Übersichtsarbeiten - OUP 04/2025

Lisfranc-Verletzungen
Im Spektrum zwischen subtilen Läsionen undverheerenden Befunden

Perkutane Fixation

Bei subtilen Verletzungen mit geringer Dislokation ohne intraartikuläre Beteiligung als Folge eines niedrigenergetischen Traumas ohne eine begleitende Instabilität der lateralen Säule ist eine geschlossene Reposition und Fixation mittels perkutaner Schraube möglich [22, 23]. Voraussetzung hierfür ist die anatomische Reposition durch perkutane Repositionsverfahren. Diese sog. „Lisfranc-Schraube“ wird entweder retrograd oder anterograd eingebracht und fixiert die Basis des Metatarsale 2-Knochens mit dem Os cuneiforme mediale [23, 24]. Verschiedene Autorinnen und Autoren publizierten zufriedenstellende Ergebnisse hinsichtlich der Funktion, jedoch immer unter der Voraussetzung, dass eine anatomische Reposition erzielt wurde [2]. Dennoch fehlt es an prospektiven Studien und Level I-Empfehlungen zu diesem Verfahren.

Nach Hochrasanztrauma mit kritischen Weichteilverhältnissen oder instabiler Patientin/instabilem Patienten kann initial eine geschlossene Reposition und Retention mit perkutan eingebrachten Kirschnerdrähten erfolgen (Abb. 4) [5].

Offene Reposition und interne Fixation (ORIF)

Liegen dislozierte, komplexere Verletzungen mit artikulärer Beteiligung vor, gilt die offene Reposition und interne Fixation als Goldstandard [25, 26]. Neben dem traditionellen doppelten longitudinalen Zugang [27] hat ein einzelner, etwas ausgedehnterer longitudinaler Zugang unmittelbar über dem Metatarsale II-Knochen bei gleichem Risikoprofil (insb. Weichteiltrauma und Wundheilungsstörungen) den Vorteil, dass die Lisfranc-Gelenklinie im Gesamten dargestellt werden kann [28]. Unterschiedliche Meinungen bestehen jedoch hinsichtlich des Implantates. Je nach Morphologie der Verletzung können sowohl transartikuläre Schrauben, Kirschnerdrähte, dorsale Überbrückungsplatten (bridge plating) als auch eine Kombination verschiedener Verfahren zum Einsatz kommen (Abb. 4) [2, 29].

Die transartikuläre Schraube ist kostengünstiger und führt zu weniger Irritationen, kann jedoch zu intraartikulären Knorpelläsionen führen. Die dorsale Plattenosteosynthese wird dagegen extraartikulär fixiert und bietet womöglich eine etwas bessere Fixierung der Fragmente, benötigt jedoch einen ausgedehnteren Zugang mit den damit verbundenen Risiken. Auf die Plattenosteosynthese folgt außerdem in vielen Fällen die Entfernung des Materials im Verlauf, um physiologische Verhältnisse wiederherzustellen und den Bruch des Implantates zu vermeiden [2].

Eindeutige Evidenz hinsichtlich der Überlegenheit eines Verfahrens gegenüber den anderen, bezogen auf Komplikationsraten, das Entwickeln einer sekundären Arthrose, Patientenzufriedenheit oder notwendige Implantatentfernungen fehlt jedoch aufgrund primär retrospektiver Single-Center-Studien. Klarheit besteht jedoch in einer vergleichbaren Stabilität beider Implantate sowie in der Notwendigkeit der anatomischen Reposition als Grundvoraussetzung für zufriedenstellende Ergebnisse. Schlechtere Langzeitergebnissen hinsichtlich Funktion, Patientenzufriedenheit und sekundärer Arthrose konnten außerdem beim Anwenden einer Kombination von transartikulärer Schraubenosteosynthese und Überbrückungsplatten nachgewiesen werden [30, 31].

