Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024

Physikalische Therapie in konservativer Orthopädie und Rehabilitation
Eine Übersicht

Stefan Middeldorf

Zusammenfassung:
Ambulante und stationäre Rehabilitation als komplexes und multimodales Behandlungskonzept bedient sich maßgeblich Methoden, die der konservativen Orthopädie zugeordnet werden, hier insbesondere die Verfahren der physikalischen Therapie. In Abgrenzung zur Physiotherapie und medizinischen Trainingstherapie handelt es sich bei der physikalischen Therapie um mit Technik erbrachte Therapieformen. Hierbei reicht das Spektrum von der Hydro-, Mechano- und Thermotherapie bis hin zu Balneotherapie, Massageformen und Elektrotherapie. Klimatherapie, Photo- und Aerosol-/Inhalationstherapie berühren dabei das orthopädische Fachgebiet weniger. Wenn die Therapieformen häufig auch als passiv bezeichnet werden, so beruht doch die Wirkung auf physikalischen Gesetzen, physiologischen Reaktionen und Adaptation. Darüber hinaus handelt es sich überwiegend um Therapieformen, die sich teils seit Jahrhunderten, teils seit Jahrtausenden im Einsatz befinden, auf dem Wege der Empirie gewonnene, effiziente Behandlungen mit gutem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil.

Schlüsselwörter:
Physikalische Therapie, konservative Orthopädie, Rehabilitation

Zitierweise:
Middeldorf S: Physikalische Therapie in konservativer Orthopädie und Rehabilitation.
Eine Übersicht
OUP 2024; 13: 179–185
DOI 10.53180/oup.2024.0179-0185

Summary: Outpatient and inpatient rehabilitation, as a complex and multimodal treatment concept, makes significant use of methods that are assigned to conservative orthopedics, in particular the procedures of physical therapy. In contrast to physiotherapy and medical training therapy, physical therapy is a form of therapy provided with technology. The spectrum ranges from hydrotherapy, mechanotherapy and thermotherapy to balneotherapy, massage forms and electrotherapy. Climatotherapy, phototherapy and aerosol/inhalation therapy have less of an impact on the orthopaedic field. Although the forms of therapy are often referred to as passive, the effect is based on physical laws, physiological reactions and adaptation. In addition, these are predominantly forms of therapy, some of which have been in use for centuries, some for thousands of years, these efficient treatments with a good safety and tolerability profile gained by means of empiricism.

Keywords: Physical therapy, conservative orthopaedics, rehabilitation

Citation: Middeldorf S: Physical therapy in conservative orthopaedics and rehabilitation. An overview
OUP 2024; 13: 179–185. DOI 10.53180/oup.2024.0179-0185

Orthopädische Klinik, Schön Klinik Bad Staffelstein

Einleitung

Ambulante und stationäre Rehabilitation, unter Einsatz von physikalischer Therapie als Verfahren aus der konservative Orthopädie, wird in Deutschland multimodal, unter Einsatz verschiedener Therapieformen, und interdisziplinär erbracht, unter Einsatz zahlreicher ineinander greifender Therapieformen und dabei interagierender Berufsgruppen unter fachärztlicher Leitung, im besten Sinne ganzheitlich unter Berücksichtigung des bio-psycho-sozialen Krankheitskonzeptes. Neben den wichtigen inhaltlichen Aspekten wie den aktiven Therapiemaßnahmen, insb. den verschiedenen Formen der Bewegungstherapie und Patientenedukation, spielt aber letztlich auch die konkret körperstrukturorientiert erbrachte physikalische Therapie eine wesentliche Rolle, ärztlich indiziert und verordnet. Im Bezug auf die konkrete Durchführung besteht die fachliche Übernahmeverantwortung durch die Erbringung der Leistungen der Physiotherapeuten, medizinischen Bademeister, Badehelfer und Masseure.

Neben der Aktualitätsdiagnose ist insb. die topische bzw. die Strukturdiagnose behandlungsbegründend. Diese wird ermittelt auf Basis einer dezidierten, idealerweise manualtherapeutisch oder osteopathisch unterstützten klinischen Untersuchung, die krankhafte Veränderungen aufdeckt.

Wenn die Begrifflichkeiten zur Bezeichnung der Verfahren teils auch unscharf verwendet werden, so zählt man in der wissenschaftlichen Grundlagen-Literatur zur physikalischen Therapie als Behandlungsart, den Einsatz in der Natur vorkommender Energien und mit Hilfe von Technik erzeugte Behandlungsarten. Die Wirkung beruht dabei auf physikalischen Gesetzen und physiologischen Reaktionen und Adaptation. Darüber hinaus besteht eine jahrhunderte-, teils jahrtausendelange Empirie, es handelt sich um effiziente und auf Empirie fußende Behandlungen mit gutem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil. In Bezug auf die Effekte wird unterschieden zwischen einer Immediatwirkung (Analgesie bei Elektrotherapie, Sofortwirkung) im Gegensatz zu einer zeitabhängigen adaptiven Wirkung bei serieller Anwendung. Die therapeutische Reizintensität hängt dabei ebenso ab von Konstitutionsgegebenheiten (Pykniker, Leptosom, Athlet), wie von der Reaktionstypologie (Psyche/Körperbau), der vegetativen Ausgangslage (Tagesrhythmik), und ob es sich um einen ruhenden oder vollaktiven Organismus handelt. Die Therapieplanerstellung hat dies, um eine optimale Wirkung zu erzielen, zu berücksichtigen.

