Übersichtsarbeiten - OUP 03/2020

Konservative Behandlung patellofemoraler Pathologien

Im Hinblick auf die schlechte Prognose und die Erkrankungsdauer stellt sich die Frage nach dem optimalen Behandlungsansatz. Die vielen Behandlungsoptionen und Therapieempfehlungen erscheinen undefiniert und werden nicht als allgemeingültig verstanden [7]. Einzig über eine primär konservative und nicht operative Behandlungsform herrscht weitgehend Konsensus [29]. Dennoch liegen derzeit wenige aktuelle Leitlinien über optimale Behandlungsansätze im Rahmen des konservativen PFPS-Managements vor [36]. Eine kürzliche Veröffentlichung der Akademie für Orthopädische Physiotherapie der Amerikanischen Gemeinschaft für Physikalische Therapie (American Physical Therapy Association) entwickelte Leitlinien für ausschließlich physiotherapeutische Behandlungsmethoden im Rahmen des PFPS-Managements [37]. Ein weiteres Konsensus-Statement zur Übungstherapie und physikalischen Therapie im Rahmen der Zusammenkunft zum „Patellofemoral Pain Research Retreat Meetings“ in Australien (2017) schließt lediglich Literatur bis 2017 ein [12]. Das Ziel dieser Arbeit ist die Strukturierung aller konservativen Behandlungsempfehlungen und Therapiemodalitäten im Rahmen des PFPS, ohne dabei Vergleiche spezieller Techniken der einzelnen Behandlungsmodalitäten durchzuführen.

Methode

Die Literatursuche wurde im Zeitraum von Dezember 2019 bis Januar 2020 in den Datenbanken MEDLINE, Embase und PEDro durchgeführt. Die Fragestellung dieser Arbeit wird auf die PICOT-Kriterien gestützt [32] und soll klären, welche konservativen Behandlungstechniken mit einer Mindestinterventionsdauer von 4 Wochen einen positiven Einfluss auf klinische Parameter bei Erwachsenen mit PFPS aufzeigten. Die spezifischen Kriterien sind Tabelle 1 zu entnehmen.

Die Studienselektion erfolgte in Anlehnung an die Kriterien der „Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analysis“ (PRISMA) nach Moher et al. 2009 [27]. Um eine Aussage über möglichst aktuelle Behandlungsmodalitäten treffen zu können, beschränkte sich die Literaturauswahl auf Artikel, die erst nach 2000 publiziert wurden. In der ersten Suche konnten insgesamt 210 Artikel detektiert werden, wovon 75 Artikel nach Doppelungen, sowie Abstract- und Title- Screening unter Berücksichtigung der Inklusions- und Exklusionskriterien in das Volltext-Screening aufgenommen wurden. Nach Untersuchung der Thematik, des Studiendesigns und der Qualitätskriterien der Volltext-Artikel wurden insgesamt 9 randomisierte, kontrollierte Studien in die Analyse miteinbezogen (Abb. 2). Das Verzerrungsrisiko der inkludierten Studien wurde nach den aktuellen Empfehlungen der Cochrane Back Review Group „Cochrane risk of bias tool for randomized trials“ mit Hilfe von 7 Domänen mit JA, NEIN oder UNKLAR bewertet [19].

Resultat

Die einbezogenen Studien untersuchten die Therapiemaßnahmen Physiotherapie (PT), Übungs- und Rehabilitationsprogramme, Taping, Elektrotherapie, Schuheinlagen und Orthesen. Eine Übersicht ist der Tabelle 2 zu entnehmen.