Flexible Fixierungssysteme

Flexible Systeme wie Suture-Button-Implantate bieten eine dynamische Stabilisierung und gewährleisten somit Restbewegung im Gelenk ohne Notwendigkeit einer Implantatentfernung. Aktuell kommen sie bei rein ligamentären Verletzungen zum Einsatz. Für eine Stabilisierung des ersten Tarsometatarsalgelenkes sind diese Implantate jedoch nicht vorgesehen. Verschiedene Studien konnten keinen Nachteil hinsichtlich der Stabilität der Systeme verglichen mit starren Implantaten zeigen, jedoch eine Überlegenheit hinsichtlich Funktion und Patientenzufriedenheit im kurzfristigen Verlauf [32–34]. Aufgrund einer möglicherweise verminderten Verankerungsqualität bei herabgesetzter Knochenfestigkeit ist die Indikation jedoch auf rein ligamentäre Verletzungen beim jungen Patientinnen und Patienten limitiert [2].

Primäre Arthrodese vs.
interne Fixation

Während die Arthrodese lange als „Salvage Procedure“ bei verspäteter Diagnosestellung oder Versagen der initialen Therapie galt [35], gewinnt sie in der Versorgung der Lisfranc-Verletzung bei rein ligamentärer Verletzung spezieller Patientenkollektive oder schwerer Gelenkbeteiligung zunehmend als primäres Verfahren an Bedeutung. So konnte in einem systematischen Review aus 2021 eine funktionelle Überlegenheit der primären Arthrodese im Vergleich zur ORIF gezeigt werden, jedoch vor dem Hintergrund der Analyse überwiegend retrospektiver Studien [36]. Eine genaue Differenzierung hinsichtlich Verletzungstyp, Traumamechanismus oder Implantatwahl konnte aufgrund der geringen Evidenz ebenfalls nicht vorgenommen werden. Auch hier fehlt es an prospektiv-randomisierten multizentrischen Studien.

Ein differenzierter Algorithmus zur Therapie von Lisfranc-Verletzungen ist in Abb. 3 dargestellt.

Outcome und Prognose

Die Langzeitprognose von Lisfranc-Verletzungen hängt maßgeblich von der frühzeitigen Diagnosesicherung und einer anatomischen Reposition im Falle der operativen Therapie ab. Dagegen führt die verzögerte Diagnose, das Unterschätzen der Verletzungsschwere, eine fehlende anatomische Reposition bei operativer Stabilisierung, eine unpassende Implantatwahl sowie die Pseudarthrose zu einem schlechten Outcome [2]. In all diesen Fällen gilt die Arthrodese als verlässliche „Salvage Procedure“ [35]. Studien zeigen als Langzeitergebnisse radiologische Arthrosezeichen in bis zu 72 %, wobei nur ca. die Hälfte der Betroffenen symptomatisch sind [37]. Die Indikation zur sekundären Arthrodese sollte somit nicht anhand der radiologischen Befunde, sondern vor allem abhängig von den individuellen Symptomen gestellt werden.

In dem sehr häufig jungen Patientenkollektiv konnte eine kürzlich veröffentlichten Meta-Analyse abhängig von Verletzungsschwere und Therapie eine Rückkehr zur sportlichen Aktivität in bis zu 94 % zeigen [38]. Demgegenüber stehen sozioökonomische Folgen der häufig schwerwiegenden Verletzungen. So zeigen Studien eine Änderung des Berufslebens inkl. einer Arbeitsunfähigkeit als Folge des Unfalls in bis zu 30 % der Betroffenen – insbesondere aufgrund einer verzögerten Diagnosestellung [39].

Zusammenfassung

Lisfranc-Verletzungen stellen nach wie vor eine diagnostische und therapeutische Herausforderung in unserem klinischen Alltag dar. Ein hohes Maß an Aufmerksamkeit ist somit Grundvoraussetzung für das Einleiten der adäquaten Therapie. Die exakte Beurteilung von knöchernen sowie ligamentären Verletzungen erfordert eine gezielte klinische Untersuchung in Kombination mit adäquater Bildgebung, einschließlich belasteter Röntgenaufnahmen sowie Schnittbildgebung. Die Therapie richtet sich nach dem Ausmaß der Instabilität und reicht von konservativer Behandlung über perkutane oder offene Fixation bis hin zur primären Arthrodese bei Vorliegen schwerer intraartikulärer Verletzungen.

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