Es werden klassischerweise folgende Formen der physikalischen Therapie unterschieden:

Mechanotherapie

Thermotherapie (Kälte/Wärme)

Hydrotherapie, auch Hydrogalvanik

Elektrotherapie und Ultraschall

Phototherapie

Balneotherapie

Klimatherapie

Aerosol- und Inhalationstherapie

Massageformen

Die genannten Therapieformen werden überwiegend risikoarm bei hoher Patientenakzeptanz erbracht. Dabei untergliedert die Heilmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in ihrer aktuellen Version die Verfahren der physikalischen Therapie dem Kapitel D: Maßnahmen der Physiotherapie. In der Vorgängerversionen war das noch anders, da wurden der physikalischen Therapie noch weitere Verfahren, auch Bewegungstherapieformen (Krankengymnastik, auch gerätegestützt, manuelle Therapie), unterstellt [1].

Therapieformen

Im Weiteren werden typischerweise die im Rahmen der ambulanten und stationären Rehabilitation eingesetzten Therapieformen angesprochen [2].

Thermo- und Kryotherapie

Sie gehören als Behandlungsarten grundlegend zur Gruppe der physikalischen Therapie. Genutzt werden für den Einsatz die in der Natur vorkommenden Energien, auch finden sich mithilfe von Technik erzeugte Behandlungsarten. Unterschieden wird zwischen Therapieformen mit geringer Reizintensität, beispielsweise erwärmenden Teilpackungen und Wickel, ansteigende Fuß- und Handbäder, heiße Moor- und Paraffinpackungen, und Therapieformen, die mit stärkeren Reizen einhergehen, so beispielsweise verschiedene Güsse nach Kneipp. Dabei gehen im Allgemeinen starke Reize insbesondere durch Ganzkörpermaßnahmen aus. Dazu zählen im Sinne der Intensitätsskala zunächst das 4-Zellen-Bad, medizinische Bäder, Unterwassermassagen und Überwärmungsbäder. Zu den weiteren Kriterien der Anwendung der genannten Methoden gehören reizabbauende Methoden in der Akutsituation, bei bereits eingetretener Chronizität werden reizsetzende Therapiearten bevorzugt.

Zur Thermotherapie gehört, wie der Name schon sagt, zum einen die Kälte-, zum anderen die Wärmetherapie. Es gibt darüber hinaus Überlappungen mit der Hydro- und Balneotherapie sowie Elektrotherapie. Definitionsgemäß handelt es sich bei der Kryotherapie um den therapeutischen Einsatz von Kälte zum globalen systemischen oder lokalen, auf einzelne anatomische Gewebeareale begrenzten Wärmeentzug. Die Therapieform ist auch als sog. Verdunstungskälte wirksam. Als Applikationsformen kommen zum einen Eis, Chips/Eisgranulat, ebenso wie Eisbeutel und der gestielte Eisroller (sog. Eislolly) zum Einsatz, darüber hinaus Kältekompressen, Gelpackungen, chemische Kompressen, Kältespray und Kaltgase (Kaltluft, Stickstoff). Als „milde“ Kälte wird der Stöckli-Wickel bezeichnet, ebenso wie der kalte Wickel, kalte Peloide und Quarkpackungen.

In Bezug auf die Effekte führt der kurzfristige Einsatz in einer zeitlichen Ausdehnung von 5–10 min über eine initiale, zunächst oberflächlich auftretende, dann auch in tieferen muskulären Schichten reichende Vasokonstriktion und damit zu einer Herabsetzung der lokalen Durchblutung. Nach deren Absetzen folgt eine reaktive, anhaltende Hyperämie mit wellenförmigem Verlauf und längerfristig um ca. 20–30 % erhöhtem Schmerzschwellenniveau. Aus einer Langzeitanwendung von 1–2 Stunden erfolgt eine deutliche Herabsetzung der Gewebedurchblutung mit gleichzeitiger Stoffwechseldämpfung und Abnahme der Aktivität enzymatischer Prozesse und der Phagozytose. Die ausgeprägte Schmerzlinderung erklärt sich durch Herabsetzung auch der nervalen Aktivität (Nervenleitgeschwindigkeit, reflektorische Hemmungen der Schmerzfortleitung auch auf spinaler Ebene, Refraktärzeit) und Entstehung einer subjektiv höheren Schmerztoleranz. Durch eine Herabsetzung des Schwellendrucks ergeben sich Effekte in Bezug auf eine Durchblutungs- und Ödemhemmung, weiterhin findet sich eine Erhöhung des venösen Druckes sowie ebenso eine Erhöhung der Viskosität der Synovialflüssigkeit. Kältetherapie kann auch als Ganzkörperexposition im Rahmen der Behandlung in einer Kältekammer (Stickstoff oder CO2 von ?110 °C bis ?160 °C oder Kaltluft von ?60 °C bis ?110 °C) für einige Minuten unter adäquatem Schutz der Akren durchgeführt werden, z.B. bei aggressiven Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Kältetherapie lässt sich auch mit Hydrotherapie kombinieren, z.B. in Form eines Eistauchbades bei 6–12 °C für einige Minuten oder Eisteilbades bzw. Kaltwasserbades. Zu typischen Indikationen von Kryotherapie gehören postoperative lokale Gewebereizzustände ebenso wie akute Gelenkirritationen, z.B. traumatische oder rheumatische Arthritis, aktivierte Arthrose, Gichtarthritis, akute Periarthritis, Bursitis, Tendovaginitis sowie auch stumpfe Weichteilverletzungen (Prellungen, Kontusionen, Distorsionen und Hämatome). Im Falle von Gewebezerreißungen ist eine zusätzliche Kompression wichtig, da die kältebedingte Kontraktion der Blutgefäße nur kurzfristig anhält. Weiterhin wird Kälte bei akuten lumbovertebralen Syndromen mit schmerzhaftem Muskelhartspann eingesetzt, bei radikulopatischer Schmerzausstrahlung, Ödemen und lokalen Verbrennungen, darüber hinaus bei neurologischen Krankheitsbildern, vor allem bei bestehender Spastizität.

