Übersichtsarbeiten - OUP 04/2019
Neue Entwicklungen bei der Versorgung komplexer Sprunggelenkfrakturen
Trotz dieser biomechanischen, intraoperativen und radiologischen Ergebnisse liegen bislang nur wenige klinische Studien vor, die den Effekt der ORIF des PM-Fragments auf die klinischen Ergebnisse untersuchten. O´Conner et al. [36] verglichen im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie die klinischen Ergebnisse von 11 Patienten, die mittels CRIF durch AP-Schrauben (mittleres Follow-up: 32 Monate), mit 16 Patienten, die mittels ORIF (mittleres Follow-up: 55 Monate) des posterioren Malleolus-Fragments versorgt wurden. Dabei zeigte die ORIF-Gruppe signifikant bessere Ergebnisse für Short Musculoskeletal Function Assessment (SMFA) und Bother-Index (27 ± 24 Punkte vs. 9 ± 13 Punkte; p = 0,03). In einer aktuellen prospektiv randomisierten Studie wurden 29 Patienten mit unversorgtem gegen 20 Patienten mittels ORIF versorgtem PM (unabhängig von dessen Größe) nach 15 Monaten nachuntersucht. Es zeigte sich eine signifikant geringere Rate an Arthrosen (55 % vs. 90 %; p = 0,007) sowie ein signifikant besserer AOFAS (92 vs. 79 Punkte; p < 0,001) nach ORIF des PM [46]. Allerdings müssen weitere Studien an größeren Patientenkollektiven diese ersten Ergebnisse bestätigen.
Die offene Reposition sowohl des posterioren als auch des lateralen Malleolus kann über denselben dorso-lateralen Zugang erfolgen. Es empfiehlt sich, zuerst den PM zu versorgen, da nach der Osteosynthese des lateralen Malleolus durch die auf der Fibula aufliegenden Platte die Reposition des PM im seitlichen Strahlengang nicht mehr sicher beurteilt werden kann. Die häufig geäußerten Bedenken über eine höhere Zugangsmorbidität durch den dorso-lateralen Zugang konnten in Studien nicht bestätigt werden. So berichten beispielsweise 2 aktuelle Studien mit insgesamt 102 Patienten über lediglich 3 oberflächliche Wundrandnekrosen, die konservativ zur Ausheilung gebracht werden konnten, sowie 4 Affektionen des Nervus suralis [8, 50]. Entsprechend erscheint die kombinierte Versorgung des posterioren und lateralen Malleolus über den selben dorso-lateralen Zugang die Komplikationsrate nicht zu erhöhen.
Aus den genannten Gründen führen die Autoren, wann immer die Größe des Fragments es zulässt, eine offene Reposition des posterioren Malleolus-Fragments durch. Die 25–33%-Regel findet dabei keine Beachtung.
Stellschraube vs.
Fadenzugsystem
Wie ausgeführt, führen sowohl die Fehlreposition der distalen Fibula in der tibialen Inzisur [29, 37] als auch die sekundäre Diastase des DTFG [48] zu einem schlechteren Behandlungsergebnis. Somit ist das Behandlungsziel die anatomische Reposition der distalen Fibula in die Inzisur und deren dauerhafte Retention. Sollte die offene Reposition des posterioren Malleolus-Fragments nicht zu einer Stabilisierung des DTFG führen oder aber es handelt sich um eine rein ligamentäre Syndesmosen-Verletzung, muss das DTFG stabilisiert werden. Zur Retention der Fibula nach Reposition in die Inzisur konkurrieren aktuell 2 Verfahren: die konventionelle Stellschraube und die neueren Fadenzugsysteme (z.B. Tight-Rope der Fa. Arthrex).
