Übersichtsarbeiten - OUP 04/2020

Multimodale Therapie bei chronischer Lumbago
Gemeinsam sind wir stärker!

Tobias Heck, Elena Boebel, Michael Fritz

Zusammenfassung:
Chronische Lumbago ist im täglichen Patientengut ein sehr häufiges Krankheitsbild und führt nicht selten zu starken Alltagseinschränkungen der Patienten sowie zu hohen Kosten im Sozialsystem. Die zur Verfügung stehenden medikamentösen und interventionellen Therapien alleine weisen oftmals einen nur limitierten Effekt auf, weil es sich beim Krankheitsbild der chronischen Lumbago in der Regel nicht um eine monokausale Erkrankung handelt, sondern ein Syndrom mit organischen und psychischen Anteilen vorliegt. Um diesem vielschichtigen Krankheitsbild gerecht zu werden, werden interdisziplinäre und integrierte Therapien benötigt. Insbesondere bevor bei dieser Patientengruppe eine operative Maßnahme in Betracht gezogen wird, sollten konservative Maßnahmen einschließlich einer multimodalen Schmerztherapie erfolgt sein.

Schlüsselwörter:
Schmerztherapie, chronische Schmerzen, Rückenschmerz, unspezifische Lumbago, Kreuzschmerz, multimodale Schmerztherapie, Schmerzpsychologie

Zitierweise:
Heck T, Boebel E, Fritz M: Multimodale Therapie bei chronischer Lumbago.
OUP 2020; 9: 256–263 DOI 10.3238/oup.2020.0256–0263

Summary: Chronic lower back pain is a very commonly seen affliction in our everyday patients, often associated with significant disability in daily activities, as well as high social costs. Available pharmacological and interventional therapies (as monotherapy) lead more often than not to only limited results. The reasons behind this concern the etiological ramifications of lower back pain, which should not be approached as a monocausal disease, but rather as complex syndrome of organic and psychological elements requiring integrative and interdisciplinary treatment. Before considering surgery, the patients should undergo an interdisciplinary multimodal pain therapy.

Keywords: pain therapy, chronic pain, back pain, unspecific lower back pain, multimodal pain therapy, pain psychotherapy

Citation: Heck T, Boebel E, Fritz M: Multimodal management of chronic lower back pain.
OUP 2020; 9: 256–263 DOI 10.3238/oup.2020.0256–0263

Michael Fritz: SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, Abteilung Schmerztherapie

Elena Boebel: SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, Abteilung Schmerzpsychologie

Tobias Heck: SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, Abteilung Neurologie

Einleitung

Chronische Lumbago ist mit einer Inzidenz von 10 % in Deutschland häufig, führt oft zu starken Alltagseinschränkungen und geht mit hohen Kosten für das Sozialsystem einher [56].

Zur Differenzierung unspezifischer und spezifischer Rückenschmerzen wurde die „diagnostische Triage“ mit „roten und gelben Flaggen“ etabliert. Diese „Flaggen“ sind Warnzeichen aus der körperlichen Untersuchung und der Anamnese. Die „roten Flaggen“ sprechen hierbei für eine spezifische Schmerzursache und sollten zu schneller (ggf. notfallmäßiger) Diagnostik veranlassen. Die gelben Flaggen hingegen zeigen mehr Zusammenhang mit der Chronifizierung als mit somatischen Faktoren (siehe unten) [14]. Es wurde verschiedentlich gezeigt, dass eine höhere statistische Korrelation zwischen chronischen Rückenschmerzen und Depression besteht als zu spezifischen bildgebenden Veränderungen im MRT [30]. Zwar sind die unterschiedlichen bildgebenden Veränderungen mit Schmerzen statistisch assoziiert, es kann aber in umgekehrter Richtung nicht direkt von einer bildgebenden Pathologie auf die Schmerzursache rückgeschlossen werden [15]. Diese Tatsachen machen deutlich, dass es sich im Fall von chronischen Rückenschmerzen um eine polykausale Genese handelt, welche die Notwendigkeit einer interdisziplinären Behandlung nach sich zieht. Konservative interdisziplinäre Maßnahmen sollten entsprechend aktueller Leitlinien vor operativen Verfahren ausgeschöpft werden. [52]. Hierzu gehören unbedingt eine interdisziplinäre Abklärung und Therapie, wobei multimodale Konzepte sehr gute Ergebnisse liefern [71].

Wir möchten hier eine Übersicht über verschiedene Optionen einer konservativen Behandlung geben, ohne jedoch in diesem Rahmen eine abschließende allumfassende Empfehlung geben zu können.

Medikamentöse Behandlung

Das WHO Stufenschema ist auf die Behandlung chronischer Nicht-Tumor Schmerzen kaum übertragbar, unter anderem weil sich mit zunehmender Chronifizierung die zentrale Repräsentation in den Hirnarealen von nozizeptiven hin zu emotionalen Zentren verschiebt [22] und somit wesentlich komplexere Vorgänge bestehen als bei einer eher linearen Progression einer Tumorerkrankung [70].

Insgesamt gibt es für eine längerfristige medikamentöse Behandlung bei chronischer Lumbago nur einen mäßigen Wirksamkeitsnachweis, es bestehen jedoch relevante Risiken einer Medikation insbesondere bei der Langzeitanwendung [7].

