Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Moderne bildgebende Diagnostik der Arthrose im Allgemeinen und der großen Gelenke der unteren Extremität

Eine weitere Perspektive zur Verbesserung der MRT-Bildgebung des Gelenkknorpels könnten höhere Feldstärken sein, klinisch im 3-Tesla-Bereich (3T), da sie sich gegenüber niedrigeren Feldstärken durch eine höhere Signalausbeute auszeichnen [108]. In Studien mit gesunden Probanden wurden sowohl für quantitative Parameter wie die Dicken- und Volumenmessung des Gelenkknorpels als auch für qualitative Parameter, wie das Signal-Rausch- und Kontrast-Rausch-Verhältnis, gute Ergebnisse am 3T-MRT nachgewiesen [26, 33]. Vergleichende experimentelle Untersuchungen an einer 1,5- und 3T-MRT an Schaf- und an Schweinekniegelenken zeigten am 3T-MRT bei sämtlichen MRT-Sequenzen höhere Detektionsraten für die Diagnostik iatrogener Knorpelschäden [71, 109]. Klinische Studien zur 3T-MRT zeigen für die Diagnostik unterschiedlicher Schweregrade von Knorpelschäden vergleichsweise gute diagnostische Werte mit Sensitivitäten von bis zu 91 % [53, 54, 55, 133, 142]. Jedoch beziehen sich diese Untersuchungen zum diagnostischen Nutzen der MRT vor allem auf traumatische Knorpelschäden, wohingegen der diagnostische Nutzen bei degenerativen Knorpelschäden doch deutlich eingeschränkt ist [134, 135]. Bei Untersuchungen am 3T-MRT, die explizit auf degenerative Knorpelschäden gerichtet waren, liegt die Wahrscheinlichkeit nur zwischen 39–72 %, dass sich bei einem auffälligen MRT-Befund auch arthroskopisch ein exakt entsprechender Schaden findet [136]. Dies zeigt, dass ein dezidiertes Grading von Knorpelschäden auch mit der 3T-MRT nicht mit abschließender Sicherheit möglich ist!

MR-Zusatzbefunde

In diesem Zusammenhang sollte der kaum ersetzbare Nutzen der MRT zur Darstellung weiterer typischer Befunde einer OA wie Knochenmarködemen, Osteophyten, Sklerosezonen, Zysten etc. erwähnt werden (Abb. 5). So zeigen mehrere Studien, dass Osteophyten und Gelenkergüsse im MRT signifikant mit klinischen Befunden wie Schmerzen und Bewegungseinschränkungen des Kniegelenks assoziiert sind [9, 58, 66]. Im Gegensatz zum Röntgen verfügt die MRT über mehrere hochsensitive und hinreichend spezifische Kriterien für den frühzeitigen Nachweis einer akuten Entzündung. Durch Kontrastmittelgaben können zum einen anatomische Gewebedifferenzierungen im Kontrast gesteigert werden, insbesondere aber pathologische Gefäßreaktionen wie z.B. bei Entzündungen als „enhancement“ artdiagnostisch genutzt werden. Demnach ist es durchaus von Interesse, entsprechende Befunde bei der Beurteilung des Patienten einzubeziehen. In verschiedenen epidemiologischen Studien bzw. auch Therapie-Kontrollstudien werden daher heute MRT-Scores verwendet, die eine Gesamtschau aller Befunde im Gelenk umfassen. Die bekanntesten MRT-Scores sind dabei der Whole-Organ Magnetic Resonance Imaging Score (WORMS) and Boston-Leeds Osteoarthritis Knee Score (BLOKS) [91, 40]. Diese schließen alle bei der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse ein. Für die klinische Praxis sind diese sehr aufwendigen Auswertungen jedoch derzeit untauglich. Möglicherweise erlangen diese Scores aber in Zukunft durch digitale Bildanalyse größere Bedeutung.

