Übersichtsarbeiten - OUP 10/2016
Operative Methoden zur Entlastung des Kniegelenks
Steffen Schröter1, Ulrich Stöckle1, Atesch Ateschrang1
Zusammenfassung: Die Prävalenz der Gonarthrose nimmt durch das steigende Lebensalter zu. Knietotalendoprothesen insbesondere bei jungen Patienten führen aufgrund der hohen Rate an Revisionsendoprothesen zunehmend zu Problemen. Das Interesse an operativen Methoden zur Kniegelenkentlastung steigt seit einigen Jahren stetig. Es werden neben den etablierten Techniken der Osteotomie auch alternative operative Verfahren zur Entlastung des Kniegelenks vorgestellt.
Schlüsselwörter: Osteotomie, Kniegelenkarthrose, Fehlstellung, Operationsmethode, operative Entlastung
Zitierweise
Schröter S, Stöckle U, Ateschrang A: Operative Methoden zur
Entlastung des Kniegelenks.
OUP 2016; 10: 568–575 DOI 10.3238/oup.2016.0568–0575
Summary: Knee osteoarthritis prevalence is expected to increase largely due to an aging population. Arthroplasty,
especially in young patients, because of a high rate of revision arthroplasty are a relevant problem. Popularity of
surgical techniques to unload the knee increases for several years. Well established techniques in osteotomy as well as
alternative techniques to unload the knee are presented.
Keywords: osteotomy, osteoarthritis of the knee, malalignment, surgical methods, unloading
Citation
Schröter S, Stöckle U, Ateschrang A: Surgical methods to unload
the knee.
OUP 2016; 10: 568–575 DOI 10.3238/oup.2016.0568–0575
Einleitung
Die Gonarthrose gewinnt eine zunehmende sozioökonomische Bedeutung. Von der WHO wurde der Zeitraum von 2000–2010 als „bone and joint decade“ bezeichnet. Bereits 2003 wurde die Arthrose als eine der 4 wesentlichen Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems identifiziert. 9,6 % der männlichen und 18 % der weiblichen Bevölkerung über 60 Jahre leiden weltweit an Gonarthrose oder Koxarthrose. Bis 2020 wird durch die steigende Lebenserwartung eine Zunahme erwartet. Weltweit steigt seit 160 Jahren die Lebenserwartung pro Dekade um 2,3 Jahre [1]. Die Arthrose dürfte dann auf Position 4 in der Rangliste der Gründe für eine Behinderung vorrücken [2]. In radiologischen Studien mit Bezug auf die USA und Europa konnte in einer Bevölkerung über 45 Jahren eine Rate der Gonarthrose von 14,1 % bei Männern und 22,8 % bei Frauen ermittelt werden [3].
Die kongenitalen Valgus- und Varus-Fehlstellungen erhöhten das Risiko der Gonarthrose [4, 5] und werden durch sportliche Aktivität (high-impact Sport) im jugendlichen Alter begünstigt [6]. Darüber hinaus stellt eine bestehende Valgus- oder Varus-Fehlstellung ein erhebliches Risiko zum Fortschreiten der Gonarthrose dar [7]. Die Odds Ratio wird für die Valgus-Fehlstellung mit 4,89 und für die Varus-Fehlstellung mit 4,09 angegeben. In-vivo-Untersuchungen bei implantierter Knietotalendoprothese mit integrierter Druckmessung zeigten, dass 1° Varus-Abweichung in einer Mehrbelastung im medialen Kompartiment um 5 % resultiert [8] (Abb. 1).