Nicht-Opiat-Analgetika

Eine passagere Wirksamkeit von NSAR bei chronischer Lumbago besteht zweifelsohne [16], sodass diese Präparate zur Behandlung noch am ehesten empfohlen werden [7]. Jedoch weisen sämtliche dieser Präparate diverse, im klinischen Alltag relevante Wechsel- und Nebenwirkungen auf [47]. Beispielhaft zu nennen sind hier die Wechselwirkungen zwischen Ibuprofen mit niedrigdosiertem ASS [5]. Eine Dauerbehandlung mit NSAR wird aufgrund des Nebenwirkungsprofils in der interdisziplinären Leitlinie somit explizit nicht empfohlen. Die Alternative Metamizol stellt ebenfalls nur im Einzelfall und bei Vorliegen von Kontraindikationen und Unverträglichkeiten eine Option dar. Eine Einnahme von Paracetamol hingegen wird aufgrund zu geringer Wirkung und fehlender Evidenzlage nicht empfohlen [7].

Muskelrelaxantien

Es konnte in einer Cochrane Analyse zwar ein kurzzeitiger signifikanter Effekt von Muskelrelaxantien gezeigt werden, was jedoch mit einem deutlich erhöhten Auftreten von Nebenwirkungen verbunden war [65]. Aufgrund des ausgeprägten Nebenwirkungsprofils der zentralen Muskelrelaxantien wird von einer Behandlung bei chronischem, nicht spezifischem Kreuzschmerz abgeraten [7]; allenfalls bei unzureichender Besserung einer akuten Lumbago könnte diese Medikation in Betracht gezogen werden. Die Zulassung dieser Medikamente wurde in den letzten Jahren ohnehin stark eingeschränkt und reguliert. Die bei schmerzhaften Muskelverspannungen am verbreitetsten eingesetzten Präparate haben eine Einschränkung der Behandlungsdauer: Methocarbamol darf 30 Tage, Orphenadrin 1 Woche und Diazepam in dieser Indikation maximal 4 Wochen eingesetzt werden. Andere Präparate wie ?2-Adrenozeptor-Agonisten sind für schmerzhafte Muskelspastik zugelassen, die bei isolierten chronischen Rückenschmerzen ohne Begleiterkrankungen in der Regel nicht vorliegen. Tolperison ist für diese Indikation nicht mehr zugelassen, die Zulassung von Tetrazepam ruht.

Opiate

Bislang konnte bei chronischen Schmerzen im Allgemeinen keine relevante funktionelle Verbesserung durch Opiate erreicht werden [51, 60], wobei keine Studien zur längerfristigen Behandlung (über 1 Jahr) vorliegen [70]. Da es bei chronischen Rückenschmerzen oftmals nur kurzfristig zu einer Linderung durch Opiate kommt, sind Dosissteigerungen (mit dem Risiko einer Abhängigkeit [1]) und andere Nebenwirkungen (u.a. psychiatrisch, immunologisch, endokrinologisch, kardiologisch [8, 70]) nicht selten die Folge [67]. In der kürzlich aktualisierten Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei nichttumorbedingten Schmerzen (LONTS) wird empfohlen, die Anwendung in der Behandlung chronischer Rückenschmerzen auf „Patienten mit einem nach ärztlicher, psychologischer und physiotherapeutischer Einschätzung relevanten somatischen Anteil in der Schmerzentstehung und Aufrechterhaltung sowie unzureichendem Ansprechen auf die nicht-medikamentöse Therapien“ zu beschränken. Patienten mit „funktionellen Rückenschmerzen oder psychischen Störungen mit dem Leitsymptom chronischer Rückenschmerz“ sollten explizit nicht mit Opioiden behandelt werden. Eine längerfristige Behandlung chronischer Rückenschmerzen kann bei Therapierespondern erfolgen, wenn eine bedeutsame Schmerzreduktion und/oder Verbesserung des Allgemeinbefindens bei fehlenden oder erträglichen Nebenwirkungen erreicht wurde, eine Reevaluation der Wirksamkeit muss spätestens nach 12 Wochen erfolgen [23].

Co-Analgetika

Bei einem vorwiegend neuropathischen Schmerzbild (z.B. brennend, elektrisierend) sind die Antikonvulsiva Pregabalin und Gabapentin Mittel der ersten Wahl. Im klinischen Alltag hat es sich zur Reduktion von Nebenwirkungen bewährt, die Eindosierung bei diesen Präparaten langsam und schrittweise vorzunehmen. Wir empfehlen insbesondere von der Startdosis, die in den Fachinformationen mancher Pregabalin Präparate mit 150 mg/d angegeben wird, Abstand zu nehmen, da dies oft schlecht vertragen wird. Desweiteren konnten z.B. die Antidepressiva Amitriptylin und Duloxetin eine positive Wirkung bei neuropathischen Schmerzen im Rahmen von chronischer Lumbago zeigen und werden in gängigen Leitlinien empfohlen [58, 64]. Bei der Verordnung dieser Medikamentengruppe ist im Zeitalter der „Dr. Google-Zweitmeinung“ jedoch eine ausführliche Information des Patienten über das Wesen und den Sinn einer solchen Medikation essentiell, um eine ausreichende Compliance zu fördern. Oftmals ist diese Medikamentengruppe bei Patienten mit chronischer Lumbago jedoch nur schlecht wirksam, da der neuropathische Schmerzanteil hier meist nicht im Vordergrund steht.

