Übersichtsarbeiten - OUP 04/2019
Neue Entwicklungen bei der Versorgung komplexer Sprunggelenkfrakturen
Ob AORIF von Sprunggelenkfrakturen die klinischen Ergebnisse verbessert, ist derzeit noch nicht abschließend nachgewiesen. In einer 2017 publizierten Metaanalyse verglichen Lee et al. [25] die Behandlungsergebnisse nach AORIF und ORIF von Sprunggelenkfrakturen. Basierend auf 2 RCTs und 2 retrospektiven Kohortenstudien [16, 43, 46, 48] mit 95 AORIF-und 94 ORIF-Patienten ergab sich eine gepoolte Effektgröße (Hedges’s g) von 0,535 (95 % CI, 0,247–0,823) und damit ein geringer Vorteil für die AORIF. Probleme der bisher verfügbaren vergleichenden Studien sind, dass
- 1. vor allem einfache Frakturen eingeschlossen wurden (isolierte Fibula-Frakturen Typ Weber B) und
- 2. die Zahl der eingeschlossenen Patienten gering war.
Entsprechend sind größere vergleichende Studien notwendig, die vor allem komplexere Frakturen einschließen, um abschließend über die Wertigkeit der arthroskopisch assistierten Frakturversorgung zu urteilen. Ziel solcher Studien sollte sein, Frakturtypen zu identifizieren, die in besonderem Maße von einer AORIF profitieren.
Nichtsdestotrotz wird aufgrund der hohen Inzidenz von intraartikulären Begleitverletzungen die AORIF sowohl von einer zunehmenden Zahl an Arbeitsgruppen [5, 7, 16, 19, 26, 30] als auch den S2e-Leitlinien der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie (AWMF-Register Nr. 012/003; 12.05.2015) als Level 1b empfohlen. Bisher hat diese Versorgung aber noch keinen Eingang in die klinische Routine gefunden. So konnten 2 Analysen zeigen, dass nicht mal 1 % aller Sprunggelenkfrakturen mittels AORIF versorgt werden [1, 56]. Ursachen dafür sind neben der eingeschränkten Datenlage sicherlich die notwendige Lernkurve sowie der steigende Kostendruck bei verlängerter Operationszeit und erhöhtem Materialaufwand [25]. Ein weiterer Grund könnte die Befürchtung sein, dass die additive Arthroskopie die Komplikationsrate erhöht. Diesbezüglich ist die Datenlage allerdings eindeutig. Keine der derzeitig verfügbaren Studien zeigte einen Unterschied hinsichtlich der Komplikationsrate zwischen ORIF und AORIF [16, 25, 43, 45, 47, 56].
Versorgung des posterioren Malleolus-Fragments
Traditionell richtet sich die Entscheidung, ob eine Fraktur des posterioren Malleolus versorgt werden sollte, nach der Größe des Fragments in der sagittalen Ausdehnung. Derzeit wird eine Stabilisierung des Fragments überwiegend bei einer Beteiligung der tibialen Gelenkfläche von mehr als 25–33 % empfohlen [11, 12, 49]. Allerdings basiert diese als Drittel-Regel bekannt gewordene Entscheidungshilfe auf einer Arbeit aus dem Jahr 1940. In dieser Zeit wurden selbst komplexe Trimalleolar-Frakturen mittels Gips behandelt [33]. Bisher fehlen qualitativ hochwertige Untersuchungen, die den Wert dieser Entscheidungsgrundlage untermauern. Entsprechend intensiv wird derzeit diskutiert, ob die Größe des Hinterkanten-Fragments das entscheidende Kriterium für dessen Versorgung ist. Im Gegenteil, eine zunehmende Zahl von Autoren argumentiert für eine Versorgung auch von Fragmenten kleiner 25 % [11, 12, 49].
Frakturen des posterioren Malleolus sind unabhängig von ihrer Größe in den allermeisten Fällen eine Avulsion des Ligamentum talofibulare posterius (der hinteren Syndesmose) [17, 18] (Abb. 2). So führten beispielsweise Gardner et al. in einer ihrer Studien bei Sprunggelenkfrakturen mit Beteiligung des posterioren Malleolus präoperativ eine MRT-Untersuchung durch und konnten zeigen, dass in allen untersuchten Fällen das Ligamentum talofibulare posterius intakt war [17]. Entsprechend stellt die Fraktur des posterioren Malleolus letztlich eine knöcherne Syndesmosen-Verletzung dar. Durch die anatomische Reposition des PM-Fragments wird also die Anatomie des Ligamentum talofibulare posterius wiederhergestellt und dadurch die Fibula durch Ligamentotaxis anatomisch in die tibiale Inzisur reponiert [15, 17]. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil für die Reposition der Fibula durch den Chirurgen und Retention mittels Stellschraube Fehlrepositionsraten der distalen Fibula im DTFG von bis zu 50 % beschrieben sind [18].
Darüber hinaus kann durch ORIF des posterioren Malleolus-Fragments in vielen Fällen eine ausreichende Stabilisierung des Syndesmosen-Komplexes erreicht werden, sodass keine weitere Syndesmosen-Versorgung notwendig ist. Dies konnte bereits in mehreren klinischen Studien nachgewiesen werden (Tab. 1) [4, 28, 31, 36, 46]. In der zurzeit größten Studie wurde anhand von 236 Sprunggelenkfrakturen mit Beteiligung des PM untersucht, ob durch ORIF des PM-Fragments die Zahl der zusätzliche Syndesmosen-Stabilisierungen reduziert werden konnte [4]. Es zeigte sich, dass ORIF im Vergleich zu unversorgten oder CRIF des PM-Fragments zu einer signifikanten Reduktion der Stellschraubenversorgung um 60 % (p < 0,001) führte. Interessanterweise zeigte sich kein Unterschied der Inzidenz der Syndesmosenstabilisierung zwischen unversorgtem PM-Fragment (63 %) und CRIF des PM-Fragments (61 %; p = 0,834). Darüber hinaus wurde auch der Einfluss der Fragmentgröße (? 25 % vs. > 25 %) in den 3 Gruppen untersucht. Die Autoren konnten zeigen, dass die Fragmentgröße in keiner der 3 Gruppen (unversorgt, CRIF oder ORIF) einen signifikanten Einfluss auf die Notwendigkeit der additiven Syndesmosenstabilisierung hatte. Darüber hinaus konnte in einer biomechanischen Analyse gezeigt werden, dass ORIF des PM-Fragments zu einer höheren Stabilität des Syndesmosen-Komplexes führt, verglichen mit der Stellschraubenversorgung [17].
Ein weiterer Aspekt ist, dass die offene Reposition des PM zu einem signifikant besseren Repositionsergebnis sowohl der tibio-talaren als auch der tibio-fibularen Gelenkfläche führt – verglichen mit CRIF oder unversorgtem PM-Fragement [4]. Dass durch die geschlossene Reposition mittels AP-Schrauben in vielen Fällen keine anatomische Reposition erreicht werden kann, ist bereits in einigen Studien gezeigt worden [21, 38, 54]. Interessanterweise konnten Baumbach et al. zeigen, dass es für das Repositionsergebnis unerheblich war, ob das PM-Fragment völlig unversorgt war oder mittels CRIF versorgt wurde [4].