Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Moderne bildgebende Diagnostik der Arthrose im Allgemeinen und der großen Gelenke der unteren Extremität

Die OA mit dem Befall eines (Monoarthrose) oder mehrerer Gelenke (Polyarthrose) kann unterschiedliche Ursachen haben. Nach heutigem Kenntnisstand ist die OA eine multifaktoriell bedingte degenerative Gelenkerkrankung, die zu einem fortschreitenden Umbau von Gelenkstrukturen führt und mit schmerzhaften Funktionseinschränkungen bis hin zum weitgehenden Funktionsverlust betroffener Gelenke verbunden sein kann. Klinisch werden die „primäre Arthrose“ (bedingt durch zunehmendes Alter und unspezifische Disposition) von den „sekundären Arthroseformen“ unterschieden [34]. Bei der ersteren handelt es sich um eine schrittweise Degeneration des hyalinen Gelenkknorpels im Rahmen des Alterungsprozesses, welche zu einer Dysbalance zwischen belastungsabhängigen katabolen Prozessen und regenerativ-anabolen Prozessen im bzw. zu einem progredienten Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit des Gelenkknorpels führt. Bei der sekundären Arthrose läuft aufgrund einer mehr oder weniger bekannten Ursache der Krankheitsprozess im Vergleich zum „natürlichen Verlauf“ der primären OA beschleunigt bzw. vorzeitig ab.

Ätiopathogenese

Aufgrund der heterogenen Ätiologie der OA ist eine einfache und einheitliche Beschreibung der resultierenden pathophysiologischen und -genetischen Vorgänge im Rahmen der progredienten Schädigung des hyalinen Gelenkknorpels nicht möglich. Ohne vertiefte Kenntnisse über Makro- und Mikroanatomie der osteochondralen Einheit, der biomechanisch-physiologischen Zusammenhänge zwischen Gelenkanatomie und Gelenkfunktion und ohne Verständnis für die Äthiopathogenese der OA mit den zentralen Faktoren (Epi-)Genetik, (bio-)mechanischen Gelenkveränderungen im Verlauf einer OA und der Alterung des Arthrons, metabolische Einflüsse sowie Mechanismen der lokalen Inflammation sind die Voraussetzung zum Verständnis moderner OA-Bildgebung nicht vorhanden bzw. können die klinisch-radiologische Einzelbefunde nicht in ihrer Wertigkeit zum pathophysiologischen Korrelat adäquat eingeschätzt werden. Speziell hinsichtlich der (Patho-)Histologie des hyalinen Gelenkknorpels und der intrachondralen (Patho-)Physiologie und Biochemie als Schlüssel zum Verständnis moderner funktioneller bzw. biochemischer Knorpelbildgebung, wird auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen.

Klinisch-radiologisches Bild

Weitet man die auf 100 % Übereinstimmung basierende Empfehlung der S2k-Leitlinie Gonarthrose [102] auf alle Gelenke aus, und dies zeigt auch die klinisch Praxis im Hinblick auf die möglichen vielzähligen Differenzialdiagnosen, so kann die Diagnose einer OA klinisch nur mit einem bestätigenden bildgebenden Verfahren gestellt werden. Die Bestimmung des Ausmaßes der Gelenkschädigung sollte nach radiologischen Kriterien erfolgen [102]. Diese radiologische Graduierung der Knorpel-/Gelenkschädigung darf jedoch nicht als relevantes Kriterium zur Bestimmung des aktuellen klinischen Schweregrades einer OA im Rahmen der klinischen Behandlungsroutine herangezogen werden. Der klinisch relevante Schweregrad der OA ist eher definiert durch klinische Leitsymptome, welche Schmerzcharakteristik, Funktionsstörung, Ergussbildung, Krepitus und Deformierung sowie deren Einfluss auf ADL und Lebensqualität sind. Es kann mitunter eine erhebliche Diskrepanz zwischen Bildbefunden und Symptomatik bestehen. So fanden Kellgren und Lawrence in der ersten groß angelegten epidemiologisch-radiologischen Studie bei nur 70 % aller Patienten mit deutlicher radiologischer OA auch relevante Beschwerden [51]. Ebenso sind die einzelnen Funktionsstörungen an den verschiedenen Gelenken unterschiedlich ausgeprägt. Ist bei der Gonarthrose die Gonalgie das Leitsymptom, so verursacht die Koxarthrose meist weniger Schmerzen, sondern behindert den Patienten eher durch die Funktionsstörung bei Gehen und Stehen.

