Übersichtsarbeiten - OUP 03/2020
Konservative Behandlung patellofemoraler Pathologien
Die systematische Literatursuche detektierte keine Arbeit, die sich isoliert mit dem Einfluss von Taping beschäftigte. Vielmehr wurde Taping in 2 vorliegenden Arbeiten als Zusatz zu weiteren konservativen Maßnahmen wie Elektrotherapie oder Standardrehabilitation verwendet. Wie bereits beschrieben, war das Rehabilitationsprogramm nach Mc Connell, welches auch das Taping inkludierte, signifikant effektiver im Hinblick auf Schmerz und Aktivität als eine Placebobehandlung der Kontrollgruppe [13]. Demgegenüber untersuchten Kaya et al. (2013) den isolierten und kombinierten Einfluss von HPVGS und Taping nach Mc Connell [21]. Alle Teilnehmer erhielten ein Rehabilitationsübungsprogramm aus Kräftigungs- und Dehnübungen der unteren Extremität. Nach 6 Wochen hatte die Kombinationsgruppe aus HPVGS und Taping signifikant weniger Schmerzen beim Treppensteigen auf- und abwärts. Die Teilnehmer, welche nur HPVGS erhielten, hatten signifikant weniger Schmerzen beim Treppe aufwärts gehen als die Taping-Gruppe. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine zusätzliche Taping-Anlage kein verbessertes Ergebnis zur Elektrotherapiebehandlung mit HPVGS liefern konnte und konnten keine kombinatorischen Effekte nachweisen.
Orthesen
Collins et al. verglichen den Effekt von individualisierten Fußorthesen (Schuheinlagen) mit Physiotherapie in Individuen mit PFPS [11]. Als Kontrolle wurden flache Schuheinlagen verwendet und somit die folgenden 4 Gruppen über 6 Wochen mit den jeweiligen Therapiemaßnahmen behandelt: Fußorthesen + PT, PT, Fußorthesen, flache Schuheinlagen. Die Werte der Global improvement scale waren in der Fußorthesen-Gruppe nach 6 Wochen signifikant besser als in der Gruppe mit flachen Einlagen. Im Hinblick auf den Schmerz gab es in allen Gruppen an jedem Messzeitpunkt eine Verbesserung, ausgenommen in der Kontrollgruppe mit flachen Einlagen im finalen Assessment in der 52. Woche. Alle 4 Gruppen zeigten signifikante Verbesserungen in AKPS und FIQ. Die Autoren schlussfolgerten, dass Fußorthesen eine frühere und deutlichere Verbesserung der PFPS-Symptomatik mit sich führen als flache Einlagen. Eine weitere Arbeit untersuchte die Auswirkungen von biomechanischen Interventionen (PF-Orthese und Bandage ohne Patella Vorrichtung in der Kontrollgruppe) und eines Heimübungsprogramms auf Schmerz und Funktion [29]. Nach 12 Wochen traten in allen Gruppen Verbesserungen auf, jedoch berichteten die Autoren von keinen Zwischengruppenunterschieden. Dabei waren die Werte der Werner Knee Function scale in der Orthesengruppe und Übungsgruppe, sowie die Werte der Schmerzskalen nach 3 Wochen in der Orthesengruppe deutlich besser und schienen mit einer schnelleren Genesung einherzugehen. Jedoch belief sich die Studienauswertung lediglich auf das finale Assessment in der 12. Woche.
