Übersichtsarbeiten - OUP 04/2025

Lisfranc-Verletzungen
Im Spektrum zwischen subtilen Läsionen undverheerenden Befunden

Lisfranc-Verletzungen stellen aufgrund ihrer komplexen Anatomie und variablen klinischen Präsentation eine diagnostische Herausforderung dar. Die initiale klinische Diagnostik beginnt daher mit einer genauen Anamnese, einschließlich Unfallmechanismus (s.o.). Erste Hinweise für eine mögliche Verletzung der Lisfranc-Gelenklinie können Schmerzen im Mittelfuß, Schwellung und/oder ein plantares Hämatom (plantare Ekchymose) sein. Bereits diese Zeichen sollten die Aufmerksamkeit des Untersuchers wecken, damit insbesondere subtile Verletzungen, welche sich häufig als rein ligamentär präsentieren [11], nicht übersehen werden [12].

Patientinnen und Patienten, welche sich verspätet mit persistierenden Schmerzen im Mittelfuß bei passendem Trauma vorstellen, sollten hinsichtlich einer möglicherweise übersehenen Lisfranc-Verletzung untersucht werden. In diesen Fällen kann eine knöcherne Prominenz über dem medialen Anteil des ersten TMT-Gelenkes auftreten, welches als Folge einer Subluxation des Gelenkes entsteht und als „Jut Sign“ bezeichnet wird [13].

Während beim Niedrigenergietrauma somit überwiegend der mediale Anteil des Mittelfußes betroffen ist, zeigt sich beim Polytrauma häufig eine Verletzung des lateralen Strahls sowie begleitende Frakturen insbesondere des Os naviculare und Os cuboideum. Im Falle eines Hochrasanztraumas sollte außerdem unbedingt auf ein vorliegendes oder drohendes Kompartmentsyndrom geachtet werden [14].

Hinsichtlich der apparativen Diagnostik ist es sinnvoll, sich den Fuß in 3 Säulen einzuteilen, um mögliche Lisfranc-Verletzungen adäquat beurteilen und interpretieren zu können: Die mediale Säule wird aus dem Metatarsale I-Knochen, dem Os cuneiforme mediale und dem Os naviculare gebildet, die mittlere Säule aus den Metatarsale II- und III-Knochen, dem Os cuneiforme laterale und dem Os cuneiforme intermedius sowie dem Os naviculare. Diese beiden Säulen gelten als sehr rigide und stabilisieren den Mittelfuß während des Gehens. Die laterale Säule hingegen, welche sich aus den Metatarsale IV- und V-Knochen sowie dem Os cuboideum bildet, ist flexibler und lässt mehr dynamische Bewegungen in allen Ebenen zu, um eine Adaption des Fußes insbesondere auf unebenem Grund zu ermöglichen.

Im belasteten anterior-posterioren (a.-p.) Röntgenbild sollte der mediale Teil der Metatarsale II-Basis mit dem medialen Teil des Os cuneiforme intermedius harmonieren und gleichzeitig der mediale Teil der Metatarsale IV-Basis im schrägen Röntgenbild symmetrisch zum medialen Teil des Os cuboideum stehen. Im belasteten seitlichen Röntgenbild sollten die Basen der Metatarsalia ein harmonisches Alignment mit dem entsprechenden Os cuneiforme bilden.

Zu Beginn der apparativen Diagnostik sollten zunächst unbelastete konventionelle Röntgenbilder in 3 Ebenen angefertigt werden (a.p., 30°-Innendrehung und seitlich). Ein verbreiteter Abstand zwischen dem medialen Os cuneiforme sowie der Basis des Metatarsale II-Knochens oder das sog. „Fleck Sign“, welches einen knöchernen Ausriss des Lisfranc-Ligamentes darstellt und als pathologisch gewertet werden muss [15], können in diesen Aufnahmen Zeichen einer Verletzung der Lisfranc-Gelenkreihe sein.

Da in der initialen Bildgebung jedoch Verletzungen übersehen werden können, sollte die Diagnostik bei persistierenden Beschwerden um belastete Röntgenaufnahmen beider Füße, sofern die Schmerzen der Patientin bzw. des Patienten es zulassen, ergänzt werden [3, 16].

Eine Differenz im Seitenvergleich oder ein Abstand größer als 2 mm zwischen der Basis des Metatarsale II-Knochens und dem Os cuneiforme mediale weist dabei mit hoher Spezifität auf eine ligamentäre Instabilität hin (Abb. 1). Eine Abflachung des Längsgewölbes im belasteten lateralen Röntgenbild kann ebenfalls Zeichen einer Lisfranc-Verletzung sein (Abb. 2) [17].

Sollten belastete Röntgenaufnahmen aufgrund von Schmerzen nicht möglich sein oder trotz unauffälliger Darstellung weiterhin Beschwerden bestehen, ist eine Schnittbildgebung in Form einer Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) zu ergänzen. Die CT ist hilfreich, um okkulte Frakturen, Gelenkinkongruenzen und somit subtile Subluxationen, welche in den belasteten Röntgenaufnahmen übersehen werden können, zu detektieren. Darüber hinaus wird die CT beim hochenergetischen Trauma empfohlen, um relevante Begleitfrakturen zu diagnostizieren und hieraus ggf. eine therapeutische Konsequenz abzuleiten [18].

Eine ergänzende MRT sollte bei unauffälliger vorhergehender Diagnostik (inkl. unauffälliger CT- Darstellung) und klinisch weiterhin bestehendem Verdacht auf eine Lisfranc-Verletzung ergänzt werden. Sie ist Mittel der Wahl, um subtile Lisfranc-Verletzung zu detektieren [18].

Stressaufnahmen unter Regionalanästhesie stellen ein Relikt der Vergangenheit dar und haben aufgrund der breiten Verfügbarkeit von CT und MRT heutzutage keinen Stellenwert in der primären Diagnostik der Lisfranc-Verletzungen mehr.

Ein differenzierter Algorithmus zur Diagnostik von Lisfranc-Verletzungen ist in Abb. 3 dargestellt.

Therapie

Konservative Therapie

Patientinnen oder Patienten mit nicht-dislozierten Verletzungen, intakter Gelenkfläche und einem Abstand von weniger als 2 mm zwischen der Basis des Metatarsale II-Knochens und dem Os cuneiforme mediale in der belasteten a.p.-Röntgenaufnahme können konservativ behandelt werden [19]. Verschiedene Autorinnen und Autoren empfehlen eine Ruhigstellung in einem Cast für mindestens 6 Wochen, wobei die Empfehlung bezüglich der Belastung je nach Autor variiert, von 6 Wochen Entlastung im Cast bis hin zur Vollbelastung im Cast [20, 21]. Wird eine konservative Therapie eingeleitet, sollten jedoch engmaschige radiologische Verlaufskontrollen zum Ausschluss sekundärer Dislokationen durchgeführt werden [2].

Operative Therapie

Je nach Schweregrad, Dislokationsgrad, Weichteildefekt sowie ligamentärer und ossärer Beteiligungen existieren unterschiedliche operative Verfahren.

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