Originalarbeiten - OUP 02/2024

Infektionen bei operativ versorgten Tibiakopffrakturen
Wie ist das Langzeit-Outcome und welche Einflussfaktoren sind klinisch relevant?

In der Gruppe der Raucher (48 %) kam es signifikant häufiger zu Infektrezidiven mit Reexazerbationen (p = 0,001). Einen Diabetes mellitus wiesen insgesamt 25 % der Patientinnen und Patienten auf. Diese Patientinnen und Patienten profitierten von einer längerfristigen Antibiotikagabe, die zu signifikant weniger Reexazerbationen führte (p = 0,032). Die Kombination aus Rauchen und einem Diabetes mellitus resultierte in einer signifikant höheren Anzahl an Reexazerbationen und Revisionsoperationen (p = 0,002).

Outcome

Die Daten der Patientinnen und Patienten (n = 40), die die PROMs vollständig ausgefüllt haben, wurden für Subgruppenanalysen herangezogen. Von den 40 Patientinnen und Patienten erreichten 14 eine Wiedereingliederung in ihren alten Beruf. Bis zum Ende des Studienzeitraumes wurden 26 von 40 Patientinnen und Patienten vorzeitig berentet bzw. waren anhaltend arbeitsunfähig.

Der Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS, max. 168 Punkte) zeigte einen vergleichsweise niedrigen Mittelwert von 87. Niedrige Punktwerte erzielten vor allem die Bereiche sportliche Aktivität und allgemeine Lebensqualität. In den Sektionen Schmerz, Symptome sowie alltägliche Aktivitäten wurden vergleichsweise höhere Werte festgestellt (Abb. 5a). Raucher, Patientinnen und Patienten mit einer offenen Fraktur oder einem Kompartmentsyndrom hatten einen signifikant schlechteren KOOS (p < 0,05). Patienten, die weniger Schmerzen empfanden, konnten signifikant häufiger in ihren alten Beruf zurückkehren (p = 0.003) und waren weniger in ihren allgemeinen Aktivitäten eingeschränkt (p = 0.026).

Der Lysholm-Score (max. 100 Punkte) zeigte einen Mittelwert von 52 Punkten. Beeinträchtigt waren die Patientinnen und Patienten vor allem in den Bereichen Hinken, Treppensteigen und in die Hocke gehen. Die Kriterien Gehen/Laufen/Springen, Hilfsmittel und Oberschenkelatrophie erzielten höhere Punktwerte (Abb. 5b). Besonders interessant war die Subgruppenanalyse des Lysholm-Scores bezüglich des Operationszeitpunktes. Hier zeigten Patientinnen und Patienten, die umgehend nach dem Unfall operiert wurden, einen signifikant besseren Langzeitoutcome. Hier war der mittlere Score im Vergleich zum Gesamtkollektiv mit einem Mittelwert von 69 Punkten deutlich höher (p = 0,007).

Hinsichtlich möglicher Einflussfaktoren wie Alter, BMI, Geschlecht, Frakturklassifikation, offene Frakturen, erlittenes Polytrauma, Rauchen und dem Vorliegen von Mischinfektionen erfolgte ein Vergleich zwischen den entsprechenden Subgruppen und dem Gesamtkollektiv. Hier zeigte sich bei Rauchern sowie dem Vorliegen einer Mischinfektion ein signifikant schlechteres Outcome (p < 0,05). Alle anderen Parameter zeigten im KOOS- und Lysholm-Score keinen signifikanten Einfluss auf das Outcome.

Diskussion

Entsprechend der Literatur wirkt sich die Frakturschwere nicht nur auf das klinische Outcome, sondern auch auf ein vermehrtes Auftreten akuter und chronischer postoperativer Infektionen aus [11, 17, 18, 27]. Somit erstaunt es nicht, dass C-Frakturen (Abb. 1) in dieser Studie zu postoperativen Infektionen mit einer Häufigkeit von 79 % außergewöhnlich häufig waren. Die Verläufe bei Infektionen sprechen für sich. Bei unseren Studienpatientinnen/-patienten führte die postoperative Infektion zu langwierigen Behandlungen mit einer hohen Anzahl an Revisionsoperationen. Bei insgesamt 21 % endete die Situation in einer Oberschenkelamputation, Arthrodese oder gekoppelten Knieendoprothese (Abb. 3). Das niedrige klinische Outcome (Abb. 5) hatte entsprechende soziale Folgen in Beruf und Freizeit, wonach bspw. 35 % in ihren alten Beruf und 65 % überhaupt ins Berufsleben zurückkehren konnten. Die existenziellen Probleme und psychosozialen Folgen infolge dieser Verletzungen sind nicht zu unterschätzen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, etwaige Risikofaktoren, aber auch mögliche positive Einflussfaktoren zu kennen, um die Behandlung, an welchen Stellen auch immer, zu optimieren. Evtl. hilft diese Nachuntersuchung eines vergleichsweise großen Patientenkollektivs hierzu, sinnvolle Einblicke zu gewähren.

Als Einflussfaktoren auf das klinische Outcome aseptischer Tibiakopffrakturen werden in der Literatur vor allem die Frakturklassifikation, das Ausmaß des erlittenen Weichteilschadens, das Vorliegen offener Frakturen, der Erfolg einer anatomischen Rekonstruktion von Gelenkfläche und -achse sowie die erzielte Gelenkstabilität gesehen [17, 19]. Manidakis et al. konnten zeigen, dass insbesondere eine verzögerte Operation sowie ein falscher Operationszeitpunkt unter Missachtung des Weichteilstatus für ein schlechtes Outcome verantwortlich sein können [18]. Auch unsere Daten legen nahe, dass Patientinnen und Patienten, die schnellstmöglich nach dem Unfallereignis operiert wurden, in allen Outcomeparametern profitieren. Dies und der Umstand, dass diese Patientinnen und Patienten signifikant häufiger an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren konnten, unterstützt die in der Literatur vertretene Meinung, dass eine schnelle operative Versorgung oder aber ein entsprechend der Weichteilsituation verzögerter Eingriff einen wesentlichen Faktor für ein gutes Outcome darstellt [9, 15]. Andere Faktoren, wie bspw. offene Frakturen, Begleitverletzungen oder ein erlittenes Polytrauma, hatten in unserer Studie hingegen keinen signifikanten Einfluss auf das klinische Outcomescoring.

Bei der Auswertung des Erregerspektrums zeigten Patientinnen und Patienten mit einer Mischinfektion ein signifikant schlechteres Outcome. Besonders im Lysholm-Score kam es im Durchschnitt zu einem 12 Punkte schlechteren Score gegenüber Patientinnen und Patienten mit Monoinfektionen. Vor allem in den Bereichen Schmerzen, Lebensqualität und Mobilität kam es zu einer Verschlechterung der Ergebnisse. Nach Walter et al. und Gristina et al. ist bei offenen Wunden durch Traumata ein polymikrobielles Keimspektrum zu erwarten [8, 26]. Zudem kommt es laut Spellberg et al. sowie Cooper et al. bei Mischinfektionen vermehrt zu Antibiotikaresistenzen. Diese stellen die Ärztinnen und Ärzte in der Behandlung vor besondere Probleme und können den Krankheitsverlauf besonders erschweren [4, 24]. Trotzdem bleibt es in der Literatur unklar, ob Mischinfektionen zu vermehrten Gewebeschädigungen führen und somit zusätzlich die Heilung beeinträchtigen können. Insgesamt wurde dieses brisante Thema bisher vergleichsweise selten genauer betrachtet und diskutiert.

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