Eine schnellere und effizientere Symptom- und Schmerzverbesserung wird auch von Petersen et al. (2016) untermauert [30]. In dieser Arbeit wurde eine dynamische PF-Orthese zur Verhinderung der Patellalateralisierung untersucht. Die Orthese übt eine dynamische nach medial gerichtete Kraft während der Initialflexion von 0-30° aus und unterstützt somit den Bewegungsradius der Patella, der nicht mit der knöchernen Trochleastabilisierung unterstützt wird. Die Orthesengruppe und die Kontrollgruppe erhielten das gleiche Therapieprotokoll, bestehend aus einem Patella Move Program und einem krankengymnastischen Training am Gerät (KGG). Nach 6 und 12 Wochen war die Orthesengruppe signifikant besser in allen Subskalen des KOOS Scores, auf der NAS Skala und dem Kujala score. Ein verbessertes Ergebnis in den Aktivitäten des täglichen Lebens konnte auch im Follow-up von 54 Monate in der Orthesengruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe nachgewiesen werden.
Diskussion
Neun randomisierte kontrollierte Studien wurden in die Auswertung eingeschlossen. Das Verzerrungsrisiko war different und ging zumeist auf eine hohe Performance-Bias und andere Verzerrungsfaktoren wie geringe Stichprobenmengen, unzureichende oder unklare Informationen im Hinblick auf die Studienmethodik, sowie die Berichterstattung zurück.
Physiotherapie, Aktivität in Form von Übungs- und Reha-Programmen, Taping, Elektrotherapie, Schuheinlagen und orthetische Versorgung des Kniegelenkes wurden als geeignete Maßnahmen im Rahmen des konservativen PFPS-Managements detektiert. Die Behandlungsformen waren divers und unterschieden sich in der Interventionsdauer und Intensität. Die durchschnittliche Interventionsdauer lag bei 9,6 Wochen mit einem maximalen Follow-up Zeitraum von 54 Wochen. Ein ätiologischer Faktor für die PFPS-Symptomatik ist die Lateralisierung der Patella mit erhöhter Belastung im lateralen patellofemoralen Gelenkanteil [18]. Crossley et al. beschreiben, dass durch eine Tape-Anlage die Lateralisierung der Patella und das Schmerzempfinden während der Kniebeuge signifikant reduziert werden konnte [13]. Dabei erscheint die Evidenzlage zum Taping bei PFPS unklar, denn Kaya et al. stellten fest, dass eine zusätzliche Taping-Anlage keinen signifikanten Kombinationseffekt zu einer Behandlung mit HPVGS mit sich brachte [21]. Eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse von Chang wiederum kam zu dem Schluss, dass Kinesio-Taping Schmerzen reduzieren und die muskuläre Flexibilität von PFPS-Patienten erhöhen kann. Dem Mc Connell-Tape wurde zusätzlich ein nachgewiesener Einfluss auf die Patellapositionierung mit Reduktion der Lateralisierung zugesprochen [9]. Crossley et al. unterstützten das Taping mit einem standardisierten Physiotherapieprotokoll nach Mc Connell und verglich diese Intervention mit einer Placebogruppe. Dabei stellten sie fest, dass bei einer Behandlungsdauer von 6 Wochen auch noch nach 3 Monaten ein positiver Effekt im Hinblick auf Schmerz und Aktivität gegeben war. Das Behandlungsprotokoll basierte auf Heimübungen und betraf die Knie- und die Hüftregion. Auch der Konsensus zur Übungstherapie und physikalischen Therapie empfiehlt zur Behandlung des PFPS ein nicht nur kniefokussiertes Training, sondern eine Kombination aus Knie- und Hüftübungen mit einer kurz- und langfristigen Wirkung auf Schmerz und Funktionalität [13]. Dabei ist zu vermuten, dass eine zusätzliche Aufklärung und Patientenedukation zu einem positiven und langfristigeren Erfolg beitragen kann. Rathleff et al. konnten zeigen, dass eine Kombination aus einem 3-monatigen Übungsprogramm und Patientenedukation bei PFPS für langfristig verbesserte Ergebnisse auf der Likert-Skala in einem Zeitraum von 2 