Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016

Klassifikation von Knorpelschaden und Arthrose

Generell gelten Schmerzen, Bewegungseinschränkung, Funktionsstörung, Krepitus und Deformierung als Leitsymptome der Erkrankung. Die Symptomatik kann dabei jedoch sehr unterschiedlich vom einzelnen Patienten wahrgenommen werden und es besteht mitunter eine erhebliche Diskrepanz zwischen den objektiven Befunden und der Symptomatik.

So fanden in der ersten groß angelegten epidemiologischen-radiologischen Untersuchung Kellgren und Lawrence bei nur 70 % aller Patienten mit deutlicher radiologischer Arthrose auch wirklich Beschwerden.

Ebenso sind die einzelnen Funktionsstörungen an den verschiedenen Gelenken unterschiedlich ausgeprägt. Die Coxarthrose beispielsweise verursacht weniger Schmerzen, behindert aber den Patienten vor allem durch die Funktionsstörungen beim Stehen und Laufen. Anders verhält es sich beim Kniegelenk, hier ist das Symptom Schmerz das Leitsymptom. Bei anderen Gelenken hingegen können erhebliche Veränderungen im Röntgenbild vorliegen, ohne dass die Patienten unter wesentlichen Schmerzen oder Funktionsstörungen leiden (z.B. Fingerarthrosen oder Hallux rigidus).

Bei der Schulter, dem Ellenbogen- und Handgelenk, aber auch bei den Wirbelgelenken hingegen spielen der primäre Knorpelschaden bzw. die radiologische Arthrose oftmals eher eine untergeordnete Rolle, die Pathologien im Bereich der degenerativ veränderten Weichteile (Bänder, Sehnen bzw. der Bandscheiben) bestimmen hier die Symptomatik.

Basierend auf anamnestischen und klinischen Symptomen, schlägt das American College of Rheumatology (ACR) die Annahme einer Arthrose vor, wenn eine Reihe von Faktoren vorliegen:

Kniegelenk: Knieschmerz + Krepitus + Morgensteifigkeit, Zeichen > 30 Minuten + knöcherne Veränderungen. Liegen knöcherne Veränderungen vor, so kann auch bei Abwesenheit eines Krepitus eine Arthrose angenommen werden. In Bezug auf die radiologische Diagnostik haben diese Kriterien eine Sensitivität von 89 % und eine Spezifität von 88 %.

Hüftgelenk: Schmerzen + verminderte Beweglichkeit (Innenrotation < 14°, Flexion < 115°, Abduktion < 15°) + Morgensteifigkeit > 60 Minuten + Alter > 50 Jahre. Auch hier wird eine recht hohe Sensitivität von 87 % und eine Spezifität von 75 % erreicht [1].

Weiterhin ist es möglich, die Schwere der Erkrankung durch verschiedene klinische Scores zu charakterisieren. Beispiele dafür sind der WOMAC (Western Ontario and McMaster Universities Index), KOOS (Knee Injury Osteoarthritis Outcome Score).

Laborchemie

Im Verlauf der zunehmenden Gelenkzerstörung wird aus den Gelenken eine Reihe von Degradationsprodukten bzw. Mediatoren (zum Beispiel Interleukine) freigesetzt, die normalerweise nur in geringer Konzentration bzw. gar nicht vorkommen. Solche „Arthrose-Marker“ lassen sich sowohl in der Gelenkflüssigkeit, als auch im Serum bzw. Urin nachweisen. Der bekannteste Arthrosemarker ist das cartilage oligomeric matrix protein (COMP). Dieser Metabolit fällt bei der Degradation des wichtigsten Knorpel-Proteoglykan an, des Aggrecan.

Diese Marker werden in epidemiologischen Untersuchungen und gelegentlich auch in Verlaufskontrollen bei konservativ behandelten Arthrosen eingesetzt, für die klinische Praxis oder aber auch für die Begutachtung hingegen sind sie bislang ungeeignet. Zudem sind solche Tests ausgesprochen teuer (pro Test betragen die Kosten ca. 70 Euro).

Radiologische Arthrose (ROA)

Die Röntgendiagnostik in Standardeinstellungen ist wichtigste und oftmals auch allein ausreichende diagnostische Maßnahme bei Verdacht auf eine Arthrose. Sie darf auch heute noch in der Diagnostik der Arthrose als „Goldstandard“ gelten.

Radiologische Arthrosezeichen sind dabei die Verminderung der Weite des Gelenkspalts, die subchondrale Sklerose bzw. Ausbildung von Geröll-Zysten und Appositionsosteophyten. Solche Osteophyten bilden sich an die Gelenkflächen angrenzend aus. Diese sind abzugrenzen von Traktionsosteophyten im Bereich der Sehnen- bzw. Bandansätze. Letztere sind für eine Arthrose-Diagnostik kein sicheres Kriterium (Abb. 1).

Die Röntgendiagnostik kann durch Messung verschiedener Distanzen zusätzlich objektiviert werden. Für die Gelenkspaltweite des Kniegelenks geben Lanyon et al. Normalwerte an, unterhalb derer eine mittelschwere bis schwere Gonarthrose anzunehmen ist [2].

Eine Verminderung des Gelenkspalts auf < 5–4 mm, gegebenenfalls noch die Ausbildung von Osteophyten von > 2 mm gelten als sicheres Kriterium für das Vorliegen einer Gonarthrose. Beträgt im Bereich des Hüftgelenks die Gelenkspaltweite an irgendeiner Stelle der Gesamt-Zirkumferenz < 2,5 mm, so ist eine coxarthrose anzunehmen[3].

Weiterhin können Veränderungen der Beinachse (Verschiebung der Traglinie nach Miculicz, Veränderungen im Varus- oder Valgus-Winkel usw.) messbare Kriterien für den Schweregrad der Arthrose sein.

Die älteste Klassifikation für die Coxarthrose und Gonarthrose stammt von Kellgren und Lawrence. In den letzten Jahren findet sich in der Literatur eine weitere Zahl von verschiedenen Klassifikationen. Bei der Beurteilung des Schweregrades der Arthrose ist daher immer die jeweils zugrunde liegende Klassifikation konkret anzugeben (Tab. 1). Die Computertomografie hingegen spielt bei der Klassifikation des Schweregrads von Arthrosen eine eher untergeordnete Rolle.

Kernspintomografie (MRT)

Die Kernspintomografie ist die einzige Methode, mit der sich sämtliche Gewebestrukturen eines Gelenks (Knorpel, gelenknaher und subchondraler Knochen, Bänder, Synovia, Gelenk-Cavum mit oder ohne Erguss, Muskulatur, Sehnen, Gefäße und Nerven) bildlich darstellen lassen.

Die Knorpelschäden stellen sich in der MRT als Risse oder als komplette Defekte dar. Dabei wurden in Analogie zur Arthroskopie durch die Radiologen die Knorpelschaden-Klassifikationen übernommen. Häufig wird dabei die Vallotton-Klassifikation verwendet, die in Analogie zur Outerbride-Klassifikation der Arthroskopie steht [4]. Man unterscheidet Knorpelrisse oder Fissuren, die entweder nur innerhalb der Knorpelschicht auftreten, Einrisse, die bis zum Knochen reichen und schließlich komplette Defekte. Initiale Knorpelschäden (Chondromalazie oder Grad-I-Schäden) stellen sich gelegentlich als Irregularitäten innerhalb der Knorpel-Densität bzw. als Ödem dar.

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