In Bezug auf Kontraindikationen ist zunächst zu berücksichtigen, dass Kältetherapie ungünstig bei chronischen Schmerzbildern ist, sie sollte auch nicht bei peripheren arteriellen Durchblutungsstörungen, Angina pectoris und Raynaud-Symptomatik erfolgen. Weitere Kontraindikationen sind Kälteallergien, Kryoglobolinämie, Kältehämoglobinurie, akute Nieren- und Blasenerkrankungen sowie Schädigungen des peripheren Lymphgefäßsystems.

Wärmetherapie

Der therapeutische Einsatz von Wärme gelingt durch Wärmeleitung, Konvektion (Wärmeströmung) oder Wärmestrahlung. Dabei findet sich in Bezug auf die Durchführung eine Überlappung auch zur Hydrotherapie und Elektrotherapie. Erfolgsorgan der Therapieform sind u.a. verschiedene Rezeptorengruppen für die Temperaturempfindung. Die Erwärmung der Haut führt zu einer Erhöhung der Schmerzschwelle, lokale Hitzereize können auch die darunterliegende Muskulatur fazilitieren, dies mit gleichzeitiger Hemmung des jeweiligen Antagonisten. Zu den Effekten gehört die gezielte lokale Temperaturerhöhung in Geweben und Organen mit anschließender reaktiver Vasodilatation der kapillaren Endstrombahn, vor allem im Bereich der Hautoberfläche, damit auch zur Steigerung der Durchblutung und des Stoffwechsels, Stimulation der Phagozytose, vermehrte Flüssigkeitstranssudation, Herabsetzung des Muskeltonus und Verbesserung der Dehnbarkeit des Kollagengewebes. Weiterhin gelingt die Herabsetzung der Viskosität der Synovialflüssigkeit und eine primäre Analgesie durch maximale Erregung der kutanen Thermorezeptoren. Beschrieben ist darüber hinaus die Beeinflussung des Nebennierenrindenstoffwechsels mit vorübergehendem Abfall des Plasma-Kortisolspiegels. Die klinische Wirkung, auch die sekundäre, erklärt sich über die mittels Tonusherabsetzung der Muskulatur herbeigeführte Analgesie und ist abhängig von den speziellen Reizparametern des jeweiligen Wärmeträgers (Intensität, Dauer seiner Einwirkung, Dynamik, Größe und Reizfläche). Zu den Nebeneffekten der Wärmetherapie gehört die Erhöhung der Atem- und Pulsfrequenz, Atemvertiefung, Abnahme des Blutdruckes durch Erniedrigung des Gefäßwiderstandes, vermehrtes Schwitzen und die Detonisierung der glatten Muskulatur im Bronchial-, Magen- und Darmbereich. Zu den Anwendungsformen der Ganzkörperthermotherapie gehört unter anderem Sauna und das Heißluftdampfbad. Beispiele für lokale Anwendungen trockener Wärme sind neben Heizkissen und Wärmflasche, Wickel und Packungen, trockener heißer Sand, Infrarotstrahler, Laserstrahler, Elektrotherapie und Ultraschalltherapie. Feuchte Wärme kann appliziert werden über organische Peloide (Torf, Moorerde, Schlick), anorganische mineralische Peloide (Fango, Sand, Lehm, Kreide), Paraffinpackungen, heiße Handtücher (sogenannte „heiße Rolle“), Priesznitz-Wickel und Teilbäder, z.B. für Arme oder Füße. Der Einsatz der Wärmetherapie erfolgt oftmals vorbereitend zur Durchführung einer physiotherapeutischen Übungsbehandlung oder einer manuellen Massage. Dies kommt in erster Linie bei der Behandlung chronisch-entzündlicher Prozesse, wie degenerativer Gelenkerkrankungen, Krankheiten des rheumatischen Formenkreises, Periarthropathien, Tendinosen, Wirbelsäulensyndromen mit Myalgien und Myogelosen zum Einsatz. Die genannten Therapieformen beinhalten ein außergewöhnlich großes Spektrum in Bezug auf deren Einsatz und Durchführung.

