Übersichtsarbeiten - OUP 09/2015
Kyphoplastie – effektive Behandlungsmethode für die Versorgung akut-traumatischer osteoporosebedingter WirbelkörperfrakturenEine Zweipunkterhebung in den operativen FachdisziplinenEvaluation of data collected from different surgical specialties at two different times
Die Mehrheit der Antworten wurde in den unfallchirurgischen Abteilungen evaluiert (64 %). Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Untersuchungen durch eine unfallchirurgische Klinik durchgeführt wurden und sich hierdurch gerade andere traumatologische Zentren angesprochen sahen, an dieser Studie teilzunehmen. Eine weitere Erklärung wäre jedoch, dass sich gerade unfallchirurgische Kliniken mit Patienten mit akuten traumatischen Wirbelkörperfrakturen bei vorliegender Osteoporose konfrontiert sehen und die Versorgung dieser Patienten gerade in unfallchirurgischen Abteilungen von Bedeutung ist. Hinsichtlich der jährlichen Fallzahlen der einzelnen Kliniken scheinen sich interessanterweise keine Veränderungen ergeben zu haben (Abb. 2). Vergleicht man die angegebenen Fallzahlen aus dem Jahr 2007 mit denen aus 2011, findet man keinen relevanten Unterschied für die Anzahl der jährlich durchgeführten Kyphoplastien. Im Jahr 2007 führten ebenso viele Zentren mehr als 100 Eingriffe pro Jahr durch wie im Jahr 2011, und auch die Anzahl derjenigen Kliniken, die jährlich weniger als 100 Zementaugmentationen durchgeführt haben, ist konstant geblieben. Hierfür ergab sich kein signifikanter Unterschied (p = 1). Die Studien von Kallmes et al. [4] und Buchbinder et al. [5], welche die Vertebroplastie gegen eine Scheinoperation verglichen haben, wurden im Jahr 2009 hochrangig publiziert.
Trotz dieser beiden Untersuchungen [4, 5] sowie Studien, die den Vorteil der BKP gegenüber einer konservativen Therapie in Frage stellen [6, 7], wird jährlich bundesweit eine unverändert hohe Anzahl an Ballonkyphoplastien von Chirurgen mit Erfahrung in der Versorgung von traumatischen Wirbelkörperfrakturen durchgeführt. Im Jahr 2008 gab die Mehrheit (68,42 %) der Befragten an, bereits innerhalb der ersten 2 Wochen nach der Diagnosestellung einer osteoporosebedingten Wirbelkörperfraktur den operativen Eingriff durchzuführen (Abb. 3). Keiner der Befragten gab 2008 an, eine länger als 6 Wochen dauernde konservative Therapie durchzuführen. Die 2008 gültige Leitlinie des Dachverbands für Osteologie (DVO), die bereits S3-Charakter besaß, forderte jedoch bei Vorliegen einer osteoporosebedingten Wirbelkörperfraktur eine mindestens 3-monatige konservative Therapie vor einem operativen Eingriff [8, 9].
Wie bereits in der Veröffentlichung der ersten Untersuchung beschrieben [3], könnten als Begründung für dieses rasche operative Vorgehen und die Missachtung der S3-Leitlinie kostenökonomische Aspekte eine Rolle gespielt haben, oder aber die erfolgversprechende Aussicht, mit Zementaugmentation des frakturierten Wirbelkörpers eine schnelle Schmerzlinderung bzw. Beschwerdefreiheit und Mobilisierbarkeit der Patienten zu erreichen. Die klinische Erfahrung der Chirurgen zeigte anscheinend schon 2008 den überwiegenden Vorteil dieses minimalinvasiven Eingriffs in der Versorgung älterer Patienten mit immobilisierenden Rückenschmerzen bei vorliegender osteoporosebedingter Wirbelkörperfraktur. In der Erhebung 2012 wurde im Vergleich zur Voruntersuchung explizit zwischen ambulanten Patienten mit starken Rückenschmerzen bei vorliegender Wirbelkörperfraktur trotz analgetischer Therapie und ohne erinnerliches Trauma differenziert sowie Patienten mit akuten immobilisierenden Schmerzen bei apparenter traumatischer osteoporosebedingter Wirbelkörperfraktur.