Mit der Diagnose „unikompartimentelle Gonarthrose“ bei 30 bis 60-jährigen Patienten erfolgte in Deutschland im Jahr 2008, nach einer bundesweiten Erhebung in den orthopädischen und unfallchirurgischen Kliniken, in 38.376 Fällen eine Kniegelenkarthroskopie. Die KTP wurde in 28.824 Fällen und die Schlittenprothese in 4040 Fällen implantiert. Im Verhältnis dazu erscheint die Anzahl der erfolgten Eingriffe zum Gelenkerhalt mit der kniegelenknahen Osteotomie in 4649 Fällen als eher gering [9]. Es zeigte sich aber auch, dass die Anzahl der im Durchschnitt erfolgten Osteotomien pro Klinik von 17,1 im Jahr 2002 [10] auf 23,5 im Jahr 2008 in Deutschland anstieg. Die unkritische Indikationsstellung, nahezu unabhängig vom Alter des Patienten, und eine attraktive Vergütung für Operateur und Klinik in den meisten Gesundheitssystemen haben zu einer Zunahme der implantierten KTPs geführt, aber auch zu einer Zunahme der resultierenden Revisionsendoprothetik. Das klinische und ökonomische Problem wurde bisher unterschätzt. In den USA wurden im Jahr 2010 bereits 55.000 Revisionsoperationen nach KTP durchgeführt. Davon erfolgten 48 % bei Patienten unter 50 Jahren [11]. Durch die höhere Lebenserwartung wird erwartet, dass die Anzahl bis zum Jahr 2030 auf das 5-fache ansteigen wird.
Die große Bedeutung des Themas „Kniegelenkentlastung“ spiegelt eine aktuelle Arbeit aus den USA wider. Es wurde die Kosteneffektivität für junge Patienten zwischen 50 und 60 Jahren für die „high tibial osteotomy (HTO)“, die Schlittenprothese und die Knie-TEP in den USA untersucht. Es wurden unterschiedliche Parameter zur Analyse herangezogen. Unter anderem wurden die „quality-adjusted life-years“ (QALYs) und „willingness to pay“ (WTP) mit einbezogen. Es zeigte sich, dass die HTO eine sehr kosteneffektive Methode zur Behandlung der medialen Varusgonarthrose darstellt und nach Meinung der Autoren zur Behandlung mehr genutzt werden sollte [12].
Neben den Osteotomien stehen auch andere operative Verfahren mit dem Prinzip der Druckentlastung zum Gelenkerhalt im Fokus aktueller Forschungsbemühungen. Im Folgenden werden neben den eigenen Techniken der kniegelenknahen Osteotomien die Druckentlastung mittels Kniegelenkdistraktion und Federsysteme dargestellt.
Osteotomien
Die durch Jackson und Waugh [13] berichtete Ball-and-socket-Osteotomie fand durch die Modifikation zur Closed-wedge-HTO durch Coventry 1965 [14] eine zunehmende Verbreitung. Bei der mittlerweile als Coventry-Methode bekannten Technik wurde über gute und ermutigende Ergebnisse berichtet [13–19]. Dem lateralen Zugang mit Keilentnahme aus der proximalen Tibia und Fibulaosteotomie sowie die Darstellung des N. peroneus communis lastete jedoch das Problem einer anspruchsvollen Operationstechnik und der möglichen Nervenverletzung mit resultierender Sensibilitätsstörung, Fußheberschwäche, langen Rehabilitationszeit, Pseudarthrosenbildung und Fraktur des Tibiaplateaus an [20]. Die Einleitung zur grundlegenden Veränderung der Operationstechnik fand im Jahr 1987 mit der Arbeit von Hernigou et al. [21] statt, einer französischen Arbeitsgruppe aus Paris. In den folgenden Jahren wurde bei Verwendung der Open-wedge-HTO vor allem über die von Giancarlo Puddu entwickelte kurze Spacer-Platte berichtet [22]. Über die Verwendung eines Plattenfixateurs nach den AO-Prinzipien zur Stabilisierung einer Open-wedge-HTO wurde zwar bereits im Jahr 2000 durch Carlo De Simoni und Alex Staubli [23] im Rahmen der Rubrik „Mitteilungen“ in der Schweizer Wochenzeitschrift berichtet, diese fand jedoch noch keine Beachtung. Eine grundlegende Veränderung der Open-wedge-HTO und Einleitung der „Renaissance“ der Osteotomien zur Behandlung der medialen Gonarthrose fand durch die Publikationen von Lobenhoffer und Agneskirchner [24] wie auch von Staubli et al. [25] statt. Es wurde die biplanare Operationstechnik der valgisierenden öffnenden Osteotomie (Open-wedge-HTO) eingeführt.