Zu typischen Kontraindikationen gehören akute entzündliche Prozesse, frische stumpfe Traumata, lokale Ödeme und chronisch venöse Insuffizienz, ausgeprägte Varikosis und Thrombophlebitis, arterielle Durchblutungsstörungen, akute Neuritiden, neurogen beeinträchtigtes Temperaturempfinden mit der Gefahr der Verbrennung, Spastik und Kontraktur bei cerebralen Paresen, knapp- oder voll dekompensierte arterielle Hypertonie und Herzinsuffizienz.

Hydrotherapie

Zu den ältesten Formen therapeutischer Anwendungen von Wasser und Bädern gehört die Hydrotherapie. Definitionsgemäß spricht man von der systemischen, evtl. auch seriellen Anwendung von Kälte oder Wärme unter Nutzung von Wasser als Temperaturträger. Kombiniert werden kann die gleichzeitige Durchführung mechanischer Maßnahmen wie Reibungen, Bürstungen, Unterwasserdruckstrahlmassage und Güsse. Zu den Vorteilen des Mediums Wasser als thermischer Träger gehört, dass es überall in großer Menge verfügbar ist, günstige physikalische Eigenschaften hat, darüber hinaus über eine gute lokale Verträglichkeit verfügt und es zudem über einen großen Temperaturbereich gut dosierbar ist.

Die Therapieformen lassen sich auch in unterschiedliche Stufen hydrotherapeutischer Reize untergliedern:

So wird zu den Therapieformen mit mildem Reizeffekt gezählt: Abreibungen, Waschungen, Trockenbürstungen, ansteigende Teilbäder (Unterarm, Füße), wechselnde Fußbäder, kalte Güsse (bis Kniegelenk), Wassertreten und Wickel für eine Körperregion. Zu den Therapieformen mit mittlerem Reizeffekt zählt man die ansteigenden Sitz- und Beinbäder, Halbbäder, wechselwarme Sitzbäder, Wickel- und das Sitzdampfbad. Starke Reizeffekte werden erzeugt durch den Vollguss, Blitzguss und die Kaltdusche, darüber hinaus Saunasitzungen, Dampfbad, Überwärmungsbad und die Ganzpackung. Die stärksten Reizeffekte werden ausgelöst durch das Tauchbad im Eiswasser. Je nach gewünschter Wirkung erfolgt die Zugabe spezieller chemischer oder pflanzlicher Stoffe wie Salze, ätherische Öle, Extrakte oder Gase, meist bei der Form der Wannenbäder. Wichtigster mineralischer Zusatz ist die NaCl-Lösung, das sog. Solebad (auch als ortsständiges Heilmittel in Thermalbädern verfügbar), z.B. zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen und auch der Psoriasis.

Zu den Effekten der genannten Therapieformen gehört die Verbesserung der peripheren Durchblutung, Training für das vasomotorische Regulationssystem, Einübung vegetativer Reflexe und die Eutonisierung des Vegetativums. Der Hautturgor und -tonus sowie die Hauttrophik und die -elastizität verbessern sich ebenso wie die muskuläre Relaxation; hierdurch lässt sich eine Linderung von Gelenkbeschwerden erreichen. Zu den weiteren positiven Effekten gehört die Erhöhung des Gewebeinnendruckes durch den hydrostatischen Druck und die Anregung sowie Aktivierung des Immunsystems. Durch den Wasserauftrieb wird die muskuläre Kraftentfaltung vor allen Dingen im Bereich der unteren Extremitäten im Zuge der aktiven Bewegungsabläufe erheblich reduziert, was im Rahmen der krankengymnastischen Behandlung von großer Bedeutung ist. Auch wird der Wasserwiderstand im Zuge der Durchführung einer aktiven Übungsbehandlung genutzt. Zur Hydrotherapie können an dieser Stelle daher auch die Balneotherapie mit Inhalten wie Aquajogging, Schwimmtherapie nach McMillan, die Bad-Ragazer-Ring-Methode, die Halliwick-Methode und die PIPE-Methode (Prone Immerson Physical Exercises) gezählt werden. Es handelt sich hierbei um verschiedene Verfahren der Schwimmtherapie unter Einsatz spezieller Hilfsmittel wie Paddel, Schwimmbrettchen oder Bälle.

Hydrotherapeutische Therapieverfahren beinhalten häufig auch Aspekte der Thermo- und Kryotherapie, auch gibt es Kombinationen mit der Elektrotherapie, so z.B. das Stangerbad oder das 4-Zellen-Bad. Das Kohlensäurebad stellt ein Ganzkörperwannenbad unter Ausnutzung der peripheren therapeutischen Wirkung von Kohlendioxid dar. Effekt ist die Dämpfung der Kälterezeptoren und Erregung der Wärmerezeptoren der Haut mit konsekutiver peripherer Vasodilatation und subjektivem Wärmegefühl in der Peripherie. Auch lässt sich eine Blutdrucksenkung erzeugen. Zu den Indikationen gehört daher neben der arteriellen Hypertonie, funktionelle arterielle Durchblutungsstörungen, aber auch funktionelle Störungen des vegetativen Nervensystems und psychosomatische Erkrankungen. Kontraindikationen sind je nach Therapieform zu berücksichtigen. Typischerweise gehören hierzu akute Herzerkrankungen, wie z.B. die dekompensierte Herzinsuffizienz, ausgeprägte entzündliche Hauterkrankungen und Wundheilungsstörungen oder hochfieberhafte Allgemeininfektionen [3].

