Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024

Physikalische Therapie in konservativer Orthopädie und Rehabilitation
Eine Übersicht

Zu den ältesten Formen therapeutischer Anwendungen von Wasser und Bädern gehört die Hydrotherapie. Definitionsgemäß spricht man von der systemischen, evtl. auch seriellen Anwendung von Kälte oder Wärme unter Nutzung von Wasser als Temperaturträger. Kombiniert werden kann die gleichzeitige Durchführung mechanischer Maßnahmen wie Reibungen, Bürstungen, Unterwasserdruckstrahlmassage und Güsse. Zu den Vorteilen des Mediums Wasser als thermischer Träger gehört, dass es überall in großer Menge verfügbar ist, günstige physikalische Eigenschaften hat, darüber hinaus über eine gute lokale Verträglichkeit verfügt und es zudem über einen großen Temperaturbereich gut dosierbar ist.

Die Therapieformen lassen sich auch in unterschiedliche Stufen hydrotherapeutischer Reize untergliedern:

So wird zu den Therapieformen mit mildem Reizeffekt gezählt: Abreibungen, Waschungen, Trockenbürstungen, ansteigende Teilbäder (Unterarm, Füße), wechselnde Fußbäder, kalte Güsse (bis Kniegelenk), Wassertreten und Wickel für eine Körperregion. Zu den Therapieformen mit mittlerem Reizeffekt zählt man die ansteigenden Sitz- und Beinbäder, Halbbäder, wechselwarme Sitzbäder, Wickel- und das Sitzdampfbad. Starke Reizeffekte werden erzeugt durch den Vollguss, Blitzguss und die Kaltdusche, darüber hinaus Saunasitzungen, Dampfbad, Überwärmungsbad und die Ganzpackung. Die stärksten Reizeffekte werden ausgelöst durch das Tauchbad im Eiswasser. Je nach gewünschter Wirkung erfolgt die Zugabe spezieller chemischer oder pflanzlicher Stoffe wie Salze, ätherische Öle, Extrakte oder Gase, meist bei der Form der Wannenbäder. Wichtigster mineralischer Zusatz ist die NaCl-Lösung, das sog. Solebad (auch als ortsständiges Heilmittel in Thermalbädern verfügbar), z.B. zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen und auch der Psoriasis.

Zu den Effekten der genannten Therapieformen gehört die Verbesserung der peripheren Durchblutung, Training für das vasomotorische Regulationssystem, Einübung vegetativer Reflexe und die Eutonisierung des Vegetativums. Der Hautturgor und -tonus sowie die Hauttrophik und die -elastizität verbessern sich ebenso wie die muskuläre Relaxation; hierdurch lässt sich eine Linderung von Gelenkbeschwerden erreichen. Zu den weiteren positiven Effekten gehört die Erhöhung des Gewebeinnendruckes durch den hydrostatischen Druck und die Anregung sowie Aktivierung des Immunsystems. Durch den Wasserauftrieb wird die muskuläre Kraftentfaltung vor allen Dingen im Bereich der unteren Extremitäten im Zuge der aktiven Bewegungsabläufe erheblich reduziert, was im Rahmen der krankengymnastischen Behandlung von großer Bedeutung ist. Auch wird der Wasserwiderstand im Zuge der Durchführung einer aktiven Übungsbehandlung genutzt. Zur Hydrotherapie können an dieser Stelle daher auch die Balneotherapie mit Inhalten wie Aquajogging, Schwimmtherapie nach McMillan, die Bad-Ragazer-Ring-Methode, die Halliwick-Methode und die PIPE-Methode (Prone Immerson Physical Exercises) gezählt werden. Es handelt sich hierbei um verschiedene Verfahren der Schwimmtherapie unter Einsatz spezieller Hilfsmittel wie Paddel, Schwimmbrettchen oder Bälle.