Indikation zu
r Osteotomie
Die Indikation zur kniegelenknahen Osteotomie ergibt sich aus der Deformitätenanalyse anhand von Ganzbein-Standaufnahmen in Kombination mit dem Gelenkverschleiß, der klinischen Symptomatik, Allgemeinzustand, Aktivitätsgrad sowie Vorerkrankungen. Bei einem Genu varum und knöcherner Deformität in der proximalen Tibia kann beispielsweise durch die Open-wedge-HTO eine Harmonisierung der Gelenkwinkel und damit der Beinachse erreicht werden. Im Rahmen der präoperativen Planung, die mit hoher Präzision mittels digitaler Planungssoftware durchgeführt werden kann [26], wird die erforderliche Öffnungshöhe der Osteotomie bzw. Keilbasishöhe berechnet.
Biplanare Open-wedge-HTO mit Plattenfixateur
Zur Operation wird der Patient auf dem Rücken gelagert und das gesamte Bein bzw. bis zum proximalen Oberschenkel steril abgedeckt. Ob eine Blutsperre verwendet wird, hängt von der Präferenz des Operateurs ab. Es wird ein ca. 5 cm langer, längs verlaufender Hautschnitt an der medialen proximalen Tibia über dem Pes anserinus angelegt (Abb. 2A). Die Faszie wird anterior des medialen Kollateralbands und proximal des Pes anserinus inzidiert (Abb. 2B) und mit dem Raspatorium die dorsale Tibia präpariert. Der oberflächliche Zügel des Innenbands wird entweder mit dem Raspatorium oder mit dem Skalpell nach distal abgelöst. Anschließend wird vorzugsweise ein röntgendurchlässiger Retraktor im Verlauf der geplanten Osteotomie mit Knochenkontakt an die dorsale Tibia platziert. Anschließend werden 2 K-Drähte mit Zielrichtung auf die Fibulaspitze positioniert (Abb. 2C und 2D). Diese sollten parallel zum Tibial-slope eingebracht sein. Unter Röntgenkontrolle kann jetzt die transversale Säge-Osteotomie bis ca. 5–10 mm vor die Gegenkortikalis erfolgen. Die aszendierende Osteotomie wird im Winkel von 110° zur transversalen angelegt. Zur sicheren Orientierung kann ein Hohmann-Hebel vor das Ligamentum patellae platziert werden.
Nachdem die Osteotomie komplettiert wurde, können 4 Osteotomiemeißel fächerförmig eingeschlagen werden. Durch die entstandene Öffnung wird zunächst anterior ein Arthrodesenspreizer eingebracht, die Meißel werden entfernt und dann ein weiterer Spreizer dorsal eingebracht. Der anteriore Arthrodesenspreizer kann nun entfernt werden und das Bein wird in komplette Streckung überführt. Mit dem Arthrodesenspreizer wird nun die Osteotomie gemäß der Planung geöffnet. Es muss bei der Öffnungshöhe allerdings der Sägeverschnitt beachtet werden. Die meisten Sägeblätter haben eine Dicke von 0,9–1,27 mm. Daher muss zur Planung 1 mm dazu addiert werden. Die Öffnung wird im trapezförmigen Spalt dorsal gemessen. Zur Kontrolle der Beinachse kann ein Ausrichtstab aufgebracht werden und die Achse mit der Planung verglichen werden.
Bei zufriedenstellender Korrektur wird der Plattenfixateur (TomoFix MHT, DePuySynthes, Umkirch) mit einem K-Draht proximal positioniert. Anschließend werden die Schraubenlöcher proximal mit winkelstabilen Schrauben besetzt. Im ersten Plattenloch am distalen „Fragment“ der Osteotomie wird eine bikortikale Zugschraube eingebracht, um die Platte unter Vorspannung zu setzten. Hier ist es wichtig, dass das Eindrehen mit Vorsicht erfolgt. Die Knochenqualität variiert im interindividuellen Vergleich erheblich, sodass durch zu starkes Anziehen eine Fraktur der Gegenkortikalis provoziert werden kann – eine sogenannte Hinge-Fraktur. Danach können die weiter distal gelegenen Plattenlöcher mit monokortikalen winkelstabilen Schrauben besetzt werden. Dann wird der Abstandshalter proximal entfernt und ebenfalls durch eine winkelstabile Schraube besetzt. Abschließend wird die bikortikale Zugschraube durch eine winkelstabile Schraube ersetzt. Zur finalen Kontrolle der Beinachse und Dokumentation sollte nochmals der Ausrichtstab verwendet werden (Abb. 2) sowie eine Abschlusskontrolle der Plattenlage und Osteotomie (Abb. 2F) erfolgen.