Cannabinoide

Die Ergebnisse von Langzeitbeobachtungsstudien belegen zwar den Effekt von Cannabinoiden bei chronischen nichttumorbedingten Schmerzen, allerdings nur bei selektierten Patienten und in nur mäßiger Stärke [29]. Die positiven Effekte waren vor allem bei neuropathischen Schmerzen zu sehen. Die Evidenzlage rechtfertigt einen breiten Einsatz von Cannabinoiden bei chronischen muskuloskelettalen Schmerzen aktuell nicht, sodass eine solche Therapie nur in sorgfältig ausgewählten Einzelfällen in Frage kommen sollte [24]. Es fehlen derzeit noch qualitativ hochwertige Studien zur Wirksamkeit von Cannabinoiden in der Behandlung von chronischer Lumbago [29].

Zusammenfassend ist festzustellen, dass bei chronischer Lumbago durch eine (analgetische) Medikation mitunter eine wirksame Schmerzlinderung erreicht werden kann, die dem chronisch kranken Schmerzpatienten ein „therapeutisches Fenster“ öffnet, das sich aber nach einer gewissen Zeit durch den eintretenden Wirkverlust oder durch das Auftreten von Nebenwirkungen wieder schließt. Diese Zeit muss für den Beginn von anderweitigen, längerfristig wirksamen Therapien genutzt werden.

Interventionen

Interventionelle oder invasive Therapien dienen über perkutane oder operative Verfahren der Medikamentenapplikation, Neurostimulation und der reversiblen oder dauerhaften Ausschaltung bestimmter Strukturen. Generell können sie diagnostischen oder therapeutischen Zielen dienen. Radiologische und pathologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Facettengelenke und Bandscheiben am häufigsten degenerative Veränderungen aufzeigen, meist in direktem Zusammenhang miteinander. Eine klare Korrelation zwischen bildgebendem Befund und den schmerzauslösenden Strukturen findet sich oft nicht. Wichtiger bei der Zuordnung von schmerzauslösenden Strukturen ist der klinische Befund, wobei es keine eindeutigen klinischen Untersuchungsbefunde für eine spezifische Pathologie gibt. Die Kombination aus klinischem Untersuchungsbefund und gezielten interventionellen Maßnahmen ist im klinischen Alltag eine elegante Möglichkeit der Diagnosesicherung [57].

Therapieprinzipien können eine passagere Blockade von Nerven durch Lokalanästhetika, eine Änderung der nervalen Funktion, eine längerfristige Ausschaltung durch Kälte- oder Hitzereize oder die Applikation von analgetisch wirkenden Medikamenten sein [13].

Indikationen: Diese Verfahren können zur Akutschmerztherapie, der Überbrückung bis zur Heilung oder Wirkung einer anderen Therapie, zur Prävention einer weiteren Schmerzchronifizierung im Rahmen einer multimodalen Betrachtungsweise und zur Langzeittherapie eingesetzt werden; die gezielten Verfahren dienen darüber hinaus auch zu diagnostischen Zwecken mit besserer Evidenzlage als ihr Ruf teilweise suggeriert [32].

Die Auswahl des Verfahrens richtet sich nach der beabsichtigten Therapiedauer, aber auch nach der bereits bestehenden Chronifizierung bzgl. der Schmerzursache. Hier sollte unterschieden werden zwischen schneller und kurzfristiger Schmerzlinderung z.B. bei akuten radikulären Schmerzen durch einen Bandscheibenvorfall und einer längerfristigen Behandlung nach Versagen anderer Maßnahmen wie z.B. dem Einsatz einer Schmerzpumpe. Umstritten sind interventionelle Maßnahmen bei chronifizierten Schmerzen der Wirbelsäule insbesondere dann, wenn ein dysfunktionales Schmerzverhalten (s.u.) und eine weiter bestehende Reizung peripherer Rezeptoren nicht mit in die Therapieplanung einbezogen werden. Generell gilt, dass bei fortschreitender Chronifizierung weniger auf interventionelle Verfahren alleine als auf ein multimodales Konzept gesetzt werden sollte. Gerade bei chronischen Schmerzen ist die interdisziplinäre Betrachtung auch mit Einbeziehung eines Schmerzpsychologen wichtig, um einen fehlenden Therapieerfolg zu verstehen, z.B. um die yellow flags (Tab.1) zu identifizieren und schlussendlich das Therapieregime individuell anzupassen. Somit ergeben sich je nach Erkrankung unterschiedliche Stellenwerte interventioneller Verfahren. Im Bereich der Wirbelsäule bietet sich eine Unterscheidung nach Beschwerdedauer und dem Vorliegen radikulärer Symptome an [2].

