Übersichtsarbeiten - OUP 06/2020

Langzeitergebnisse mit einer schenkelhalsteilerhaltenden Kurzschaftprothese (MiniHip, Corin)

Keywords: primary hip arthroplasty; short stem endoprosthesis; prospective follow-up study; long-term results; stress shielding

Citation: Breil-Wirth A, Kothny C, Bengt Seeger J, Grasselli C, von Engelhardt LV, Jerosch J:
Long-term results of an anatomically implanted hip arthroplasty with a short stem prosthesis (Minihip)
OUP 2020; 9: 352–359 DOI 10.3238/oup.2020.0352–0359

Jörg Jerosch, Andreas Breil-Wirth: Johanna-Etienne-Krankenhaus Neuss, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Christian Kothny: OrthoCenter München, Jörn Bengt Seeger: Universitätsklinik der Universität Gießen und Marburg

Christian Grasselli: Waldburg-Zeil-Klinik Tettnang, Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie

Lars Victor von Engelhardt: Sportklinik und Endocenter Damme, Orthopädische Praxis Dr. Berg

Einleitung

Nachdem der Oberflächenersatz an der Hüfte zunehmend in Diskussion gekommen war, wurde der Focus zunehmend wieder Kurzschaftprothesen gelegt. Ziel war es hierbei den Knochen des proximalen Femurs – insbesondere bei jüngeren Patienten – weitgehend zu erhalten, sodass für weitere Revisionseingriffe eine bessere Situation vorliegt und eine physiologischere Belastung des proximalen Femurs sichergestellt wird. Im Vergleich zu konventionellen zementfreien Systemen war es das Ziel mit Kurzschaftsystemen das Stress-shielding des endoprothetisch versorgten proximalen Femurs zu reduzieren. Zum einen um hierdurch Oberschenkelschmerzen zu verhindern, aber insbesondere auch, um den Knochenverlust und das hierdurch erhöhte Risiko für aseptische Lockerungen zu reduzieren.

Bei konventionellen Femurschäften, aber auch bei verschiedenen Kurzschaftsystemen, zeigten digitale Planungsstudien sowie klinische und radiologische Ergebnisse häufig eine nicht adäquate Rekonstruktion des individuellen Femur Offset [15, 36]. Derartige Veränderungen der Hüftgeometrie führten zu einer Reduktion der Weichteilspannung, sowie auch zu einer verminderten muskulären Vorbelastung. Dieses kann einhergehen mit einer Insuffizienz der Glutealmuskulatur und einer relevanten Hüftinstabilität [1, 24]. Die üblicherweise verwendete Femurosteotomie zur Implantation einer Hüftprothese führt zu einer sogenannten Bottom-up-Strategie, bei welcher die Rekonstruktion der Hüftgeometrie nur durch modularen Aufbau der Femurprothesenkomponenten oder durch eine große Anzahl von unterschiedlich geformten Prothesendesigns möglich ist.

Bei der schenkelhalsteilerhaltenden Minihip-Prothese erfolgt die Rekonstruktion der individuellen Biomechanik über einen anderen Weg. Die Minihip-Prothese wurde entwickelt anhand von präoperativen CT-Daten von Patienten die eine Hüftendoprothese benötigen und basiert auf einem individuellen Resektionsniveau des Femurhalses [18]. Deswegen wird dieses Konzept als teilerhaltend bezeichnet; man bezeichnet dieses auch als „Top-down-Konzept“. Hierbei wird zunächst das später zu rekonstruierende Rotationszentrum des Azetabulums festgelegt. In dieses Rotationszentrum hinein wird der Schaft der Minihip-Prothese als schenkelhalsausfüllendes Implantat geplant und hierdurch ergibt sich dann die individuelle Osteotomiehöhe für jeden Patienten. Hierdurch sind die individuelle Anteversion, das femorale Offset und der CCD-Winkel gut rekonstruierbar [7, 16, 18]. Hierdurch resultieren bei varischen Hüften in der Regel subkapitale hohe Schenkelhalsosteotomien (Abb. 1). Bei valgischen Hüften kommt es hingegen zu einer tiefen Schenkelhalsresektion (Abb. 2).