Zwei aktuell publizierte systematische Literaturrecherchen haben u.a. die Rate an Fehlrepositionen für beide Systeme untersucht. Zhang und Kollegen [57] schlossen dabei 4 Arbeiten (2 x RCTs, 2 x retrospektive Kohortenstudie) ein. Kumulativ kam es bei 13 % (12 von 95) der Patienten nach Stellschraubenversorgung, aber lediglich bei 1 % (1 von 93) nach Implantation eines Fadenzugsystems zu einer Fehlreposition. In einer 2018 publizierten Metaanalyse, basierend auf 5 RCTs, bestätigt sich die signifikant geringe Fehlrepositionsrate im DTFG für das Fadenzugsystem im Vergleich zur Stellschraube (1 % vs. 12 %, p = 0,05) [39]. Eine Erklärung für diesen Unterschied kann die Flexibilität der Fadenzugsysteme im Vergleich zu den rigiden Stellschrauben sein. Beispielhaft in Abbildung 3 dargestellt, zeigt sich ein divergierender Bohrkanal bei eingezogenem Fadenzugsystem in der postoperativen CT-Bildgebung (Abb. 3a). Entsprechend scheint das Fadenzugsystem eine sekundäre anatomische Einstellung des DTFG zuzulassen. Dies wurde auch schon von anderen Arbeitsgruppen beschrieben [22].
Nun stellt sich die Frage: Erhöht die Flexibilität der Fadenzugsysteme die Rate eines sekundären Repositionsverlusts? Keine der oben angeführten systematischen Literaturarbeiten analysierten diese Fragestellung. Dieser wurde aber in 2 hochwertigen prospektiv randomisierten Studien nachgegangen [2, 23]. Laflamme und Kollegen [23] untersuchten 65 Patienten mit Sprunggelenkfrakturen und Syndesmosen-Insuffizienz. Nach einem Jahr zeigten sich bei 11 % der Patienten mit Stellschraubenversorgung und bei keinem Patienten mit Fadenzugsystem eine sekundäre Diastase des DTFGs (p = 0,06). Einschränkend muss angemerkt werden, dass diese Untersuchungen lediglich auf konventionellen Röntgenbildern basierten. In dieser Studie zeigten sich nach einem Jahr keine signifikanten Unterschiede für den Olerud Molander Ankle Score (Fadenzugsystem: 93 vs. Stellschraube: 88; p = 0,260). In dem zweiten RCT schlossen Andersen und Kollegen [2] 97 Patienten ein und untersuchten diese postoperativ, ein und 2 Jahre nach Operation jeweils klinisch und mittels CT-Untersuchung beider Sprunggelenke. Dabei zeigte sich nach einem und 2 Jahren eine signifikant höhere Rate an sekundären Diastasen bei Verwendung von Stellschrauben verglichen mit dem Fadenzugsystem (20 % vs. 50 %; p = 0,009). Darüber hinaus erzielten die mittels Fadenzugsystem behandelten Patienten nach 6 Monaten, einem und 2 Jahren signifikant bessere klinischen Ergebnisse für den AOFAS (2 Jahre: 96 (IQR: 90–100) vs. 86 (IQR: 80–96); p = 0,001) und den Olerud Molander Ankle Score (2 Jahre: 100 (IQR: 95–100) vs. 90 (IQR: 75–100); p < 0,001). Eine aktuelle Metaanalyse, basierend auf 5 RCTs, wies ebenfalls einen signifikant bessern AOFAS-Score nach einem Jahr für die Fadenzugsysteme nach. Allerdings betrug in dieser Untersuchung der mittlere Unterschied im Durchschnitt 5,5 Punkte (95 % CI: 0,5–10,5; p = 0,03) [35]. Wie relevant dieser Unterschied ist, ist zu diskutieren. Dies liegt aber u.U. auch an den Unterschieden in der Qualität, den erhobenen Parameter und der Methodik der eingeschlossenen Studien. Zusammengefasst scheint die Verwendung von Fadenzugsystemen zu einer signifikant geringeren Rate an Fehlrepositionen und sekundären Diastasen zu führen, verglichen mit der konventionellen Versorgung mittels Stellschraube. Darüber hinaus sind zunehmende wissenschaftliche Daten vorhanden, die bessere klinische Ergebnisse für die Fadenzugsysteme nachweisen.