Hydrotherapeutische Therapieverfahren beinhalten häufig auch Aspekte der Thermo- und Kryotherapie, auch gibt es Kombinationen mit der Elektrotherapie, so z.B. das Stangerbad oder das 4-Zellen-Bad. Das Kohlensäurebad stellt ein Ganzkörperwannenbad unter Ausnutzung der peripheren therapeutischen Wirkung von Kohlendioxid dar. Effekt ist die Dämpfung der Kälterezeptoren und Erregung der Wärmerezeptoren der Haut mit konsekutiver peripherer Vasodilatation und subjektivem Wärmegefühl in der Peripherie. Auch lässt sich eine Blutdrucksenkung erzeugen. Zu den Indikationen gehört daher neben der arteriellen Hypertonie, funktionelle arterielle Durchblutungsstörungen, aber auch funktionelle Störungen des vegetativen Nervensystems und psychosomatische Erkrankungen. Kontraindikationen sind je nach Therapieform zu berücksichtigen. Typischerweise gehören hierzu akute Herzerkrankungen, wie z.B. die dekompensierte Herzinsuffizienz, ausgeprägte entzündliche Hauterkrankungen und Wundheilungsstörungen oder hochfieberhafte Allgemeininfektionen [3].

Elektrotherapie

Im Rahmen der Elektrotherapie werden die physikalischen und/oder chemischen Eigenschaften des elektrischen Stromes therapeutisch genutzt. Unterschiedliche Stromqualitäten kommen, in Abhängigkeit von der gewünschten Wirkung, zum Einsatz.

Bei den niederfrequenten Strömen handelt es sich zunächst um Gleichströme (bis zu 1.000 Hz) mit applizierten Stromstärken deutlich unter der subjektiven Toleranzgrenze von 1 mA/cm2 Hautoberfläche. Zu typischen Anwendungsformen gehören die stabile Quergalvanisation zur Schmerzlinderung im Bereich von Triggerpunkten, das Zellenbad (Extremitäten-Teilbad mit stabiler galvanischer Stromapplikation). Zum Einsatz bei degenerativen Arthritiden kommt das Stangerbad, erfunden durch den Gerbermeister Heinrich Stanger Ende des 19. Jhds., als Ganzkörperbad mit stabilen galvanischen Strömen. Bei multiartikulären (Gelenk-)Prozessen kommt bevorzugt die Iontophorese mit transkutan gerichtetem Ionentransport im Zuge eines galvanischen Stromdurchflusses zwischen großflächigen Plattenelektroden zum Einsatz. Unter der Anode erfolgen Schmerzlinderung und muskuläre Detonisierung, unter der Kathode eine besonders starke Hyperämisierung. Hauptindikationen sind hier: periarthropathische Reizzustände, wobei die im Stromfeld wandernden negativen geladene Medikamente unter die Kathode, positiv geladene Substanzen unter die Anode, gebracht werden.

Zu den niederfrequenten Wechselströmen zählen die diadynamischen (Bernardschen) Impulsströme mit guter analgetischer und hyperämisierender Wirkung sowie Begünstigung der Resorptionsförderung. Diese werden deshalb in erster Linie bei akuten traumatischen exsudativen arthritischen Reizzuständen eingesetzt.

Das TENS-Verfahren (Transkutane elektrische Nervenstimulation – batteriebetriebenes Taschengerät mit Abgabe rechteckförmiger Impulsströme) wird zur rein symptomatischen lokalen Schmerzbekämpfung durch Reizung peripherer Nervenendigungen mit sekundärer Blockade der Schmerzweiterleitung im Bereich der Hinterhornneurone des Rückenmarkes eingesetzt und unterscheidet sich daher grundsätzlich von den anderen genannten Stromformen.

Bei der Hochvolttherapie erfolgen lediglich extrem kurze polare Doppelimpulse ohne elektrolytische Gewebewirkung. Es kommt zu einer lokalen Analgesie und Hyperämisierung (mit Verbesserung der Wundheilung) sowie zu einer Detonisierung der darunter liegenden Muskulatur. Dabei ist diese Stromform auch einsetzbar bei einliegenden Metallimplantaten (Osteosynthesematerial, Endoprothesen). Zu den Einsatzgebieten gehören: posttraumatische Schmerzzustände, schmerzhafte degenerative (und rheumatische) Gelenkaffektionen, chronische Epikondylopathien, Achillodynie, trophische Hautulzera (auch bei Diabetes mellitus), Algodystrophie (auch: CRPS I, M. Sudeck), Gewebeödeme, Myogelosen (auch im Bereich des Rückens), periphere Neuralgien.

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