Übersichtsarbeiten - OUP 10/2016
Operative Methoden zur Entlastung des Kniegelenks
Die Indikation zur kniegelenknahen Osteotomie ergibt sich aus der Deformitätenanalyse anhand von Ganzbein-Standaufnahmen in Kombination mit dem Gelenkverschleiß, der klinischen Symptomatik, Allgemeinzustand, Aktivitätsgrad sowie Vorerkrankungen. Bei einem Genu varum und knöcherner Deformität in der proximalen Tibia kann beispielsweise durch die Open-wedge-HTO eine Harmonisierung der Gelenkwinkel und damit der Beinachse erreicht werden. Im Rahmen der präoperativen Planung, die mit hoher Präzision mittels digitaler Planungssoftware durchgeführt werden kann [26], wird die erforderliche Öffnungshöhe der Osteotomie bzw. Keilbasishöhe berechnet.
Biplanare Open-wedge-HTO mit Plattenfixateur
Zur Operation wird der Patient auf dem Rücken gelagert und das gesamte Bein bzw. bis zum proximalen Oberschenkel steril abgedeckt. Ob eine Blutsperre verwendet wird, hängt von der Präferenz des Operateurs ab. Es wird ein ca. 5 cm langer, längs verlaufender Hautschnitt an der medialen proximalen Tibia über dem Pes anserinus angelegt (Abb. 2A). Die Faszie wird anterior des medialen Kollateralbands und proximal des Pes anserinus inzidiert (Abb. 2B) und mit dem Raspatorium die dorsale Tibia präpariert. Der oberflächliche Zügel des Innenbands wird entweder mit dem Raspatorium oder mit dem Skalpell nach distal abgelöst. Anschließend wird vorzugsweise ein röntgendurchlässiger Retraktor im Verlauf der geplanten Osteotomie mit Knochenkontakt an die dorsale Tibia platziert. Anschließend werden 2 K-Drähte mit Zielrichtung auf die Fibulaspitze positioniert (Abb. 2C und 2D). Diese sollten parallel zum Tibial-slope eingebracht sein. Unter Röntgenkontrolle kann jetzt die transversale Säge-Osteotomie bis ca. 5–10 mm vor die Gegenkortikalis erfolgen. Die aszendierende Osteotomie wird im Winkel von 110° zur transversalen angelegt. Zur sicheren Orientierung kann ein Hohmann-Hebel vor das Ligamentum patellae platziert werden.
Nachdem die Osteotomie komplettiert wurde, können 4 Osteotomiemeißel fächerförmig eingeschlagen werden. Durch die entstandene Öffnung wird zunächst anterior ein Arthrodesenspreizer eingebracht, die Meißel werden entfernt und dann ein weiterer Spreizer dorsal eingebracht. Der anteriore Arthrodesenspreizer kann nun entfernt werden und das Bein wird in komplette Streckung überführt. Mit dem Arthrodesenspreizer wird nun die Osteotomie gemäß der Planung geöffnet. Es muss bei der Öffnungshöhe allerdings der Sägeverschnitt beachtet werden. Die meisten Sägeblätter haben eine Dicke von 0,9–1,27 mm. Daher muss zur Planung 1 mm dazu addiert werden. Die Öffnung wird im trapezförmigen Spalt dorsal gemessen. Zur Kontrolle der Beinachse kann ein Ausrichtstab aufgebracht werden und die Achse mit der Planung verglichen werden.
Bei zufriedenstellender Korrektur wird der Plattenfixateur (TomoFix MHT, DePuySynthes, Umkirch) mit einem K-Draht proximal positioniert. Anschließend werden die Schraubenlöcher proximal mit winkelstabilen Schrauben besetzt. Im ersten Plattenloch am distalen „Fragment“ der Osteotomie wird eine bikortikale Zugschraube eingebracht, um die Platte unter Vorspannung zu setzten. Hier ist es wichtig, dass das Eindrehen mit Vorsicht erfolgt. Die Knochenqualität variiert im interindividuellen Vergleich erheblich, sodass durch zu starkes Anziehen eine Fraktur der Gegenkortikalis provoziert werden kann – eine sogenannte Hinge-Fraktur. Danach können die weiter distal gelegenen Plattenlöcher mit monokortikalen winkelstabilen Schrauben besetzt werden. Dann wird der Abstandshalter proximal entfernt und ebenfalls durch eine winkelstabile Schraube besetzt. Abschließend wird die bikortikale Zugschraube durch eine winkelstabile Schraube ersetzt. Zur finalen Kontrolle der Beinachse und Dokumentation sollte nochmals der Ausrichtstab verwendet werden (Abb. 2) sowie eine Abschlusskontrolle der Plattenlage und Osteotomie (Abb. 2F) erfolgen.