Infiltrationstechniken

Generell bestehen unterschiedliche Verfahren der Infiltrationen, die je nach Zielort und beabsichtigter Wirkung ausgewählt werden. Ziel einer paravertebralen Umflutung ist die temporäre Ausschaltung sämtlicher Afferenzen und Efferenzen einschließlich des Sympathikus (R. albus et griseus). Sie ist bzgl. der erreichten Zielstruktur unspezifisch. Etwas spezifischer ist die dorsale epidurale Infiltration, die bei Spinalkanalstenosen oder polyradikulären Schmerzen eingesetzt werden kann. Bei einer selektiven Facettengelenkinfiltration erfolgt die Ausschaltung der Noziafferenzen im Bereich der dorsalen Kapsel. Hiermit lässt sich selektiv eine schmerzauslösende Struktur passager ausschalten [31, 33], sodass auch ein diagnostischer Nutzen erzielt werden kann [57]. Sollte eine solche Behandlung zu einem guten, jedoch nur passageren Erfolg führen, so kann eine Ablation der Schmerzfasern an gleicher Stelle mittels thermischen Reizes (z.B. Radiofrequenztherapie/Thermokoagulation oder Kryotherapie) erfolgen. Hierdurch wird auf einen längerfristigen Effekt abgezielt.

Bei einer periradikulären Infiltration wird eine Umflutung einer bestimmten Nervenwurzel durchgeführt. Vorteil ist die Eingrenzung der Therapie auf eine umschriebene Struktur mit entsprechender hoher Aussagekraft, sodass der Therapieeffekt auch eine diagnostische Aussage hat [57]. Eine Nervenwurzel kann auch mittels einer gepulsten Radiofrequenztherapie behandelt werden, mit teilweise längerem Effekt als eine periradikuläre Infiltration, wobei der Effekt bei einer relevanten Beteiligung nervaler Strukturen (z.B. Radikulopathie) recht gut ist [6]; bei chronischer Lumbago mit geringem neuropathischen Schmerzanteil stellen wir die Indikation in der Regel nur sehr zurückhaltend. Es handelt sich hierbei um ein nicht-destruktives Verfahren, da es nur zu einer geringen Erwärmung des Gewebes kommt, wobei der genaue Wirkmechanismus unklar ist. Als Erklärungsmodell wurden Zellmembranveränderungen der Schmerzfasern (insbesondere der dünnen und langsam leitenden Ad und C Fasern) [17] und Veränderungen der deszendierenden Schmerzhemmung auf spinaler Ebene gezeigt [25].

Besondere Verfahren für umschriebene Indikationen sind die Sympathikolyse und Kaudalanästhesie [18]; Schmerzkatheter peridural/epidural dienen vornehmlich der Akutschmerztherapie z.B. postoperativ.

Als Ultima ratio kommen Schmerzpumpen zum Einsatz, die ein Medikament epidural applizieren. Anwendungsgebiete sind spastische Syndrome z.B. nach Querschnittverletzungen (Verwendung von Baclofen), aber auch z.B. ausgeprägte Vernarbungen nach mehrfachen Operationen (Failed-back-surgery-Syndrom, Verwendung von z.B. Morphin). Vorteil ist die geringe Rate an Nebenwirkungen, Nachteil die Notwendigkeit der regelmäßigen Befüllung.

Neuromodulation

Eine andere invasive Möglichkeit ist die Neuromodulation (z.B. Spinal-cord-Stimulation, SCS). In den letzten Jahren gab es hier zahlreiche Entwicklungen, sodass neben der konventionellen SCS inzwischen zahlreiche Stimulatoren, Wellenformen, Frequenzen (z.B. Hochfrequenz, Burst, dorsal-root Stimulation) angewendet werden. Allen Stimulationsformen gemein ist ein elektrisches Feld, das an epiduralen Elektrode(n) erzeugt wird und die darunter liegenden nervalen Strukturen direkt stimuliert. Durch die SCS kommt es unter anderem zur Beeinflussung lokaler Transmittersysteme und Auslösung von Aktionspotentialen (orthodrom und antidrom, d.h. nach peripher und nach zentral) mit supraspinalen und segmentalen schmerzhemmenden Effekten. Es bleibt aber weiterhin unklar, welche spezifischen Fasern auf welchem Stimulationsweg für eine gute Schmerzlinderung aktiviert werden müssen [59]. Ein hoch positiver Effekt auf Schmerz, Alltagsfunktion und Lebensqualität wurde in verschiedenen Studien gesehen [36] und auch ein günstiger Effekt einer SCS versus wiederholten Wirbelsäulenoperationen wurde gezeigt [45]. Die Indikation für SCS sind insbesondere Schmerzbilder mit einem relevanten neuropathischen Anteil. Infrage kommen Radikulopathien bei Wurzelläsionen z.B. bei Arachnopathie, epiduraler Fibrose, dem „Failed-back-surgery-Syndrom“, aber auch bei degenerativen Veränderungen und nach Ausschöpfen aller anderen zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten bei hohem Leidensdruck [11, 35].