Sonografie (Ultraschall)

Liegt klinisch und anamnestisch eine akute Aktivierung einer OA mit deutlicher Flüssigkeitsbildung im Gelenk vor, kommt neben der klinischen Symptomeinschätzung und der laborchemischen Diagnostik (klinische Chemie, ggf. Mikrobiologie) der Bildgebung ein wesentlicher Beitrag in der Diagnosestellung zu [128]. Die Sonografie ist indiziert, wenn es um die Erstdifferenzierung einer „unklaren“ Gelenkschwellung geht. Die Trennung solider von flüssigkeitsbedingten Befunden ist hochsensitiv möglich. Die einfache Handhabung und hohe Verfügbarkeit macht die Sonografie [47] in Praxis und Klinik zum ersten orientierenden bildgebenden Verfahren bei der aktivierten OA mit Ergussbildung und/oder Schwellung im Gelenkbereich [11], sie spielt jedoch als Organsonografie in der reinen OA-Abklärung keine Rolle [124]. Die Sonografie hängt bekanntermaßen sehr vom individuellen Erfahrungsstand des Untersuchers ab [47]. Die Artdiagnostik der Entzündungszeichen ist hingegen regelhaft nicht zu führen. Jedoch kann die fokussierte Sonografie einen Verdachtsbefund symptomorientiert erkennen oder ausschließen. Sie ermöglicht, wichtige Befunde (Luxation, Erguss, Synovialitis, Bursitis etc.) in guter diagnostischer Genauigkeit zu erheben, ohne dass eine hochspezialisierte Befähigung vorausgesetzt werden muss. Sie kann jedoch die Röntgenuntersuchung zur OA-Abklärung nicht ersetzen, aber in bestimmten Fällen eine dann unnötige additive MRT-Untersuchung einsparen helfen. So sollte z.B. zum Nachweis einer Bakerzyste keine MRT erforderlich werden, es sei denn, dass die intraartikuläre Pathologie mit abgeklärt werden muss.

Bildgebung bei Koxarthrose

Die Koxarthrose ist die am häufigsten vorkommende nicht-traumatische Erkrankung des Hüftgelenks, die in Deutschland zur Versorgung von mehr als 200.000 Patienten jährlich mit einer Hüft-Totalendoprothese (TEP) führt [125]. Auffällig ist bisweilen eine Diskrepanz zwischen radiologischem Befund und Klinik. So können Patienten mit ausgeprägten radiologischen Veränderungen nur milde Symptome haben und Patienten mit leichten Röntgenbefunden über starke Schmerzen klagen. Generell können 2 unterschiedliche Formen der Koxarthrose differenziert werden: dDie generalisierte, symmetrische bzw. multifokale Koxarthrose, mit einem gleichmäßigen Knorpelverlust an Femurkopf und/oder Azetabulum mit Dezentrierung des Hüftkopfs und die lokal umschriebene Koxarthrose, welche nur Teilbereiche des Femurkopfs und/oder Azetabulums betrifft.

Hüft-Röntgen

Zur konventionellen Röntgenbildgebung als Arbeitspferd der Koxarthrose-Diagnostik zählen die Beckenübersichtsaufnahme im a.p.-Strahlengang im Stehen, eine axiale Aufnahme (Lauenstein, Dunn) zur Beurteilung des Schenkelhalses und im Idealfall eine Faux-Profil-Aufnahme [21]. Im fortgeschrittenen Stadium der generalisierten Koxarthrose ist der Femurkopf walzen- oder pilzförmig deformiert. Mit der Gelenkspalt- bzw. Knorpelverschmälerung verändert der Hüftkopf relativ zur Pfanne seine Position. Die Wanderung des Hüftkopfs erfolgt entweder vorzugsweise nach kranial (kombiniert mit einer anterolateralen oder anteromedialen Bewegung), seltener nach axial oder medial [41]. Im fortgeschrittenen Stadium der fokalen Koxarthrose können neben den typischen Zeichen z.B. beim FAI ebenfalls eine röntgenologische Gelenkspaltreduktion von mehr als 2 mm und andere OA-Zeichen als negativer Prädiktor dargestellt werden. Konventionelle Röntgenaufnahmen des Beckens und der Hüftgelenke in 2 Ebenen unter Belastung können jedoch in den Frühstadien nur erste Hinweise auf die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs aufzeigen.

Becken-CT

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