Elektrotherapie

Im Rahmen der Elektrotherapie werden die physikalischen und/oder chemischen Eigenschaften des elektrischen Stromes therapeutisch genutzt. Unterschiedliche Stromqualitäten kommen, in Abhängigkeit von der gewünschten Wirkung, zum Einsatz.

Bei den niederfrequenten Strömen handelt es sich zunächst um Gleichströme (bis zu 1.000 Hz) mit applizierten Stromstärken deutlich unter der subjektiven Toleranzgrenze von 1 mA/cm2 Hautoberfläche. Zu typischen Anwendungsformen gehören die stabile Quergalvanisation zur Schmerzlinderung im Bereich von Triggerpunkten, das Zellenbad (Extremitäten-Teilbad mit stabiler galvanischer Stromapplikation). Zum Einsatz bei degenerativen Arthritiden kommt das Stangerbad, erfunden durch den Gerbermeister Heinrich Stanger Ende des 19. Jhds., als Ganzkörperbad mit stabilen galvanischen Strömen. Bei multiartikulären (Gelenk-)Prozessen kommt bevorzugt die Iontophorese mit transkutan gerichtetem Ionentransport im Zuge eines galvanischen Stromdurchflusses zwischen großflächigen Plattenelektroden zum Einsatz. Unter der Anode erfolgen Schmerzlinderung und muskuläre Detonisierung, unter der Kathode eine besonders starke Hyperämisierung. Hauptindikationen sind hier: periarthropathische Reizzustände, wobei die im Stromfeld wandernden negativen geladene Medikamente unter die Kathode, positiv geladene Substanzen unter die Anode, gebracht werden.

Zu den niederfrequenten Wechselströmen zählen die diadynamischen (Bernardschen) Impulsströme mit guter analgetischer und hyperämisierender Wirkung sowie Begünstigung der Resorptionsförderung. Diese werden deshalb in erster Linie bei akuten traumatischen exsudativen arthritischen Reizzuständen eingesetzt.

Das TENS-Verfahren (Transkutane elektrische Nervenstimulation – batteriebetriebenes Taschengerät mit Abgabe rechteckförmiger Impulsströme) wird zur rein symptomatischen lokalen Schmerzbekämpfung durch Reizung peripherer Nervenendigungen mit sekundärer Blockade der Schmerzweiterleitung im Bereich der Hinterhornneurone des Rückenmarkes eingesetzt und unterscheidet sich daher grundsätzlich von den anderen genannten Stromformen.

Bei der Hochvolttherapie erfolgen lediglich extrem kurze polare Doppelimpulse ohne elektrolytische Gewebewirkung. Es kommt zu einer lokalen Analgesie und Hyperämisierung (mit Verbesserung der Wundheilung) sowie zu einer Detonisierung der darunter liegenden Muskulatur. Dabei ist diese Stromform auch einsetzbar bei einliegenden Metallimplantaten (Osteosynthesematerial, Endoprothesen). Zu den Einsatzgebieten gehören: posttraumatische Schmerzzustände, schmerzhafte degenerative (und rheumatische) Gelenkaffektionen, chronische Epikondylopathien, Achillodynie, trophische Hautulzera (auch bei Diabetes mellitus), Algodystrophie (auch: CRPS I, M. Sudeck), Gewebeödeme, Myogelosen (auch im Bereich des Rückens), periphere Neuralgien.

Bei der pulsierenden Signaltherapie handelt es sich um den gezielten lokalen Einsatz elektromagnetischer Felder eines pulsierenden Gleichstromes. Behauptet wird eine Stimulation von Fibrochondrozyten und Chondrozyten degenerativ veränderten Gelenkknorpels mit vermehrter Bildung von Proteoglykanen, v.a. von Hydroxyprolin (Kollagenmarker) mit dann verbesserter Wasserbindungsfähigkeit des Knorpels und damit einer verbesserten Elastizität sowie Beschleunigung der Regeneration der Knorpelmatrix. Der Einsatz findet sich in den Bereichen Kniegelenke, Fingerpolyarthrose, Fußwurzelarthrose, Weichteilverletzungen, Überlastungsschäden und/oder Insertionstendopathie.

Mittelfrequente Ströme (1000–300.000 Hz) führen zu einer asynchronen Antwort der erregbaren Zellen. Aufgrund des niedrigen kapazitiven Gewebewiderstandes wird nur eine geringe Stromspannung benötigt; dabei ist gleichzeitig eine hohe Stromdichte ohne sensible Hautbelastung möglich. Bei der meist üblichen Nemectrodyn-Anwendung erfolgt eine Wechselstromdurchflutung des Gewebes mit Interferenz zweier frequenz- und phasenverschobener Stromkreise und damit konsekutiver Reizerhöhung in deren Überlappungsgebiet (Interferenz-Frequenz 100–200 Hz). Die Behandlungsdauer bei akuter Symptomatik beträgt 5–10 min, im Falle chronisch degenerativer Gelenkprozesse wird 12–15 min behandelt. Zu wichtigen Indikationen zählen degenerative Wirbelsäulensyndrome, Periarthropathie und chronische Arthralgien großer Körpergelenke.