Physiotherapie

Die Auswahl der genauen Form der aktiven Bewegungstherapie sollte sich nach den Präferenzen der Betroffenen, deren Fitness und der Qualifizierung des Therapeuten richten, eine eindeutige Empfehlung für eine Therapieform kann aktuell nicht gegeben werden [55]. Vor allem die aktive Bewegungstherapie (mit Koordinations-, Ausdauer- und Krafttraining) erwies sich bei der Verringerung des Schmerzlevels bei chronischen Rückenschmerzen als wirksam. Es konnte gezeigt werden, dass eine aktive Bewegungstherapie („motor control exercise“) in der Behandlung von chronischen Rückenschmerzen im Vergleich zum Fehlen von Bewegungstherapie, die Schmerzen besser linderte sowie die Funktionalität verbesserte. Auch konnte langfristig eine geringere Häufigkeit von Arbeitsunfähigkeit nach Bewegungstherapie gezeigt werden [9].

Das Konzept der „graded activity“ reduzierte hierbei insbesondere die beruflichen Fehlzeiten der Betroffenen [28]. Die nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz empfiehlt bei anhaltenden alltagsrelevanten Aktivitätseinschränkungen oder der Gefährdung der beruflichen Wiedereingliederung außerdem die Teilnahme an Rehabilitationssport- bzw. Funktionstrainingsgruppen [7].

Eine zentrale Rolle bei chronischer Lumbago sollte im physiotherapeutischen Kontext außerdem Patientenaufklärung und Schulung einnehmen. Hierbei geht es insbesondere um den Abbau von Ängstlichkeit und Vermeidungsverhalten mittels aktiven Schmerzbewältigungsstrategien, Ermutigung einer frühzeitigen Wiederaufnahme normaler Aktivitäten, auch wenn noch Schmerzen vorhanden sind und Vermittlung der elementaren Bedeutung der Verbesserung des Aktivitätsniveaus, nicht nur der Schmerzlinderung [12].

In einer systematischen Übersichtsarbeit konnten in 4 von 5 Studien keine nennenswerten Unterschiede des Schmerzlevels im Vergleich von passiven Maßnahmen wie Massagen zur Standardbehandlung bei chronischem nichtspezifischem Kreuzschmerz gefunden werden [9].

Schmerzpsychotherapie

Entsprechend einem biopsychosozialen Schmerzverständnis sind Schmerzen nicht entweder organisch oder psychisch, sondern an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schmerzen sind stets biologische, psychologische und soziale Faktoren beteiligt [34]. Psychosoziale Faktoren spielen eine entscheidende Rolle für den Krankheitsverlauf und bei der Chronifizierung von Rückenschmerzen [26]. Sie werden deshalb als Warnsignale („yellow flags“, Tab. 1) verstanden und sollten früh im Behandlungsverlauf erfasst werden [53]. Es geht dabei nicht um spezielle psychologische Interventionen, sondern um ein besseres Kennenlernen des individuellen Beschwerdekontextes des Patienten [53]. Im Kern dreht sich das Gespräch weiter um die körperlichen Beschwerden, die psychosozialen Faktoren werden nur beiläufig („tangential“) mit Alltagsbegriffen wie z.B. Stress, Überlastung, Überforderung thematisiert [54].

Beispiele für typische
„yellow flags“

Dysfunktionale Gedanken

Zum Beispiel: Was denkt der Patient über seine Schmerzen? Befürchtet er eine bedrohliche Erkrankung? Katastrophisiert er?

Die Art des Denkens über den Schmerz beeinflusst die Schmerzstärke sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung entscheidend. Vor allem die Neigung zum Katastrophisieren spielt eine maßgebliche Rolle bei der Verstärkung von Schmerzen [69]. Katastrophisierungsgedanken sind geprägt durch Hilflosigkeit („Ich kann nichts tun, um meine Schmerzen zu lindern.“), Verstärkung („Ich habe Angst, dass die Schmerzen immer schlimmer werden.“) und Grübeln („Ich kann nicht aufhören, an die Schmerzen zu denken.“) [41]. In der Psychotherapie kann dann versucht werden, diese Gedanken zu verändern.

Schmerzverhalten

Zum Beispiel: Vermeidet die Patientin Bewegung? Hat sie Angst vor Bewegung? Überfordert sie sich? Macht sie zu wenige Pausen?

Es kann vorkommen, dass sich Patienten bei chronischen Schmerzen mehr schonen, als aufgrund der Schädigung notwendig wäre. Entsprechend dem Fear-Avoidance-Modell [49] kann dieses Vermeidungsverhalten zurückgeführt werden auf die Angst vor den Schmerzen an sich oder auf die Befürchtung, sich durch eine bestimmte Bewegung zu schaden (z.B. „Wenn ich zu schwer hebe, schade ich meinem Rücken.“). Die Behandlung erfolgt zum einen durch eine medizinische Aufklärung, ob eine Bewegung tatsächlich schädlich ist oder nicht und, wenn angebracht und medizinisch unbedenklich, durch eine schrittweise Konfrontation mit der angstbesetzten Situation (z.B. Kiste hochheben) [19]. Hier ist die Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten und Ärzten unerlässlich. Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion von Vermeidungsverhalten, aber auch zur Umstrukturierung von Überaktivität, ist der stufenweise Aufbau von Aktivität in kleinen Schritten. Entscheidend ist hierbei, dass die Aktivität zeitkontingent (nach einem festem Zeitschema) durchgeführt wird, ohne Orientierung am Schmerz (z.B. 20 Minuten Hausarbeit, dann Pause) [48].