Jahren sorgen konnte [31]. Dabei gestaltet sich die Vergleichbarkeit von Rehabilitation- und Aktivitätsprogrammen als schwierig, da Trainingsparameter, Wiederholungszahlen und Intensitäten häufig different sind. Osteras et al. konnten zeigen, dass Bewegungstherapie einem Dosis-Wirkungs-Effekt auf Schmerzen und Funktionalität bei Patienten mit PFPS unterliegt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass eine hochintensive medizinische Bewegungstherapie mit hohen Wiederholungszahlen langfristig wirksamer zu sein scheint als ein leichtintensiver und niedrigrepetitiver Trainingsplan. Die Versuchsgruppe, die mit hohen Intensitäten und Wiederholungszahlen arbeitete, hat sich auch noch ein Jahr nach Abschluss der Intervention verbessert, während in der Kontrollgruppe ein Rückgang der erreichten Ergebnisse zu beobachten war [29]. Da höhervolumige Programme die akute Freisetzung des Growth Hormons (GH) vermitteln und zu einer höheren Stoffwechselrate beitragen [20], wäre es zu vermuten, dass die Patienten der Interventionsgruppe weiterhin Übungen ausführten, da sie bereits frühzeitig Erfolge feststellen konnten. Auch die Arbeiten zur Elektrotherapiebehandlung untersuchten Stromformen mit differenten Amplituden und Frequenzen. Konklusiv kann aber geschlussfolgert werden, dass Elektrotherapie einen positiven Einfluss auf die akute Symptomatik ausüben konnte. Insbesondere schien der Zusatz zu Aktivität und Rehabilitationsprogrammen zielführend zu sein, so dass sogar im Follow-up nach einem Jahr bessere Werte beobachtet werden konnten [18]. Am häufigsten wurde Elektrotherapie zur Schmerzlinderung in passiver Form verwendet. Ein interessanter Ansatz, den Celik et al. beschreiben, ist die Applikation von NMES auf den M. quadriceps während der Muskelkontraktion [8]. Zwar konnten hier keine signifikanten Zwischengruppenergebnisse zwischen Intervention und Kontrollgruppe vermerkt werden, aber es kam zu signifikanten Verbesserungen der Hamstring- und Quadriceps-Kraft, sowie der funktionellen Scores und dem Schmerz von Baseline bis Follow-up nach 12 Monaten. Wichtig wären hier die Untersuchung der weiteren Entwicklung in einem längeren Follow-up sowie die Auswirkungen einer längeren Interventionsdauer. Denn Ahtiainen et al. führten ein Trainingsprotokoll über 21 Wochen durch und konnten zeigen, dass die ersten statistisch signifikanten Veränderungen der Maximalkraft im Vergleich zur Baseline erstmalig nach 14 Wochen zu beobachten waren [1]. Da der akute Schmerz die Patienten von Training und Aktivität abhalten kann, ist hier der Einsatz von orthetischen Hilfsmitteln nützlich. Die Effekte werden sowohl auf eine propriozeptive Wirkung, als auch auf die Korrektur der Patellabewegung und das verbesserte Patella-Alignment zurückgeführt. Diese Faktoren können zu einer Schmerzreduktion während der Bewegung führen. Der Einsatz von Orthesen mit Einfluss auf die Patella während der Initialflexion von 0-30° erscheint vorteilhaft, da keine trochleare Führung der Patella gegeben ist [30]. Becher et al. zeigten, dass eine Orthese den Patella Tilt und die Lateralisierung der Patella in dem Bewegungsradius zwischen 0-30° reduzieren kann [5]. Somit kann eine Kombination aus Gerätetraining und einem Bewegungsprogramm einen signifikanten Einfluss auf Schmerz, Symptome und Funktion bewirken [30]. Der positive Effekt der 6-wöchigen Intervention auf die Aktivität im Alltag konnte auch noch in einem Follow-up von 54 Wochen detektiert werden. Diese Beobachtung kann die bereits aufgestellte Hypothese bestätigen, dass die positive Erfahrung während schmerzfreier Aktivität dazu beiträgt, aktive Gewohnheiten in den Alltag der Patienten zu implementieren und damit den positiven Status zu halten.