Bei anderen Gelenken wiederum können erhebliche Veränderungen im Röntgenbild vorliegen, ohne dass die Patienten unter wesentlichen Schmerzen oder Funktionsstörungen leiden (z.B. Fingerarthrosen oder Hallux rigidus). Bei der Schulter, dem Ellenbogen- und Handgelenk, aber auch bei den Wirbelgelenken spielen der primäre Knorpelschaden bzw. die radiologische OA oftmals eher eine untergeordnete Rolle, hier bestimmen die Pathologien im Bereich der degenerativ veränderten Weichteile (Bänder, Sehnen bzw. der Bandscheiben) die Symptomatik. Aufgrund dieser Unterschiede schlägt auch das American College of Rheumatology (ACR) die Diagnose einer OA nach gelenkspezifisch differenzierten klinisch-radiologische Kriterien vor [115]. Die klinisch-anamnestische Befundlage unter eventueller Heranziehung von multidimensionalen klinisch-wissenschaftlichen Scores, (z.B. Oxford Score [80], Knee-Society-Score [43], WOMAC (Western Ontario and McMaster Universities Index) [99], KOOS: Knee Injury Osteoarthritis Outcome Score [100]) ist daher für die Einschätzung der aktuellen Bedeutung der OA für den einzelnen Patienten entscheidender als radiologische Kriterien. Anders verhält es sich hingegen bei Prognose hinsichtlich eines Gelenkzustands im Arthroseprozess, bei der Begutachtung bzw. auch in der epidemiologischen Forschung zur Ermittlung von Risikofaktoren für die Erkrankungen, hier werden klare und objektive Definitionen benötigt.

Arthrosebildgebung

In der deutschen Orthopädie wird hinsichtlich der OA im Generellen das klassisch-konventionelle Röntgen in 2 Ebenen (Rö: Projektionsradiografie) als primärdiagnostische Maßnahme angesehen, wesentliches Ziel sei die Erhebung des Status quo, was für die OA insofern ebenso gilt [11, 102 ,132]. Die moderne Bildgebung am Bewegungsapparat umfasst heute jedoch die Sonografie (US: Ultraschall), Rö, Röntgen-Fluoroskopie (RF: Durchleuchtung), Computertomografie (CT), Digitale Volumentomografie (DVT, engl.: „cone-beam CT“-CBCT)), Magnetresonanztomografie (MRT), Skelettszintigrafie bis hin zur Positronenemissionstomografie (PET) und den Kombinationsformen moderner Schnittbildgebung (PET-CT, PET-MRT). Vor diesem Hintergrund und aufgrund der heterogenen Ätiologie der Arthrose, der unterschiedlichen Gelenkformen und -lokalitäten mit den resultierenden biomechanisch differenten Einflussfaktoren auf die Arthrose und den konsekutiv multifaktoriell bedingten unterschiedlichen pathogenetischen, klinischen und pathomorphologischen Verlaufs- und Ausprägungsformen ist die modernde bildgebende OA-Diagnostik weitaus differenzierter zu betrachten und zu diskutieren, was sich auch in der umfangreichen und rasch progredienten muskuloskelettal-radiologischen Fachliteratur zur OA-Bildgebung widerspiegelt.

Bisweilen wird die Röntgendiagnostik in Standardeinstellung auch heute noch als Goldstandard der OA-Bildgebung bezeichnet, dies jedoch nur in orthopädisch-unfallchirurgischen Manuskripten [119]. Grundsätzlich hält der Autor diesen „Grundsatz“ jedoch für diskutabel, auch wenn der diesbezüglich relevante, degenerativ bedingte Verschleiß des hyalinen Gelenkknorpels in seiner modernen bildgebenden Darstellung bis heute in der spezifischen radiologischen Literatur hinsichtlich Klassifizierung und Graduierung nicht einheitlich zusammengefasst bzw. etabliert worden ist (s.u.).

Röntgenologische
Beurteilung der OA

Konventionelles Röntgen in 2 Ebenen (Projektionsradiographie)

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