Psychosoziale Belastungen

Zum Beispiel: Bestehen private oder berufliche Konflikte? Gibt es einschneidende Lebensereignisse, psychische Traumata? (CAVE: keine Traumainhalte erfragen)

Schmerz ist Stress. Diesen Zusammenhang wird nahezu jeder Schmerzpatient bestätigen. Dass dieser Zusammenhang aber auch umgekehrt besteht und Stress (z.B. durch Mobbing) über vermehrte Muskelanspannung zu mehr Schmerzen führt [44], kann mit den Schmerzpatienten meist in einem zweiten Schritt ebenfalls erarbeitet werden. Zur Unterbrechung dieses Teufelskreises kann hier, neben der direkten Bewältigung der Stressindikatoren (z.B. mit Konflikt- und Stressmanagement), mit dem Patienten ein Entspannungsverfahren (z.B. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, PMR) etabliert werden.

Psychische Komorbidität

Patienten mit chronischen Schmerzen leiden häufig zusätzlich unter klar diagnostizierbaren psychischen Erkrankungen. Diese werden jedoch oft nur inadäquat behandelt. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass Patienten psychische Anteile ihrer Erkrankung nicht akzeptieren bzw. Angst vor Stigmatisierung haben. Zum anderen ist es aber entscheidend, ob der Arzt zu Beginn einer schmerzmedizinischen Behandlung eine Einschätzung der psychischen Begleiterkrankungen vornimmt [62].

Depression

Zum Beispiel: Fühlt sich der Patient traurig, antriebslos, lustlos? Bestehen Suizidgedanken?

Depressive Störungen und Schmerzsyndrome weisen eine hohe Komorbidität auf. So wurde bei Schmerzpatienten eine Prävalenz von 40–50 % für eine depressive Störung ermittelt [40]. Und umgekehrt leiden bis zu 75 % aller depressiven Patienten unter Schmerzsymptomen [37]. Man geht von einer bi-direktionalen Verbindung aus. Einerseits kann Schmerz die Ursache für eine Depression darstellen, andererseits verändert eine depressive Störung das Schmerzempfinden an sich sowie den Umgang mit Schmerzen. Zudem gibt es Drittfaktoren wie z.B. genetische oder frühe Umweltfaktoren welche das Risiko für das gemeinsame Auftreten von Schmerz und Depression erhöhen [40]. Wichtige Therapieelemente in der Depressionsbehandlung sind neben einer evtl. medikamentösen Behandlung, der Aufbau positiver Aktivitäten und eine Veränderung negativ gefärbter Denkmuster und Einstellungen.

Angststörung

Zum Beispiel: Leidet die Patientin unter Angstattacken? Fühlt sie sich nervös, angespannt? Hat die Patientin Angst vor Bewegung oder Schmerz?

Zum einen finden sich bei Patienten mit chronischen Schmerzen häufiger Generalisierte Angststörungen, Panikstörungen und Soziale Phobien, welche dann als eigenständige Störungen zu diagnostizieren sind, zum anderen können sich bei Patienten mit Schmerzsyndromen die Ängste aber auch ausschließlich auf die Schmerzsituation beziehen (vgl. Fear-Avoidance-Modell oben) [43].

Posttraumatische
Belastungsstörung (PTBS)

Zum Beispiel: Leidet der Patient unter sich aufdrängenden Erinnerungen an belastende Ereignisse? Leidet er unter Stresssymptomen, wenn er an das belastende Ereignis erinnert wurde?

Der Zusammenhang von PTBS und chronischen Schmerzen wird durch zahlreiche Studien belegt. Bei chronischen Schmerzpatienten finden sich Prävalenzraten von 10–50 % bezüglich PTBS und umgekehrt leiden 34–80 % der PTBS-Patienten unter Schmerzen [46]. Unklar ist bisher, ob sich die beiden Störungen gegenseitig in ihrer Entstehung beeinflussen, ob eine Störung die Entwicklung der anderen bedingt, ob sie sich gegenseitig aufrechterhalten oder ob es einen dritten Faktor gibt, der die Komorbidität erklärt. Entscheidende Behandlungskomponente ist die Reduktion des Vermeidungsverhaltens durch eine Steigerung körperlicher Aktivität und einem Entgegenwirken der Vermeidung traumaassoziierter Reize und Situationen durch Exposition [38].

Suchterkrankungen

Zum Beispiel. Hat die Patientin schon einmal vergeblich versucht, den Tabletten-Konsum einzuschränken? Kam es zu unangenehmen Beschwerden wie Unruhe oder Schwitzen, wenn weniger oder nichts eingenommen wurde?

Im Rahmen von chronischen Schmerzen spielt vor allem die Opiatabhängigkeit eine entscheidende Rolle, wobei aber auch Sedativa und Hypnotika sowie Alkohol nicht aus dem Blick geraten sollten. Es wird geschätzt, dass in Deutschland mindestens 1,9 Mio. Menschen medikamentenabhängig sind [61]. Eine Differenzierung zwischen regulärem, missbräuchlichem und abhängigem Konsum ist jedoch gerade bei Medikamenten sehr schwierig. Wenn eine Abhängigkeitserkrankung diagnostiziert wird, besteht nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Patient selbst von der Notwendigkeit einer Veränderung überzeugt ist. Der erste Schritt ist hier, dass der Arzt die Suchtproblematik anspricht und klare Hinweise auf die gesundheitlichen Folgen des Verhaltens gibt [4].