Hochfrequente Ströme (über 300.000 Hz) besitzen aufgrund ihrer nur kurzen Impulsdauer keinen direkten Stimulationseffekt auf Nerven- und Muskelzellen mehr (keine elektrische Stromwirkung), sondern lediglich einen chemischen Reiz mit ausschließlicher Wärmewirkung. Der Effekt erklärt sich durch die Erzeugung elektromagnetischer Wellen, sog. Diathermie. Im Gelenkbereich resultieren eine Hyperämisierung und Stoffwechselsteigerung, Analgesie, muskuläre Detonisierung und eine Viskositätserhöhung der Synovialflüssigkeit. Zu wichtigen Indikationen zählen artikuläre und muskuläre Prozesse.

Bei der Ultraschalltherapie , bei der es sich streng genommen nicht um eine Elektrotherapie handelt, wird der therapeutische Effekt durch eine lokale Wärmeerzeugung durch mechanische Longitudinalschwingungen erzeugt. Hauptwirkungsort ist in erster Linie der Grenzflächenbereich unterschiedlicher Dichte, z.B. der Übergang von Weichteilen zum Knochengewebe, an denen eine Schallreflexion erfolgt. Es resultieren eine Permeabilitäts- und damit Diffusionssteigerung des durchfluteten Gewebes mit einer Stoffwechselerhöhung, eine lokale Analgesie und eine muskuläre Relaxation. Des Weiteren werden Gewebeverklebungen gelöst, die Gewebetrophik wird verbessert. Da ein Luftspalt zwischen Schallkopf und Oberhaut nicht überwunden werden kann, ist ein direkter Hautkontakt erforderlich. Sowohl eine statische, mit ruhendem Schallkopf, als auch eine dynamische Applikation mit bewegtem Schallkopf ist möglich, letzteres zur Reduktion einer möglichen Verbrennungsgefahr. Kombiniert werden kann das Verfahren mit Ankopplungsmedien (Externa wie Salben, Öle oder Gele; sog. Ultraphonophorese), aber auch diadynamische Ströme (sog. Phonoiontophorese). Im Falle einliegender Metallimplantate ist die Dosis um 30–50 % zu reduzieren. Zu Hauptindikationen zählen periartikuläre Reizzustände, Sehnen- und Kapselansatzreizstände sowie Verwachsungen und Narbenbildungen. Zu Kontraindikationen zählen die hohe Entzündungsaktivität, lokalisierte Infektionen, Phlebothrombosen, Gerinnungsstörungen, arterielle Durchblutungsstörungen, einliegende Metallimplantate (Gefahr der Überhitzung).

Phototherapie (Lichttherapie)

Bei der Phototherapie (Lichttherapie) kommt es zum Einsatz des von der Sonne ausgestrahlten optischen Strahlenspektrums, das sowohl die niederenergetische Wärmestrahlung, das sichtbare Licht selbst sowie die höher energetische ultraviolette Strahlung umfasst, wobei unter technischen Gesichtspunkten nahezu ausschließlich künstliche Strahlungsquellen industriell gefertigter Geräte verwendet werden. Therapeutisch von wesentlicher Bedeutung ist die von der Wellenlänge der eingesetzten Strahlung abhängige Eindringtiefe in das exponierte Areal; quantitativ vermag nur der von den einzelnen Gewebeanteilen tatsächlich absorbierte Strahlungsanteil lokal ablaufende biochemische Prozesse anzuregen. Bei der Rotlichttherapie werden die längerwelligen Rotanteile des natürlichen sichtbaren Lichtes therapeutisch genutzt, das im Vergleich zum normalen „weißen“ Licht eine geringere lokale Wärmeentwicklung im bestrahlten Hautareal entfaltet, jedoch über eine größere Eindringtiefe verfügt. Zu wichtigen Indikationen gehören: periarthropathische Weichteilaffektionen (Myalgien, Myogelosen, Myotendopathien, Fibrositiden), Arthralgien bei Arthrosen, rheumatische Gelenkaffektionen, jedoch nicht im entzündlichen Schub. Zu Kontraindikationen zählen: akute rheumatoide Arthritis, Infektarthritiden, dekompensierte Herzinsuffizienz, schwere Herzrhythmusstörungen, akuter oder erst kürzlich zurückliegender Myokardinfarkt, entgleister Diabetes mellitus, Hyperthyreose, Nebennierenrindensuffizienz.