Mittlerweile sind von unterschiedlichen Herstellern weitere Plattenfixateure auf dem Markt verfügbar. Umfangreiche Studien fehlen noch. Obwohl eigene Erfahrungen mit den meisten anderen Systemen fehlen, verfolgen diese die selben Prinzipien und werden sicherlich zu ähnlichen Ergebnissen wie das Traditionsimplantat „TomoFix“ führen.
Biplanare Closed-wedge-DFO mit Plattenfixateur
Es wird keine Blutsperre angelegt. In der von uns angewendeten minimalinvasi ven Technik wird medial am distalen Oberschenkel proximal des Epicondylus ein 5 cm messender Hautschnitt angelegt (Abb. 3A). Die Muskelfaszie wird inzidiert und nach proximal und distal gespalten. Anschließend kann stumpf zum Femur unter dem M. vastus medialis präpariert werden (Abb. 3B). Nachdem der distale Femur mit Epicondylus dargestellt ist, wird das Septum intermuskulare dorsal am Femur inzidiert und nach distal und proximal abpräpariert. Es entsteht ein Fenster von ca. 3 cm. Mit dem Finger kann bereits der distale Femur umfahren werden. Ein röntgendurchlässiger Retraktor wird im Verlauf der Osteotomie platziert und 4 K-Drähte mit Zielrichtung auf den gewünschten Drehpunkt sowie Abstand der geplanten Keilhöhe positioniert. Der Drehpunkt sollte knapp proximal der dorsalen Kondylen an der lateralen Kortikalis gewählt werden. Jetzt kann unter sicherem Schutz die transversale Osteotomie der posterioren zwei Drittel des Femurs erfolgen (Abb. 3C). Die Osteotomie sollte bis ca. 5 mm vor die Gegenkortikalis durchgeführt werden.
Anschließend erfolgt die aszendierende Osteotomie als komplette Osteotomie mit einem schrägen Verlauf über ca. 5 cm. Der Keil kann nun entfernt werden. Die Osteotomie sollte sich mit leichtem Druck schließen lassen. Ist dies noch nicht der Fall, muss zunächst die aszendierende Osteotomie kontrolliert werden, ob sie komplett ist (beispielsweise mit einem AO Metalllineal) oder ggf. die Gegenkortikalis noch mit der Säge geschwächt werden. Die Autoren empfehlen für die Osteotomie über den minimalinvasiven Zugang die Verwendung einer Präzisionssäge, bei der die Bewegung nur an der Spitz des Sägeblattes erfolgt (Precision Saw, Stryker, Duisburg) (Abb. 3C). Um eine gute Passform zu erreichen, muss das distale Plattenende häufig noch angebogen werden. Dann kann der Plattenfixateur unter den M. vastus medialis eingeschoben werden. Die Platte wird zunächst distal und anschließend proximal mit einem K-Draht fixiert. Jetzt wird die Plattenlage kontrolliert und ggf. korrigiert (Abb. 3D). Die distalen Plattenlöcher werden mit winkelstabilen Schrauben besetzt und im ersten proximalen Loch eine bikortikale exzentrisch gebohrte Kortikalisschraube eingebracht. Damit kann nochmals Kompression auf die Osteotomie ausgeübt werden. Sollte das noch nicht ausreichen, kann nach den bekannten AO-Prinzipien das nächste Kombi-Loch für eine exzentrisch gebohrte Schraube verwendet werden. Sobald die Kompression zufriedenstellend ist, werden die Plattenlöcher proximal mit bikortikalen winkelstabilen Schrauben besetzt. Die bikortikalen Zugschrauben werden am Ende durch winkelstabile Schrauben ersetzt. Eine abschließenden Kontrolle der Beinachse mittels Ausrichtstab ist obligatorisch, verhindert allerdings nur einen groben Fehler in der Beinachse, da es sich nicht um Belastungsbedingungen handelt. Abschließend wird die Plattenlage kontrolliert (Abb. 3E).
