflussfaktoren sind klinisch relevant?

Das gefundene Erregerspektrum spiegelt die in der Literatur angegebene Verteilung wider. So machte der Staphylococcus aureus ohne oder mit Resistenz (MRSA) mit 61 % den größten Anteil aus [10]. Weitere Keime wie Staphylococcus epidermidis, Enterobacter cloacae, Enterococcus faecalis und Pseudomonas aeruginosa traten seltener auf (Abb. 4). Für keinen der letztgenannten Keime konnten wir einen signifikanten Einfluss auf das Outcome nachweisen. Der einzige Keim, der für besonders schwerwiegende Verläufe verantwortlich war, ist der Staphylococcus aureus. Er konnte bei 46 % unserer Patientinnen und Patienten identifiziert werden, bei denen im Verlauf eine Amputation oder Arthrodese erforderlich wurde. Dies bestätigt und stärkt die Position von Cooper et al., dass insbesondere die Infektionen mit einem Staphylococcus aureus einer konsequenten chirurgischen sowie antibiotischen Behandlung bedürfen [4].

In einer Subgruppenanalyse der Risikofaktoren zeigte sich, dass Raucherinnen und Raucher ein signifikant schlechteres Ergebnis im KOOS- bzw. Lysholm-Score erreichten. Interessanterweise waren Raucherinnen und Raucher im gezeigten Patientenkollektiv mit einem Anteil von 48 % vergleichsweise häufig vertreten. Im Vergleich zu den Referenzwerten zur bundesweiten Gesamtbevölkerung des Statistischen Bundesamtes ist diese Häufigkeit um das Doppelte erhöht [25]. Zudem kam es in unserem Kollektiv bei Raucherinnen und Rauchern zu einer erhöhten Anzahl an Reexazerbationen und im Rahmen dessen zu signifikant vermehrten Revisionsoperationen. In der Literatur wird das Rauchen als ein entscheidender Risikofaktor für die Entwicklung und/oder Persistenz einer Infektion gesehen [2, 6, 23].

Nach Diefenbeck et al. werden neben dem Rauchen auch ein Diabetes mellitus, ein Alkoholabusus, eine Leber- und Nierendysfunktion und eine Herzinsuffizienz als prädisponierende Faktoren zur Ausbildung einer Infektion nach Tibiakopffraktur gewertet und somit als Risikofaktor für das Auftreten von Behandlungskomplikationen gesehen [1, 5, 15, 23]. Hierbei wurde für den Diabetes mellitus neben einer Modifikation des infektiösen Keimspektrums auch eine reduzierte Wirkung der Antibiotikatherapie nachgewiesen [22]. Besonders das Auftreten einer diabetischen Angiopathie könnte für eine gesteigerte Infektneigung verantwortlich sein [17]. Schon Korol et al. forderten, dass der Einstellung eines normwertigen Blutzuckers während der stationären Behandlung eine wichtige Bedeutung zukommt [14]. Zudem fand Hirsch et al. heraus, dass infizierte Wunden bei einer Diabetikerin/einem Diabetiker signifikant längere Wundheilungszeiten benötigten, als die einer Nicht-Diabetikerin/eines Nicht-Diabetikers [12]. Einen zusätzlichen synergistischen Effekt des Rauchens auf eine verzögerte Wundheilung wurde wiederum nachgewiesen [2]. Unsere Daten, wonach die Kombination aus Rauchen und Diabetes mellitus zu einer massiv und signifikant erhöhten Anzahl an Revisionsoperationen führte, sind daher wenig erstaunlich. In der Literatur wurde bisher wenig auf die Effekte eines Diabetes mellitus bzw. des Rauchens in Verbindung mit einer postoperativen Tibiakopfinfektion eingegangen. Alle weiteren untersuchten prädisponierenden Faktoren, wie beispielsweise BMI, Geschlecht, Medikamenten-/Drogenabusus, Gabe von Erythrozytenkonzentraten, ein Polytrauma etc. führten in unserer Studie zu keinen signifikanten Veränderungen des Outcomes.

Eine mithilfe der PROMs durchgeführte Analyse von infizierten Tibiakopffrakturen wurde bisher noch nicht veröffentlicht. In unserer Studie zeigten der KOOS und der Lysholm-Score im Vergleich zu Studien mit aseptischen Tibiakopffrakturen ein deutlich schlechteres Ergebnis (Abb. 5) [7, 13]. Jansen et al. beschrieb ein Outcome von 114 Punkten im KOOS und von 66 Punkten im Lysholm-Score in einem Patientenkollektiv mit 21 nicht-infizierten AO-C-Frakturen [13]. Auch Elsoe et al. konnte mit 129 von 168 möglichen Punkten im KOOS ein besseres Outcome aufweisen [7]. Besonders die Auswertung der Subitems in unserer Studie zeigte eine erhebliche Einschränkung in der Mobilität und Lebensqualität der Patientinnen und Patienten. Diese führte zu chronischen Schmerzen und Vermeidungsverhalten für kniebelastende Aktivitäten. Diese erheblichen Funktionseinschränkungen erklären die häufig erfolglose Rückkehr in den alten Beruf.

Eine Limitation der Studie war die fehlende gesunde Kontrollgruppe mit nicht infizierten postoperativen Tibiakopffrakturen. Zudem wurden viele Patientinnen und Patienten überwiesen, sodass die damit verbundene Selektion von schwersten Verlaufsformen mit infizierten Tibiakopffrakturen einen Bias mit einem entsprechend schlechten Outcome nach sich zieht.

Fazit für unsere Praxis

Bei schweren Frakturformen mit C-Frakturen kommt es vergleichsweise häufig zu Infektverläufen mit einem entsprechend schlechten Outcome, einer hohen Anzahl an Revisionsoperationen, Infektexazerbationen, chronischen Schmerzen, hohen Amputations- und Arthrodeseraten sowie erheblichen existentiellen sowie psychosozialen Folgen für unsere Patientinnen und Patienten. Wichtigste positive Prädiktoren sind eine umgehende operative Versorgung oder aber eine sinnvolle verzögerte Operation im Intervall. Für die Erstversorgung hat der Operationszeitpunkt, der idealerweise möglichst bald innerhalb des kritischen Zeitfensters erfolgen sollte, einen signifikanten Einfluss auf das Outcome. Vor allem aber im Fall einer Infektion ist eine umgehende und konsequente operative und antibiotische Behandlung wiederum positiv für den weiteren Verlauf. Negative Outcomeprädiktoren sind Nikotinkonsum, Diabetes mellitus, Mischinfektionen sowie der Nachweis von Staphylococcus aureus ohne oder mit Resistenz (MRSA). Diese Ergebnisse heben die Bedeutung weiterer Studien hervor, um die zukünftige Versorgung dieses komplikationsträchtigen Traumas zu verbessern und das Outcome zu steigern.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Genehmigung Ethik-Kommission:

Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universität Witten/Herdecke genehmigt (Nr. 79/2016). Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt.

Einverständniserklärung von Patientinnen und Patienten:

Von allen beteiligten Patientinnen und Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.

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