Im Jahr 2009 wurde die S3-Leitlinie des DVO überarbeitet, sie empfiehlt seither eine 3-wöchige konservative Therapie bei osteoporosebedingten Wirbelkörperfrakturen vor einer operativen Versorgung [10]. Für die Frage, wieviel Zeit von der Diagnosestellung bis zur Operation vergehe, ergab sich ein interessantes Ergebnis. 70,58 % der in 2012 befragten Chirurgen gaben an, bei ambulanten Patienten mit starken Rückenschmerzen aufgrund einer osteoporosebedingten Sinterungsfraktur ohne erinnerliches Trauma trotz insuffizienter Analgetikatherapie eine mindestens 3-wöchige konservative Therapie durchzuführen, bevor diese Patienten einer operativen Versorgung zugeführt werden. Hingegen gaben 73,33 % der Befragten 2012 an, bei Patienten mit akut-traumatischer osteoporosebedingter Wirbelkörperfraktur und immobilisierenden Rückenschmerzen unter analgetischer Therapie die operative Versorgung bereits innerhalb der ersten 7 Tage anzustreben (Abb. 4).
Bei Vorliegen akut-traumatischer osteoporosebedingter Wirbelkörperfrakturen werden die Patienten also zu einem Großteil nicht leitlinienkonform früh operativ versorgt, während osteoporosebedingte Sinterungsfrakturen ohne erinnerliches Trauma konsequenter konservativ therapiert werden, bevor eine Zementaugmentation erwogen wird. Dieses Ergebnis könnte so interpretiert werden, dass die klinische Erfahrung der befragten Chirurgen zeigt, dass eine frische Wirbelkörperfraktur bei vorliegender Osteoporose nach akutem Trauma suffizient mittels Kyphoplastie behandelt werden kann. Anscheinend wiegt, der Erfahrung der Operateure nach zu urteilen, das positive Operationsresultat die vernachlässigbare Komplikationsrate auf. Für das untersuchte Kollektiv mit Expertise auf dem Gebiet der Wirbelsäulenchirurgie scheint die Kyphoplastie ein sicheres Operationsverfahren darzustellen, mit dem Patienten mit akuten osteoporosebedingten Wirbelkörperfrakturen bei frühzeitiger Intervention eine rasche Beschwerdereduktion erfahren, mobilisiert werden können und Folgekomplikationen durch z.B. reduzierte Immobilisationszeiten vermieden werden.
Zurückhaltender sind die Kollegen jedoch mit der operativen Versorgung bei der Behandlung von Patienten mit nachweislicher Wirbelkörperfraktur bei vorliegender Osteoporose, aber ohne adäquates Trauma und mit länger andauernden Rückenschmerzen. Für dieses Patientenkollektiv scheint die Kyphoplastie nicht primär ausreichend erfolgversprechend im Sinne einer Beschwerdereduktion zu sein. In diesen Fällen wird eine konservative Behandlung der Patienten unter analgetischer Therapie stringenter und länger durchgeführt. Hier finden anscheinend die Studien von Buchbinder et al. und Kallmes et al. Beachtung, die in ihrem Studienkollektiv eher Patienten mit länger bestehenden Rückenschmerzen (mittlere Beschwerdedauer des untersuchten Kollektivs 8 Wochen bei Buchbinder et al. [5] und 16 Wochen bei Kallmes et al. [4]) untersucht haben. Bundesweit wird von chirurgischen Kollegen die Ballonkyphoplastie für Patienten mit akut-traumatischen, osteoporosebedingten Wirbelkörperfrakturen als sichere und erfolgversprechende Therapieoption angesehen, während Patienten mit länger bestehenden Rückenschmerzen und vorliegenden osteoporosebedingten Sinterungsfrakturen ohne erinnerliches Trauma nicht das Patientenkollektiv bilden, für welche die Kyphoplastie die Therapieoption der Wahl darstellt.