Valgisierende/varisierende
Doppelosteotomie
Im Rahmen der Deformitätenanalyse zeigen sich regelhaft Kombinationsdeformitäten mit Beteiligung des distalen Femur und der proximalen Tibia (Abb. 4). Ziel einer Korrektur ist es, nicht nur eine Korrektur der Beinachse zu erreichen, sondern auch eine Harmonisierung der Gelenkwinkel ohne neue grobe Deformitäten. Daher hat sich im eigenen Vorgehen sowohl die valgisierenden wie auch die varisierende Doppelosteotomie als Standardverfahren etabliert (Abb. 5).
Das operative Vorgehen ist eine Kombination aus den zuvor dargestellten Techniken. Bei einer Varus-Fehlstellung erfolgt die Korrektur ebenfalls als Closed-wedge-DFO am distalen Femur (von lateral). Bei einer Valgusfehlstellung erfolgt an der Tibia keine Open- sondern eine Closed-wedge-HTO von medial. Bei der beginnenden Aufarbeitung der eigenen Fälle zeigen sich seit der Einführung des Vorgehens 2011 vielversprechende Resultate. Langzeitergebnisse bleiben abzuwarten.
Ergebnisse nach valgisierender HTO
Die Anzahl der Arbeiten, die über Langzeitergebnisse nach valgisierender HTO berichten, beziehen sich in der Mehrzahl auf die Closed-wedge-HTO. In Tabelle 1 sind die Überlebensraten nach Closed-wedge-HTO und in Tabelle 2 sind die Ergebnisse nach Open-wedge-HTO dargestellt.
Bei der Closed-wedge-HTO zeigt sich eine Verteilung der Überlebensrate nach 5 Jahren zwischen 85 % und 99,3 % (13 von 14 Publikationen) mit einem Ausreißer nach unten mit 73 % [33]. Nach 10 Jahren wird die Streuung größer und reicht von 51–97,6 %. Zwölf (15) Arbeiten berichten über eine Überlebensrate von mehr als 75 % und nur in 3 (15) Arbeiten wird über weniger als 75 % berichtet. Nach 15 Jahren beträgt die Spannweite 39–93,2 %. Aus den 11 verfügbaren Publikationen berichten 4 über eine Überlebensrate von weniger als 65 % und 7 von mehr als 65 %. Nach 18 Jahren und 20 Jahren sind nur noch einzelne Arbeiten mit wenig Patienten in den Gruppen verfügbar (3 nach 18 Jahren und 3 nach 20 Jahren). Für diese Langzeitergebnisse liegen sehr unterschiedliche Angaben vor. Diese reichen von 30–85 %.
Bei der Open-wedge-HTO werden nach 5 Jahren durchgehend gute Ergebnisse mit einer Überlebensrate von 88,8–100 % berichtet (9 Arbeiten). Nach 10 Jahren sinkt die Überlebensrate auf 74–92 % (4 Arbeiten) und nach 15 Jahren auf 68–71 %. Insgesamt präsentieren sich die Ergebnisse etwas harmonischer als nach der Closed-wedge-HTO, obgleich die Anzahl der Arbeiten geringer ist.
Vergleichende Studien zwischen Closed- und Open-wedge beschreiben unterschiedliche Ergebnisse. Während Schalleberger et al. [40] gleiche Ergebnisse und Überlebensraten für die Open sowie für die Closed-wedge-HTO berichteten, konnte Duivenvoorden et al. [29] eine höhere Überlebensrate für die Open-wedge-HTO nach 10 Jahren beobachten. Inwieweit sich diese Beobachtungen in der Zukunft für die modernen Plattenfixateure bestätigen, bleibt abzuwarten und muss bei entsprechender Datenlage neu beurteilt werden. Zusammenfassend kann für beide Verfahren festgehalten werden, dass sehr gute Langzeitergebnisse bestehen.