Bei der Infrarotlichttherapie kommt es durch den Einsatz der im elektromagnetischen Spektrum sich dem Rot des sichtbaren Lichtes anschließenden, nicht mehr sichtbaren niederenergetischen (längerwelligen) Wärmestrahlung (Wellenlänge > 780 nm) zu einer allmählich auftretenden Temperaturerhöhung nur der oberflächlichen Hautschichten (im Gegensatz zur Diathermie durch hochfrequente Elektrotherapie). Es resultiert ein Wärmerückstau bis in tiefe Gewebeschichten, da der Abtransport der körpereigenen Wärme vermindert wird; sekundär kommt es durch den Wärmetransport zwischen der Haut und dem tiefer liegenden, geringer temperierten Fett-, Muskel- und Sehnengewebe ebenfalls zu einem lokalen Anstieg der Temperatur. Es resultieren eine Förderung lokaler metabolischer Prozesse, eine lokale Steigerung der Durchblutung, eine Detonisierung der Muskulatur, eine Herabsetzung der Synovialviskosität.

Durch den Einsatz eines durch induzierte Emission zeitlich und räumlich gebündelten Lichtstrahles, der Lasertherapie, kommt es zu einer Förderung des Zellwachstums und der Zellregeneration, sog. Biostimulator, und zu einer Verbesserung der Immunabwehr, auch im Sinne einer antibakteriellen Wirkung. Die Applikation erfolgt mittels senkrecht aufgesetzter Punktelektrode (bessere Eindringtiefe), die auf den lokalen Schmerzpunkt aufgesetzt oder im Sinne einer Strichführung über das betroffene Hautareal geführt wird. Zu wichtigen Indikationen gehören proliferative Gelenk- und Sehnenprozesse bei (floriden) Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, frische Verletzungen mit Gewebeexsudation. Keinesfalls darf eine Applikation im Bereich parenchymatöser Organe erfolgen, kein Kontakt zum Augapfel. Zu Kontraindikationen zählen die schwere Arteriosklerose/dekompensierte pAVK, offene Epiphysenfugen (Kinder, Jugendliche), frische Thrombose/Thrombophlebitis, Herzrhythmusstörungen/einliegender Herzschrittmacher, hochakute fieberhafte Krankheitsprozesse, metastasierende Tumoren, Gerinnungsstörungen/Hämophilie, hochdosierte Daueranalgetikatherapie, ausgeprägte Beeinträchtigung der Schmerzempfindung, einliegendes Osteosynthesematerial im Behandlungsgebiet und Gravidität [4].

Kostenträgerseitige
Rahmenbedingungen

Der indikationsspezifische Erhebungsbogen S6 Orthopädie (stationär) der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) führt Aspekte der Strukturqualität aus, so unter anderem das Vorhandensein eines Bewegungsbades (mit Hebelift), auch in Kooperation. Das Vorhalten weiterer Maßnahmen der physikalischen Therapie ist hier, bis auf die manuelle Lymphdrainage, nicht explizit ausgeführt, wohl aber auf erforderliche personelle Ressourcen in Form von Badehelferinnen-/helfern, med. Bademeisterinnen/-meistern und Masseurinnen/Masseuren. Für die ganztägig-ambulante Reha werden die gleichen Kriterien genannt.

Als Qualitätsmerkmal wurde zudem in den vergangenen Jahren von Seiten der DRV die Erstellung von Rehatherapiestandards (RTS) gefördert, um eine wissenschaftliche, evidenzbasierte Grundlage für die Durchführung zu schaffen. Der aktuelle Therapiestandard zum chronischen Rückenschmerz, auch als evidenzbasiertes Therapiemodul bezeichnet, berücksichtigt hier aus dem Bereich der physikalischen Therapie Massage als Behandlungsform, die bei 30 % der Rehabilitanden zu erbringen sei, mind. 40 min/Woche. Unter Berücksichtigung des KTL-Schlüssels sind als Therapieformen hinterlegt: klassische Massage, Bindegewebsmassage, Unterwasserdruckstrahlmassage, Akupunkturmassage, Reflexzonenmassage. Der RTS für die Behandlung nach Implantation einer Hüft- und Kniegelenktotalendoprothese führt explizit physikalische Therapie auf, zu erbringen bei mind. 50 % der Rehabilitanden, mind. 80 min pro Woche. Hier weisen die KTL-orientiert aufgeführten Inhalte ein breites Spektrum auf, von Elektrostimulation, Ganzkörper- und lokaler Kälte und Wärmebehandlung bis zu verschiedenen Verfahren der Elektrotherapie (niederfrequenter Reizstrom, Mittel- und Hochfrequenz) und Massage (klassisch, Bindegewebe, Reflexzone, Unterwasserdruckstrahl, Lymphdrainage, manuell und apparativ, gerätegestützte Kompressionstherapie).

Die aktuelle Handlungsanleitung der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) beschreibt die strukturqualitätsbezogenen Inhalte für die klassischen Behandlungsformen im rehabilitativen Setting, monomodale Heilmittelverordnungen, erweiterte ambulante Rehabilitation (EAP), berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung (BGSW) und arbeitsplatzbezogene muskuloskelettale Rehabilitation (ABMR). Monomodal können neben Physiotherapie und Ergotherapie auch Leistungen aus dem Bereich physikalische Therapie verordnet werden, hier die ganze Bandbreite – Wärme-, Kälte-, Elektrotherapie, Ultraschall, verschiedene Bäder und Massageformen, hydroelektrische Bäder, gashaltige Bäder und Elektrogymnastik. Die EAP definiert Verfahren der physikalischen Therapie als essenziellen Kern der Behandlung. Aufgeführt werden Elektrotherapie, Hydrotherapie, Thermotherapie und Mechanotherapie (manuelle Lymphdrainage und Massage). Als orientierende zeitliche Richtwerte für diese Verfahren werden 30 min/Tag angegeben. Die BGSW führt die gleichen Verfahren auf. Als orientierende zeitlicher Richtwerte für diese Verfahren werden hier 60 min/Tag angegeben. Die ABMR hat ihren Schwerpunkt bei arbeitsplatzrelevanten Aktivitäten, die Strukturanforderungen beinhalten hier allerdings daneben auch die bereits aufgeführten Therapieverfahren der physikalischen Therapie aus EAP und BGSW.