Psychotherapeutische Verfahren

Die Vermittlung in eine ambulante Psychotherapie sollte bei relevanten psychosozialen Belastungsfaktoren, psychischer Komorbidität, relevanten dysfunktionalen Krankheitsannahmen, starken funktionellen Beeinträchtigungen oder bei anhaltend schwieriger Arzt-Patient-Beziehungen erfolgen. Die Motivation für eine Psychotherapie wird zum einen durch das frühzeitige Thematisieren psychosozialer Aspekte, parallel zur somatischen Diagnostik, aufgebaut. Zum anderen kann dem Patienten mitgeteilt werden, dass Psychotherapie eine wissenschaftliche Therapie mit psychologischen Mitteln ist, die auch bei körperlichen Beschwerden wie Schmerzen hilft. Entscheidend ist, dass Psychotherapeuten „mit ins Boot geholt“ werden und Patienten nicht an diese „abgeschoben“ werden [53].

Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie setzen psychologische Interventionen neben der Psychoedukation über Schmerzen, dem Aufbau von Ressourcen und der direkten Schmerzbewältigung, z.B. durch Ablenkung, an den psychosozialen Risikofaktoren sowie den psychischen Komorbiditäten an. Zusätzlich können weitere Verfahren wie Akzeptanztherapie, EMDR und Biofeedback genutzt werden.

Akzeptanztherapie: Wenn der Kampf gegen die Schmerzen zu anstrengend wird und alle Aktivitäten dem Schmerz untergeordnet werden, kann der Ansatz der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) genutzt werden [10]. Hier geht es darum, dass die Patienten eine annehmende und flexible Haltung den Schmerzen gegenüber einnehmen und das Leben wieder aktiv und bewusst entsprechend den eigenen Zielen und Werten gestalten.

EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing): Bei dieser speziellen Psychotherapieform wird der Patient durch eine bilaterale Stimulation über Rechts-Links-Augenbewegungen dabei unterstützt, eigene Selbstheilungskräfte zu aktivieren und belastende Erinnerungen zu verarbeiten. Ursprünglich entwickelt für die Behandlung von Traumafolgestörungen, gibt es mittlerweile gute Wirksamkeitsnachweise bei der Behandlung von chronischen Schmerzen [63].

Biofeedback: Mit Biofeedback können über verschiedene Sensoren vegetative, eigentlich unbewusste Körperfunktionen wie z.B. Puls, Hauttemperatur, Muskeltonus oder auch die Atemfrequenz auf einem Computer-Bildschirm sichtbar gemacht werden, die der Patient dann lernen kann zu beeinflussen. Bei chronischen Rückenschmerzen besteht das Ziel in der Regel darin, Muskelaktivität paravertebral oder am Schultergürtel zu reduzieren. Dies erfolgt einerseits dadurch, dass Fehl- und Schonhaltungen abgebaut werden, andererseits geht es aber auch darum, individuelle Auslöser für psychische oder muskuläre Anspannungsreaktionen zu beobachten, um diesen dann entspannende Strategien zur Gegensteuerung entgegenzusetzen [68].

Andere Therapieformen

Im Rahmen dieses Artikels ist es lediglich möglich, beispielhaft einige wenige Therapiemethoden zu erwähnen, eine besondere Wertigkeit dieser im Vergleich zu anderen Therapieverfahren ist hierdurch nicht abzuleiten.

Akupunktur

Mehrere Studien liegen vor, die eine Effektivität von Akupunktur bei chronischer Lumbago belegen [3, 21]. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass durch Akupunktur insbesondere kurzfristig die Funktionalität verbessert wird und langfristig die Schmerzlinderung besser als durch Medikamente erreicht werden kann [9]. Die derzeitige Studienlage hat letztlich dazu geführt, dass Akupunktur bei chronischen Rückenschmerzen auch in die Nationale Versorgungsleitlinie als Empfehlung aufgenommen wurde [7] und eine Kostenübernahme durch die GKV möglich ist. Auf die besondere Problematik eines hochwertigen Studiendesigns bei Akupunkturstudien soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden.

Neuraltherapie

Obwohl Neuraltherapie bei chronischer Lumbago, vor allem mit myofaszialem Schmerzanteil, regelmäßig mit Erfolg angewendet wird, ist die objektive Studienlage diesbezüglich dünn [66].

Yoga

In einer großen systematischen Übersichtsarbeit wurden 14 Studien ausgewertet, bei denen zusammenfassend ein positiver Effekt durch Yoga auf die Schmerzstärke verglichen mit Standardbehandlung, Übungen oder Patientenaufklärung gezeigt werden konnte, auch wenn die Effekte teilweise schwach oder nicht signifikant waren [9].