Operative Entlastung ohne Knochenkorrektur
Gelenkdistraktion
Die Gelenkdistraktion wurde mittlerweile als Therapie bei Arthrose für unterschiedliche Gelenke mit Erfolg beschrieben, unter anderem für das Kniegelenk [49–51]. Das Prinzip beruht auf der Anlage eines Fixateur externe, mit dem eine Distraktion auf das Kniegelenk mit unterschiedlicher Dauer ausgeübt wird. Je nach Arbeitsgruppe wurden Systeme verwendet, mit denen das Kniegelenk weiter beweglich war [51] bzw. starre Fixateur-Systeme [49]. In einer aktuellen Arbeit aus einer niederländischen Arbeitsgruppe [49] konnten im Vergleich der valgisierenden Open-wedge-HTO zur Kniegelenkdistraktion ähnliche Ergebnisse erzielt werden (Abb. 6). Während die klinischen Ergebnisse nach 12 Monaten einen leichten Vorteil für die valgisierende Open-wedge-HTO zeigte, resultierte ein signifikanter Unterschied zugunsten der Kniegelenkdistraktion in Bezug auf den Gelenkspalt. Eigene Erfahrungen zu diesen Methoden fehlen. Nichtsdestotrotz scheinen die Ergebnisse vielversprechend zu sein und könnten insbesondere bei jüngeren Patienten mit gerader Beinachse zum Einsatz kommen, um ein Fortschreiten der Arthrose zu verzögern.
Feder-System
Auf dem Markt ist momentan ein implantierbares Federsystem zur Entlastung des medialen Kompartiments verfügbar. In der Vergangenheit war es unter dem Namen KineSpring-System (MOXIMED) bekannt. Mittlerweile wurden einige Modifikationen am System vorgenommen und es ist jetzt unter dem Namen ATLAS Knee-System (MOXIMED) erhältlich. Das Prinzip basiert auf dem physiologischen Gang. In der Phase des Bodenkontrakts entstehen 2 Druckspitzen („toe-off“ und „heel-down“) im Knie [8, 52]. Bei Varus-Fehlstellung sind die Druckspitzen medial erhöht [8]. Das Federsystem hat die Möglichkeit, die Druckspitzen um 13 kg zu reduzieren [53]. Im Rahmen von Pilotstudien wurde über erste gute Ergebnisse berichtet [54] mit einer Komplikationsrate von 9,4 % (eine Infektion, 2 Fälle mit persistierenden Schmerzen und 2 Fälle mit erforderlicher Arthrolyse). Andere Berichte über mechanische Komplikationen mit Federbruch [55] sowie Perforation der Feder durch die Kapsel [56] sind bekannt. Das neue ATLAS Knee-System hat veränderte Materialen im Federbereich und ist weniger voluminös (Abb. 7). Dadurch wird eine geringere Weichteilirritation erwartet. Klinische Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Klinische Relevanz
Operative Entlastungsmethoden haben in den letzten Jahren eine zunehmende Verbreitung gefunden. Die Bereitschaft und der Trend nehmen zu, Patienten im aktiven Lebensabschnitt gelenkerhaltend zu operieren. Den größten Stellenwert nehmen die kniegelenknahen Osteotomien ein, und sie stellen das Standardverfahren der operativen Entlastung dar. Forschungsaktivitäten mit einer temporären Kniedistraktion bzw. Implantation einer extraartikulären Feder scheinen ebenfalls vielversprechende Ergebnisse zu erzielen. Breite Ergebnisse auf einem hohen Evidenzlevel stehen allerdings noch aus.
Interessenkonflikt: Keine angegeben
Korrespondenzadresse
Dr. Steffen Schröter
BG Unfallklinik Tübingen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Eberhard Karls Universität Tübingen
Schnarrenberg Straße 95
72076 Tübingen
schroeter.steffen@t-online.de
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Fussnoten
1 BG Unfallklinik Tübingen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Eberhard Karls Universität Tübingen