Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Moderne bildgebende Diagnostik der Arthrose im Allgemeinen und der großen Gelenke der unteren Extremität

Uwe Schütz1,2

Zusammenfassung: Das konventionelle Röntgen bzw. die Projektionsradiografie kann als Basisdiagnostikum der Arthrose bezeichnet werden. Ihre methodische Stärke ist die Darstellung ossärer Strukturen, sodass sich die für die fortgeschrittene Arthrose typischen sekundären Knochenveränderungen, v.a. durch Belastungs- und Spezialaufnahmen, besonders gut beurteilen lassen. Aufgrund der heutzutage vielfältigen Möglichkeit einer differenzierten, oft gelenkerhaltenden, konservativen oder operativen therapeutischen und oft auch prophylaktischen Intervention sind zur korrekten Indikationsstellung eine profunde Diagnostik mit eingehender körperlicher Untersuchung und eine spezifische, detaillierte Bildgebung bei Arthrosepatienten wichtig. Daher sollte bei der Arthroseabklärung nicht zu „minimalistisch“ rein röntgenorientiert agiert werden, sondern abhängig von differenzialdiagnostischen und differenzialtherapeutischen Erwägungen die Möglichkeiten einer erweiterten Schnittbildgebung, vorzugsweise die Kernspintomografie (MRT), zur zusätzlichen Informationsgewinnung bedacht und auch regelhaft angewandt werden. Die MRT kann aufgrund ihrer mannigfaltigen Vorteile in der Gewebedifferenzierung und Detaildarstellung und ihrer progredienten Innovation (z.B. auch im Bereich der funktionellen bzw. biochemischen Knorpelbildgebung) relevante Zusatz- und Detailinformationen liefern, welche sie in der Früh-, Art- und Aktivitätsdiagnostik der Arthrose im Rahmen der fortschreitenden Differenzierungen v.a. hinsichtlich der gelenkerhaltenden Arthrosetherapie und -prophylaxe zunehmend unverzichtbar erscheinen lassen. Eine adäquate Bildgebung ist gerade bei Arthrosen und Präarthrosen wesentlich, um Diagnosen zu sichern, die Prognose abzuschätzen und die optimalen Therapiewege differenziert und spezifisch planen zu können. Hierfür stehen als wesentliche ärztliche Werkzeuge im klinischen Alltag das Röntgen, die MRT, die Computertomografie, neuerdings auch die digitale Volumentomografie (DVT) und die Sonografie zur Verfügung. In dieser Übersichtsarbeit werden die Wertigkeiten dieser Modalitäten in der Diagnostik der Arthrose im Allgemeinen und im Speziellen diskutiert.

Schlüsselwörter: Arthrose, Arthritis, Gelenk, Knorpel,
Röntgen, Projektionsradiografie, Computertomografie, CT,
Kernspintomografie, Magnetresonanztomografie, MRT, DVT, CBCT, Sonografie, Ultraschall

Zitierweise
Schütz U: Moderne bildgebende Diagnostik der Arthrose im
Allgemeinen und der großen Gelenke der unteren Extremität.
OUP 2018; 7: 349–365 DOI 10.3238/oup.2018.0349–0365

Summary: Conventional X-ray or projection radiography can be described as a basic diagnostic of osteoarthritis (OA). Its methodological strength is the presentation of bony structures, so the secondary bone changes typical for advanced OA can be well assessed, especially when using weight-loading imaging and special projections. Due to today‘s diverse possibility of a differentiated, often joint preserving, conservative or operative therapeutic and often also prophylactic intervention, a profound diagnosis with targeted physical examination and a specific, detailed imaging in OA patients is important for the correct indication finding. Therefore, the diagnosis of OA should not be based on „minimalistic“ radiographic orientation, but depending on differential diagnostic and therapeutic considerations, the possibilities of extended sectional imaging, preferably magnetic resonance imaging (MRI), should be considered for additional information acquisition and be applied regularly.

Due to its manifold advantages in tissue differentiation and detail imaging and its progressive innovation, for example in the field of functional or biochemical cartilage imaging, MRI is able to provide relevant additional and detailed information, which can be used in the early, type and activity diagnostics of OA in the context of progressive differentiation, especially with regard to joint-preserving arthritis therapy and prophylaxis, and therefore appears increasingly indispensable. Adequate imaging is essential for OA and pre-arthrosis in order to ensure diagnosis, estimate the prognosis and to be able to differentiate and specifically plan the optimal treatment pathways. X-ray, MRI, computed tomography, and more recently also cone beam CT (CBCT) and ultrasound are available as essential medical tools in everyday clinical practice. In this review, the valences of these modalities in the diagnosis of OA in general and in particular are discussed.

Keywords: osteoarthritis, OA, joint, cartilage, X-ray, projection radiography, computed tomography, CT, magnet resonance
imaging, MRI, sonography, CBCT

Citation
Schütz U: Modern diagnostic imaging of osteoarthritis in general and of the large joints of the lower extremity.
OUP 2018; 7: 349–365 DOI 10.3238/oup.2018.0349–0365

1 Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Ulm

2 Orthopädie und Schmerzmedizin am Grünen Turm, Ravensburg

Einleitung

Für die „Arthrosis deformans“ (griech. arthron „Gelenk“, lat. deformare „verstümmeln“) hat sich im deutschsprachigen Raum weitgehend der Kurzbegriff „Arthrose“ für den degenerativen bzw. posttraumatischen Gelenkverschleiß durchgesetzt. Im angloamerikanischen Sprachraum hingegen wird das Krankheitsbild, unabhängig von seiner Ursache, generell als „Osteoarthritis“ (OA) bezeichnet und wird dadurch mehr der Tatsache gerecht, dass die phasenweise verlaufende Gelenkdegeneration relevant durch entzündliche Schübe gekennzeichnet ist. Im Folgenden wird die Arthrose mit OA (für Osteoarthrose) abgekürzt.

Epidemiologie

Die OA hat in Deutschland aufgrund ihrer hohen Prävalenz (Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2012“, www.rki.de/geda: 23,8 %) eine gewichtige sozialmedizinische Bedeutung. In einem Befragungssurvey des RKI („Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“, 2012, DEGS1) gaben 20,2 % aller Befragten zwischen 18 und 79 Jahren an, jemals eine ärztlich diagnostizierte OA gehabt zu haben (Frauen 22,3 %, Männer 18,1 %) [102, 106]. Die am häufigsten vorkommende altersbedingte OA zeigt jedoch klinisch und radiologisch eine deutlich unterschiedliche Prävalenz [102]. Die Prävalenzen einer radiografischen OA steigen bis zum 80. Lebensjahr bei männlichen Probanden auf 33 %, bei weiblichen auf 53 % an [106].

Klinische Einteilung

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