Übersichtsarbeiten - OUP 05/2022

Pathophysiologie von Knorpelschaden, Früharthrose und fortgeschrittener Arthrose

Daneben findet man als charakteristisches Zeichen eine Degeneration der intraartikulären Bänder [29]. Durch das inflammatorische Milieu kommt es zu einer chondroiden Metaplasie mit Proteoglykaneinlagerung und fibrochondrozytärem Phänotyp. Bei einem Großteil der Arthrose-Patienten [30] finden sich Veränderungen wie chondroide und mukoide Metaplasie, Kalzifizierung, und das Auftreten von Myofibroblasten [31]. Zusammen mit einem entzündlich bedingten Umbau des Kapsel-/Bandapparates führen diese Prozesse zur Kontraktur und Funktionseinschränkung des Gelenkes, die zu einer Beschleunigung des arthrotischen Prozesses führen kann.

Vor allem bei von Patienten mit Arthrose im Endstadium finden sich große Knorpelfragmente im Synovium [24]. Freigesetzt aus der Synovialmembran werden proinflammatorische Mediatoren wie IL-1, IL-6, TNF-a, Stickoxid, Neuropeptide, Prostaglandine. Diese Faktoren könnten wiederum den Knorpelabbau fördern, welcher weiter die synoviale Entzündung verstärken kann. Diese Abriebsynovialitis setzt knorpelzerstörende Faktoren aus synovialen Zellen frei, die wie ein Circulus vitiosus über eine negative Verschiebung der Bilanz zum Verlust der Homöostase des Gelenks den arthrotischen Knorpelabbau verstärkten können.

Klinischer Ausblick

Die Reparaturmechanismen des hyalinen Gelenkknorpels bei Arthrose werden klassischerweise als eingeschränkt bezeichnet [26]. Dennoch lassen aktuelle Studien vermuten, dass diese schicksalhafte Betrachtung, die einen irreversiblen Abnutzungsvorgang beschreibt, offensichtlich komplexer und ggf. eher in einer ständigen Balance von temporär degenerativen und regenerativen Prozessen betrachtbar ist.

So zeigen aktuelle klinische Studien regionalen Knorpelaufbau durch pharmakologische Therapien. Allerdings waren diese strukturmodifizierenden Veränderungen von klinisch unverändertem Schmerz und Gelenkfunktion im Vergleich zum Plazebo begleitet. Desweiteren belegen klinische Studien zur Gelenkdistraktion bei Patienten mit fortgeschrittener Gonarthrose interessante Ergebnisse. Bei der Kniegelenkdistraktion wird an Femur und Tibia für etwa 6 Wochen ein rigider Fixateur externe angelegt, welcher die Knochen graduell auseinanderzieht und den Gelenkspalt erweitert. Ob tatsächlich die Knorpelbildung angeregt wird, ist aktuell Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Kernspintomografische Untersuchungen zeigten auch, dass in den Knien tatsächlich eine Vergrößerung der Knorpelvolumina stattfand. Diese Daten lassen hoffen, dass es zukünftig denkbar sein könnte, zumindest eine Reduktion des Fortschreitens des arthrotischen Prozesses zu erreichen, die möglicherweise die Implantation einer Endoprothese herauszögern kann.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Henning Madry

Institut für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung

Universität des Saarlandes

66424 Homburg/Saar

henning.madry@uks.eu

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