Physiotherapie, Aktivität
und Taping

Crossley et al. (2002) verglichen ein PT-Programm nach standardisiertem Behandlungsprotokoll von Mc Connell [26], basierend auf Taping, Kräftigung des M. vastus medialis (VM) mit Einsatz eines EMG-Feedbacks, Kräftigung der Glutealmuskulatur, Stretching und einem Heimübungsprogramm mit einem Kontrollprogramm aus Placebotaping, Sham-Ultraschallbehandlung und topischer Anwendung eines inaktiven Gels [13]. Nach einer Interventionsdauer von 6 Wochen hatten die Patienten in der PT-Gruppe im Follow-up nach 3 Monaten signifikant niedrigere Schmerzwerte sowie signifikante Verbesserungen in Aktivitätsparametern. Im Hinblick auf Aktivität, konnten Dursun et al. (2001) ebenfalls zeigen, dass der Einsatz eines Übungsprogramms über 3 Monate zu signifikanten Verbesserungen des Schmerzempfindens und zu einer Funktionalitätsverbesserung führte [15]. Beide Gruppen führten Kräftigungsübungen für den M. quadriceps, auch speziell für den VMO sowie ein Flexibilitäts-/ Propriozeptions- und Ausdauertraining aus, wobei das Training in der Interventionsgruppe mit visuellem und auditivem Biofeedback unterstützt wurde. In beiden Gruppen wurden signifikante Verbesserungen der Kontraktionskraft von VM und VL und der Werte im Functional Index Questionnaire (FIQ) sowie eine signifikante Schmerzreduktion von Baseline (BL) zu 3 Monaten beobachtet. Zwischen den Gruppen konnten keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf Kraftzuwachs, Schmerzreduktion und Funktionalität festgestellt werden, so dass das Biofeedback keinen signifikanten Effekt zu haben schien.

Elektrotherapie

Vier Arbeiten beschäftigten sich mit unterschiedlichen Techniken der Elektrotherapie. Glaviano et al. (2019) untersuchte den Einfluss einer 4-wöchigen Behandlung mit der Elektrotherapieform Patterned electrical neuromuscular stimulation (PENS) von Gluteus medius, VMO, Hamstrings und den Adduktoren auf klinische Scores wie Anterior Knee Pain Scale (AKPS), Activities of Daily Living (ADL), Lower Extremity Functional Scale (LEFS) und Visuelle Analogskala (VAS) als Zusatz zu einem Rehabilitationsprogramm [17]. Nach 4 Wochen zeigte sowohl die PENS-, als auch die Kontrollgruppe eine statistische und klinische Verbesserung in Funktion, Schmerz, Kraft, Bewegungsausmaß und dem Aktivitätslevel. Die subjektiven Skalen waren nach 6 und 12 Monaten in beiden Gruppen verbessert. Im Vergleich zur Kontrollgruppe hatte die PENS-Gruppe jedoch bessere Werte im aktuellen Schmerzempfinden zu allen 3 Messzeitpunkten (4 Wochen, 6 und 12 Monate). Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch Akarcali et al. (2002), die den Einfluss von High voltage pulsed galvanic stimulation (HPVGS) auf den Schmerz in PFPS-Patienten untersuchten [2]. Beide Gruppen führten ein Übungsprogramm über 6 Wochen aus. Die Interventionsgruppe erhielt eine zusätzliche HPVGS-Therapie. Dabei stellten sie fest, dass der Schmerz in der HPVGS-Gruppe signifikant niedriger war als in der Kontrollgruppe. Alle Patienten zeigten einen Kraftanstieg des M. quadriceps im zeitlichen Verlauf, jedoch keine signifikanten Zwischengruppenunterschiede.

Celik et al. (2019) untersuchten den Einfluss eines Standardrehabilitationsprogramms und neuromuskulärer elektrischer Stimulation (NMES) bei isometrischer Quadricepskräftigung und terminaler Kniestreckung (0-30°) des M. quadriceps auf Kraft und klinische Parameter [8]. Beide Gruppen führten das Rehabilitationsprogramm aus, während die Interventionsgruppe eine zusätzliche Behandlung mit NMES erhielt. Beide Gruppen erreichten signifikant bessere Quadriceps- und Hamstringskraftwerte (primäres Outcome), sowie einen höheren Kujala und Lysholm Score im zeitlichen Verlauf. Es konnten jedoch keine signifikanten Zwischengruppenunterschiede zwischen NMES- und Kontrollgruppe identifiziert werden.

Taping

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