Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024
Moderne prä- und postoperative Rehabilitation vor und nach Knorpeltherapie und PatientenprofilingEin Leitfaden für eine progressive Belastungssteigerung
Multimodales Balancetraining: Ein Balancetraining sollte variabel (auf unterschiedlichen Unterstützungsflächen) und mit visuellen, vestibulären, kognitiven und motorischen Aufgaben abwechslungsreich gestaltet werden. Ein externes Feedback und implizite Lernprozesse können die Adaption positiv beeinflussen. Anpassungserscheinungen sollten durch funktionelle Testverfahren, wie dem Einbeinstandtest oder dem Star Excursion Balance-Test dargestellt werden.
Gangschule: Bei Bedarf unter Abnahme des Körpergewichts, um die mechanische Belastung zu reduzieren. Kinematische Veränderungen können durch Videoaufzeichnungen verifiziert werden.
Gehen ohne Gehstützen sollte nach der notwendigen Entlastungsphase zum Schutz des Regenerates und nach dem Erreichen folgender funktioneller und klinischer Meilensteine freigegeben werden:
Kein Hinkmechanismus (Trendelenburg, Duchenne)
Adäquate Kinematik (insb. Knie- und Hüftextension)
Suffiziente Aktivierung der Schlüsselmuskeln (Quadrizeps, Glutäen)
Keine Irritierbarkeit (Schmerz und Schwellung während bzw. nach der Belastung)
Kontrolle dynamischer
Bewegungsmuster/Ausbildung von Kraftqualitäten
Verletzungen im Sport sind häufig der ursächliche Hintergrund für fokale Knorpelschäden. Die Auslöser sind für das Sprung- und Kniegelenk durch dynamische Bewegungen (z.B. Abstoppen, Richtungswechsel, Landung nach einem Sprung) in Kombination mit kinematischen Abweichungen (z.B. größerer Plantarflexionswinkel bzw. Valgusbeinachse) gekennzeichnet. Erschwerend kommen individuell ausgeprägte neuromuskuläre Veränderungen (z.B. reduzierte oder spätere Aktivierung des M. peronaeus bzw. der ischiokruralen Muskeln) dazu. Bei Kniegelenksverletzungen dominieren in 85 % der Fälle sog. non-contact Verletzungen oder ein indirekter Gegnerkontakt. Traumen des Sprunggelenks sind häufig mit einem direkten Kontakt assoziiert [75, 76]. Vor diesem Hintergrund hat es sich etabliert, dass o.g. Bewegungsmuster innerhalb der Rehabilitation trainiert und automatisiert werden sollten [74, 77, 78].
Evidenzbasierte Maßnahmen für die Verbesserung der dynamischen Bewegungskontrolle und der Ausbildung von Kraftqualitäten sind [79, 80]:
Dynamisches Koordinationstraining: Potenziell gefährliche Bewegungsmuster sollten in den Mittelpunkt gestellt werden und mit steigender Anforderung (Dynamik, Antizipation) beübt werden. Der Lernprozess sollte individuell angepasst werden, sich an den Erkenntnissen des motorischen Lernens orientieren (externes Feedback, implizites oder differenzielles Lernen) und den späteren Kontext des Sportlers (Bodenbeschaffenheit, Taktik, Spielerposition, kognitive Belastung) integrieren. Anpassungserscheinungen sollten durch qualitative (Darstellung der Bewegungsqualität durch Video) oder quantitative Testverfahren (Sprungtests in unterschiedlichen Ebenen) dargestellt werden.
Progressives Krafttraining: Die Intensität der Krafttrainingsmethoden sollte im Sinne einer linearen Periodisierung gesteigert und über 6–9 Monate aufrecht erhalten werden und aus geführten und freien Übungen bestehen (Kraftausdauer – Hypertrophie – intramuskuläre Koordination – Schnell- und Reaktivkraft). Anpassungserscheinungen sollten durch apparative Messungen (Dynamometrie) oder pragmatische Tests über ein Wiederholungsmaximum erhoben werden.
Return to sport, Return to play, Return to competition
Die Rückkehr in den Sport stellt ein Kontinuum mit ansteigender Anforderung und Intensität dar. Die Freigabe sollte grundsätzlich zeit- und kriterienbasiert erfolgen. Allerdings stehen für einzelne Funktionen (z.B. Return to running) oder Stufen (z.B. Return to play) in diesem Prozess bis heute keine validen Kriterien zur Verfügung. Entscheidungen sollten daher innerhalb eines shared decision-Prozesses vom therapeutischen Team und den Athletinnen und Athleten auf einer individuellen Basis getroffen werden. Einigkeit besteht darüber, dass eine uneingeschränkte Partizipation nur bei einer weit fortgeschrittenen Heilung, einer guten neuromuskulären Funktion und ohne Ängste erfolgen soll [36, 81].
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
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www.online-oup.de.
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