Multimodale Schmerztherapie

Die multimodale Schmerztherapie dient der Behandlung chronischer Schmerzen, da diese im Gegensatz zu akuten Schmerzen ein umfangreicheres Vorgehen erfordert. Grundlegende Vorstellung ist, dass chronische Schmerzen nicht mehr allein rein somatisch betrachtet und therapiert werden können. Ein Erfolg ist nur dann zu erreichen, wenn weitere Faktoren sowohl in der Genese als auch der Therapie eruiert und mitberücksichtigt werden. Schwierigkeiten ergeben sich oftmals daraus, dass der zugrundeliegende Auslöser nicht mehr nachweisbar ist, die Schmerzen jedoch persistieren. Eine rein eindimensionale Therapie würde hier zu kurz greifen. Die multimodale Schmerztherapie ist in diesem Kontext wissenschaftlich anerkannt und etabliert: Zum Beispiel konnte in einer 2018 publizierten Studie über die längerfristige Wirksamkeit einer multimodalen Schmerztherapie bei chronischen Rückenschmerzen eine hoch signifikante Verbesserung von Lebensqualität, Schmerzlinderung, Depressivität und Vitalität gezeigt werden. Auch ein halbes Jahr danach fanden sich statistisch signifikante Verbesserungen der Alltagsbeeinträchtigungen und Funktionalität, welche auch noch nach 10 Jahren nachzuweisen waren [71].

Ein guter Erfolgsparameter für die Behandlung chronischer Schmerzen ist die Rate der wieder erreichten Arbeitsfähigkeit. Auch aus ökonomischen Gesichtspunkten stellten Untersuchungen der großen Krankenkassen fest, dass eine solche Therapie einer alleinigen Operation oder Infiltrationstherapie deutlich überlegen ist. Unterstrichen wird die Bedeutung durch Berichte z.B. der Barmer Ersatzkasse, die von 3,25 Mio. Menschen mit chronischen Schmerzen in Deutschland ausgeht. Andere Zahlen sind noch wesentlich höher und vermuten einen Anteil von über 23 Mio.. Der Bericht der Barmer konstatiert ebenfalls, dass nur 0,043 % der betroffenen Patienten (in Baden-Württemberg) auch eine multimodale Schmerztherapie [50] erhalten. Diese Tatsache steht im Widerspruch zur alltäglichen und zunehmenden Problematik der Kostenübernahme einer multimodalen Schmerztherapie durch die GKV [52]. Die diesbezüglichen Schwierigkeiten spiegeln sich insbesondere in einer durchschnittlichen deutschlandweiten MDK-Prüfquote von 40 % im Jahr 2019 wider [39]. Auf Seiten der Leistungserbringer führt dies zu erheblichen betriebswirtschaftlichen Risiken und nicht zu einer Ausweitung des Leistungsangebots, welche paradoxerweise selbst aus Sicht der Kostenträger in oben genannter Stellungnahme als sinnvoll erachtet wird.

Wichtig bei der Behandlung chronischer Schmerzen ist ein ganzheitlicher Ansatz im ureigensten Sinn, d.h. es darf nicht nur z.B. der schmerzende Rücken betrachtet, sondern der Mensch muss in seinem sozialen Umfeld gesehen werden und es müssen auch schmerzpsychologische Kriterien berücksichtigt werden (biopsychosoziales Modell, s.o.). Die multimodale Schmerztherapie stellt die Bausteine medizinische Behandlung, intensive Information und Schulung auf der Basis des biopsychosozialen Schmerzmodells, körperliche Aktivierung (mit verhaltenstherapeutischen Anteilen), psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen und weitere übende Behandlungsverfahren nahezu gleichwertig nebeneinander. Nur so lassen sich Risikofaktoren bzgl. einer weiteren Schmerzchronifizierung erfassen und berücksichtigen [27, 42]. Ein multimodales, ganzheitliches Behandlungskonzept lässt sich nur durch ein multiprofessionelles Therapeutenteam realisieren. Für Patienten mit Rückenschmerzen sollte bei Bestehen der Schmerzen über 6 Wochen und bei Vorliegen von Einschränkungen in der alltäglichen Lebensführung das Vorliegen von Risikofaktoren zur Chronifizierung („yellow flags“) geprüft werden. Liegen diese vor, kann eine multimodale Schmerztherapie angezeigt sein. Eine multimodale Schmerztherapie kann in ambulantem oder stationärem Rahmen erfolgen.

Fazit

Eine Therapieform alleine ist bei chronischer Lumbago nicht zielführend. Es besteht umfangreiche Evidenz eines interdisziplinären Therapieansatzes zur Behandlung chronischer Schmerzen mit bewegungstherapeutischen und psychologischen Elementen [20, 71]. Wenn es bei Ihren Patienten zu anhaltenden oder progredienten Alltagseinschränkungen aufgrund chronischer Lumbago kommt, sollte mindestens eine interdisziplinäre Behandlung oder noch besser eine multimodale Schmerztherapie erfolgen. Insbesondere vor operativen Maßnahmen sollten die konservativen Maßnahmen ausgeschöpft werden.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag finden Sie auf: www.online-oup.de

Korrespondenzadresse

Dr. Michael Fritz

Ärztlicher Sektionsleiter Schmerztherapie

SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach

Guttmannstraße 1

76307 Karlsbad

michael.fritz@srh.de

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