Mittlerweile sind von unterschiedlichen Herstellern weitere Plattenfixateure auf dem Markt verfügbar. Umfangreiche Studien fehlen noch. Obwohl eigene Erfahrungen mit den meisten anderen Systemen fehlen, verfolgen diese die selben Prinzipien und werden sicherlich zu ähnlichen Ergebnissen wie das Traditionsimplantat „TomoFix“ führen.
Biplanare Closed-wedge-DFO mit Plattenfixateur
Es wird keine Blutsperre angelegt. In der von uns angewendeten minimalinvasi ven Technik wird medial am distalen Oberschenkel proximal des Epicondylus ein 5 cm messender Hautschnitt angelegt (Abb. 3A). Die Muskelfaszie wird inzidiert und nach proximal und distal gespalten. Anschließend kann stumpf zum Femur unter dem M. vastus medialis präpariert werden (Abb. 3B). Nachdem der distale Femur mit Epicondylus dargestellt ist, wird das Septum intermuskulare dorsal am Femur inzidiert und nach distal und proximal abpräpariert. Es entsteht ein Fenster von ca. 3 cm. Mit dem Finger kann bereits der distale Femur umfahren werden. Ein röntgendurchlässiger Retraktor wird im Verlauf der Osteotomie platziert und 4 K-Drähte mit Zielrichtung auf den gewünschten Drehpunkt sowie Abstand der geplanten Keilhöhe positioniert. Der Drehpunkt sollte knapp proximal der dorsalen Kondylen an der lateralen Kortikalis gewählt werden. Jetzt kann unter sicherem Schutz die transversale Osteotomie der posterioren zwei Drittel des Femurs erfolgen (Abb. 3C). Die Osteotomie sollte bis ca. 5 mm vor die Gegenkortikalis durchgeführt werden.
Anschließend erfolgt die aszendierende Osteotomie als komplette Osteotomie mit einem schrägen Verlauf über ca. 5 cm. Der Keil kann nun entfernt werden. Die Osteotomie sollte sich mit leichtem Druck schließen lassen. Ist dies noch nicht der Fall, muss zunächst die aszendierende Osteotomie kontrolliert werden, ob sie komplett ist (beispielsweise mit einem AO Metalllineal) oder ggf. die Gegenkortikalis noch mit der Säge geschwächt werden. Die Autoren empfehlen für die Osteotomie über den minimalinvasiven Zugang die Verwendung einer Präzisionssäge, bei der die Bewegung nur an der Spitz des Sägeblattes erfolgt (Precision Saw, Stryker, Duisburg) (Abb. 3C). Um eine gute Passform zu erreichen, muss das distale Plattenende häufig noch angebogen werden. Dann kann der Plattenfixateur unter den M. vastus medialis eingeschoben werden. Die Platte wird zunächst distal und anschließend proximal mit einem K-Draht fixiert. Jetzt wird die Plattenlage kontrolliert und ggf. korrigiert (Abb. 3D). Die distalen Plattenlöcher werden mit winkelstabilen Schrauben besetzt und im ersten proximalen Loch eine bikortikale exzentrisch gebohrte Kortikalisschraube eingebracht. Damit kann nochmals Kompression auf die Osteotomie ausgeübt werden. Sollte das noch nicht ausreichen, kann nach den bekannten AO-Prinzipien das nächste Kombi-Loch für eine exzentrisch gebohrte Schraube verwendet werden. Sobald die Kompression zufriedenstellend ist, werden die Plattenlöcher proximal mit bikortikalen winkelstabilen Schrauben besetzt. Die bikortikalen Zugschrauben werden am Ende durch winkelstabile Schrauben ersetzt. Eine abschließenden Kontrolle der Beinachse mittels Ausrichtstab ist obligatorisch, verhindert allerdings nur einen groben Fehler in der Beinachse, da es sich nicht um Belastungsbedingungen handelt. Abschließend wird die Plattenlage kontrolliert (Abb. 3E).