Anforderungen an die Strukturqualität erbrachter rehabilitativer Leistungen werden im Sektor der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) über die Systematik des QS-Reha-Verfahrens abgeprüft. Therapeutische Inhalte werden dabei durch die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) beschrieben. Für den Bereich der ambulanten Rehabilitation bei muskuloskelettalen Erkrankungen wird physikalische Therapie mit Massagen, Hydro-, Wärme-, Kälte- und Elektrotherapie aufgeführt, als Berufsgruppen hier Masseurinnen/Masseure und med. Bademeisterinnen/-meister. Bewegungsbad ist vorzuhalten, ggf. in Kooperation. Für den stationären Bereich wird physikalische Therapie als Behandlungselement aufgeführt, ohne Differenzierung.

Zusammenfassung

Viele Pfeile im Köcher ermöglichen eine patientenzentrierte und individualisierte Behandlung, so, wie sich unsere Patientinnen und Patienten sich dies ja auch, oft als ganzheitlich bezeichnet, wünschen. Physikalische Therapie stellt hier eine wirksame und meist kostengünstig zu erbringende Behandlungsart dar, bei zu vernachlässigenden Behandlungsrisiken und hoher Akzeptanz bei Patientinnen und Patienten.

Natürlich gab es in der Geschichte der Medizin vieles, was wir heute als wirkungslos, im besten Fall nicht patientenschädigend, ansehen würden. Im Bereich der physikalischen Therapie wäre hier, als eine der vielen Irrwege, der Mesmerismus zu nennen. Bei dem von Franz Anton Mesmer (1734–1815) propagierte Verfahren sollte der animalische Magnetismus, auch als „tierischer Magnetismus“ bezeichnet, als Heilmethode Wirkung erzielen. Es wurden zur Behandlung Stahlmagneten am Körper bzw. einer am Körper getragenen Weste befestigt. Hypnoseartige Therapieanteile traten hinzu, in diesem Zusammenhang wird für den 28.07.1774 die Behandlung der seinerzeit 29-jährigen „Jungfer Oesterlin“ beschrieben, deren Krampfleiden behandelt werden sollte – leider erfolglos. Das Verfahren, dass zwischenzeitlich im 18. Jhd. große öffentliche Beachtung genoss, verschwand im Weiteren aber dann, wie so vieles andere, in der Mottenkiste der Medizingeschichte. Wir sind hier also tief im Bereich der Esoterik und sog. Glaubensmedizin, d.h. Ärztin/Arzt und Patientin/Patient glauben fest an das Verfahren. Wirkung erzielt im besten Fall der unspezifische Placeboeffekt.

Dabei trifft es in der Tat zu, dass insbesondere auch in der internationalen Literatur Metaanalysen zu den eingesetzten Verfahren fehlen. Dies hängt zum einen daran, dass die entsprechenden Verfahren schwerpunktmäßig in Deutschland erbracht werden und hier eine lange Tradition haben, zudem entziehen sich die Verfahren meist einer Verblindung, die Erbringung ist heterogen (Intensität/Frequenz/Lokalisation) und meist im Zusammenhang mit anderen Therapieformen im Rahmen eines Konzeptes. Somit entzieht sich in aller Regel die Bewertung eines einzelnen Verfahrens einer dezidierten Betrachtung, ohne dass sich hieraus jedoch der Schluss ziehen ließe, dass keine Wirksamkeit bestünde. Da die Verfahren häufig auch im Bereich von Medical Wellness und in der früher häufig verwendeten und in der Bevölkerung durchaus noch gängigen Begrifflichkeit „Kur“ zur Anwendung kamen, signalisiert offensichtlich zu dem für manche Kreise eine fehlende Wirksamkeit im Bereich von effektiver und effizienter Medizin.

Die Strukturdiagnose begründet die therapeutische Intervention mit physikalischer Therapie und grenzt so auch ab von Behandlungen, die eher dem Medical Wellness zuzuordnen sind. Dabei sollten die Verfahren nicht auf dem Altar der vermeintlich metaanalysenorientierten Leitliniengläubigkeit, die wenig oder schwer untersuchbare Verfahren ausspart oder nicht berücksichtigt, geopfert werden. Good medical practice im Kontext und als Teil von Behandlungsprogrammen, streng orientiert an dezidiert ermittelten topischen Strukturdiagnosen indiziert und erbracht, sind sie ohne Zweifel.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

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Dr. Stefan Middeldorf

Schön Klinik Bad Staffelstein

Orthopädische Klinik

Am Kurpark 11

96231 Bad Staffelstein

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