Mihalko et al. [26] haben anhand von dreidimensionalen CT-Untersuchungen die unterschiedliche Femurhalsresektion für die Implantation von nicht modularen Kurzschaftprothesen überprüft. Sie konnten nachweisen, dass alle geometrischen Parameter, einschließlich der Femurhalsanteversion, des CCD-Winkels und des Rotationszentrums des Femurs innerhalb einer Spannweite von 2° und/oder 1 mm zu rekonstruieren waren.

Windhagen et al. [37] zeigten, dass schenkelhalsteilerhaltende Kurzschaftprothesen im Vergleich zu Standard-Grad-Schaftprothesen eine bessere Balancierung der Hüfte hinsichtlich der umgebenden Weichteile sicherstellten. Klinische Studien konnten bisher gute kurz- und mittelfristige Ergebnisse mit dem Minihip-Schaft nachweisen [5, 10, 34]; auch erste Dexa-Untersuchungen ergaben einen relativ geringen Knochenverlust mit diesem Schaft [12, 33].

Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war es, erstmals Langzeitergebnisse des Minihip-Schafts darzustellen.

Material und Methodik

Insgesamt wurden 186 konsekutive Hüftprothesen bei 186 Patienten implantiert. 90 Hüften wurde rechtsseitig implantiert 82 linksseitig und 14 bilateral. 94 Patienten waren männlich und 92 weiblich. Das Alter der Patienten reichte von 32 bis 82 Jahren (Mittelwert 59,3 Jahre). Es wurden hinsichtlich des Alters keine Patienten ausgeschlossen. Die Indikation zur Hüftprothesenversorgung war eine Hüftosteoarthrose, die auf konservative Therapiemaßnahmen nicht mehr ansprach. Alle Operationen wurden zwischen 2008 und 2010 an 2 verschiedenen Krankenhäusern durchgeführt (Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss, 108 Prothesen, und OrthoCenter, München, 78 Prothesen).

Während der Nachuntersuchungszeit wurden 37 Patienten von der Studie ausgeschlossen. Ursachen hierfür waren bei einem Patienten eine Osteosynthese an derselben unteren Extremität, eine aseptische Lockerung an der Gegenseite (keine Kurzschaftprothese), ein Fall mit erheblicher invalidisierender Spinalkanalstenose, 2 Fälle mit einer lebensbedrohlichen anderweitigen Erkrankung, die keinen Bezug zur Prothese hatte, 9 Patienten wollen nicht mehr weiter an der Studie teilnehmen, ein Patient starb und 22 Patienten nahmen aus unbekannten Gründen nicht mehr an der Studie teil.

Bei allen Patienten wurde eine digitale präoperative Planung mit der mediCAD-Software durchgeführt. Bei dem Minihip-Schaft handelte es sich hierbei um einen Titanschaft (Ti-6Al-4V) mit einer Oberfläche aus Hydroxylapatit. Das distale Ende der Prothese ist poliert, sodass dieser Bereich nicht knöchern integriert wird, um Oberschenkelschmerzen zu reduzieren (Abb. 3). Die Prothese ist in 9 verschiedenen Größen verfügbar. Im Rahmen der Studie zeigte sich ein gewisser Rechts-Shift der verwendeten Prothesengrößen (Abb. 4).

Im Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss wurden alle Operationen in Rückenlage über einen anterolateralen minimal invasiven Zugang (ALMI) durchgeführt [17]. Im Münchener OrthoCentrum wurden zwei verschiedene Zugänge verwendet. Bei den ersten 60 Patienten wurde ein ALMI-ähnlicher Zugang verwendet [25, 28]. Bei 18 Patienten erfolgte ein lateraler Zugang [3].

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