Übersichtsarbeiten - OUP 06/2020
Langzeitergebnisse mit einer schenkelhalsteilerhaltenden Kurzschaftprothese (MiniHip, Corin)
Die Minihip-Prothese wurde erstmals im Jahr 2008 implantiert [18]. Der Schaft wurde entwickelt, um bei partiell erhaltenem Schenkelhals einen guten fit and fill zu erhalten. Die Kompression der metadiaphysialen Spongiosa (primäres impaction grafting) mit Hilfe der speziell entwickelten Impaktoren erlaubt eine gute Primärstabilität. Eine kortikale Abstützung ist weniger am Calcar unter der lateralen Corticalis intendiert als vielmehr im Sinne PAP-Fixation (posterior-anterior-posterioren Fixation) in der axialen Ebene [5, 7, 16, 18].
Die klinischen und radiologischen Ergebnisse des beschichteten Schaftes zeigen eine gute Primärstabilität [8]. Die zusätzliche Oberflächenbehandlung stellt einen weiteren osteokonduktiven Faktor dar, der für eine rasche Sekundärstabilität sorgt [8].
All diese Faktoren der schenkelhalsteilerhaltenden Minihip-Prothese stellen eine gute Grundlage für zu erwartende mittel- und langfristige klinische Ergebnisse dar. Bislang wurden in der Mehrzahl jedoch lediglich kurz- und mittelfristige Ergebnisse bei Kurzschaftprothesen publiziert [14, 16, 19, 32, 35].
Die Mehrzahl der Studien, beispielsweise im Review-Artikel von van Oldenrijk et al.[35] hatten eine Nachuntersuchungszeit von weniger als fünf Jahren. Von den 49 Studien über 19 Kurzschaftprothesen konnten mittelfristige Ergebnisse von der Mayo-Prothese (Zimmer Inc., Warsaw, USA), Metha-Prothese (B. Braun Aesculap, Tuttlingen, Germany) und der CFP-Schaft (Collum Femoris Preserving, Waldemar Link GmbH, Hamburg, Germany) dargestellt werden. Insgesamt ist der Datenpool bei Kurzschaftprothesen trotz zunehmenden klinischen Interesses aus wissenschaftlicher Sicht noch sehr gering ausgeprägt und es existieren kaum Langzeitstudien zu diesen Prothesentypen. In einer früheren Studie konnte die 5-Jahres-Überlebensrate der Minihip-Prothese mit 98,16 % dargestellt werden.
Dettmer et al. [10] berichteten über eine Überlebensrate von 97,26 % nach 18 Monaten. Teoh et al. [34] zeigten in einer Serie von 239 Patienten nach einer mittleren Nachuntersuchungszeit von 37 Monaten eine mittlere Überlebensrate von 99,3 %. Diese guten, kurzfristigen Ergebnisse waren durchaus ermutigend.
In der vorliegenden Untersuchung liegt erstmals eine langfristige Nachuntersuchung der schenkelhalsteilerhaltenden Minihip-Prothese vor mit einem Untersuchungszeitraum zwischen 9 und 10 Jahren (113 Monaten). Die schaftbezogenen Komplikationen fanden sich nur in 2 von 186 Implantaten mit einer Subsidence von 12 bzw. 14 mm, die eine Revision notwendig machten (Abb. 4). Beide Patienten klagten über einen klinisch relevanten Oberschenkelschmerz. Erwähnenswert ist, dass beide Revisionen innerhalb des ersten Jahres erfolgten. Ein weiterer Fall mit einer Subsidence von 6 mm war radiologisch auffällig, klinisch jedoch völlig asymptomatisch und eine Revision erfolgte hier nicht. Auch dieser Fall lag in den ersten 12 Monaten. Während der weiteren Nachuntersuchungsphase fanden sich auch radiologisch keinerlei Hinweise auf Lockerungen oder sonstige ossäre Reaktionen. Bis zum jetzigen 9 –10 Jahre Follow-up erfolgten keine weiteren Revisionsoperationen.
Es ergibt sich somit eine Überlebensrate für diesen Zeitraum für den Minihip-Schaft von 98,66 %. Diese Revisionsrate ist durchaus vergleichbar mit Daten zur Monoblock Metha-Prothese [32]. Die totale Revisionsrate bei dieser Prothese betrug nach einem 7-jährigen Follow-up 1 %, 0,5 % wurde revidiert wegen aseptischer Lockerung und 0,4 % wegen einer Femurfraktur im postoperativen Nachuntersuchungszeitraum. Anders verhält es sich für die modulare Version der Metha-Prothese. Hier war die Revisionsrate 9,4 % für die Prothese mit einem Titanhals und 4,6 % mit einem Chrom-Kobalthals [32]. Aufgrund der relativ hohen Revisionsrate wurde die Metha-Prothese in der Folgezeit überwiegend nur noch als Monoblock-Prothese verwendet. Dies ist durchaus auch ein Argument für unser Top-down Konzept, mit welchem wir ohne Modularität oder einer großen Vielzahl von Femurgeometrien eine gute Rekonstruktion der individuellen Gelenkgeometrie wiederherstellen können [18]. Ziehen wir die weiteren Revisionen (Exostosenoperationen mit Schaftwechsel und eine septische Lockerung) mit ein, so ergibt sich eine Überlebensrate nach 9 – 10 Jahren für die Minihip von 97,32 %. Dies ist durchaus ein hervorragender Wert im Vergleich zu anderen, auch konventionellen, zementfreien Schaftsystemen.
Wir konnten anhand unserer Daten klinisch auch ein hervorragendes Ergebnis mit einer hochsignifikanten Verbesserung im OHS- und HOOS-Score nachweisen, welches sich innerhalb der ersten 12 Monate etablierte und dann konstant blieb. Auch anhand der radiologischen Langzeitergebnisse ist nicht zu erwarten, dass sich ein klinisch relevantes Stress-shielding ergibt. Die radiologischen Auffälligkeiten im Bereich der Prothesenspitze der Minihip-Prothese liegen in dem hochpolierten Prothesenspitzenbereich. Es war intendiert, diesen nicht einwachsen zu lassen, um ein Stress-shielding bei distalem Einwachsen zu vermeiden. Dieses Konzept scheint sich aufgrund der vorliegenden Röntgendaten im langfristigen Verlauf zu bestätigen.
Bei anderen zementfreien Prothesensystemen wie beispielsweise dem CLS-Spotorno-Schaft (Zimmer, USA) finden sich distal knöcherne Hypertrophien oder Knochenappositionen im Bereich der distalen Grünzonen mit einhergehendem Knochenverlust im proximalen Prothesenbereich mit einer Inzidenz von bis zu 53 % innerhalb der ersten Zeit bis 4 Jahre [29]. Der Hipstar-Schaft (Stryker, Duisburg, Deutschland) und der Zweymüller-Schaft (SL PLUS-Orthopedics AG, Rotkreuz, Schweiz) zeigen vergleichbare Veränderungen bereits ein Jahr nach der Implantation in 60 bis 87 % der Fälle [4]. Diese Befunde legen eine relativ unphysiologische Belastung im distalen Schaftbereich mit proximalen Stress-shielding nahe. Konsequenterweise wird bei diesen Schäften mit einer proximalen Knochenresorption gerechnet [4]. Die radiologischen Veränderungen in unterschiedlichen Grünzonen wurden auch in DEXA-Studien dokumentiert [13, 22].