Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024
Physikalische Therapie in konservativer Orthopädie und RehabilitationEine Übersicht
Stefan Middeldorf
Zusammenfassung:
Ambulante und stationäre Rehabilitation als komplexes und multimodales Behandlungskonzept bedient sich maßgeblich Methoden, die der konservativen Orthopädie zugeordnet werden, hier insbesondere die Verfahren der physikalischen Therapie. In Abgrenzung zur Physiotherapie und medizinischen Trainingstherapie handelt es sich bei der physikalischen Therapie um mit Technik erbrachte Therapieformen. Hierbei reicht das Spektrum von der Hydro-, Mechano- und Thermotherapie bis hin zu Balneotherapie, Massageformen und Elektrotherapie. Klimatherapie, Photo- und Aerosol-/Inhalationstherapie berühren dabei das orthopädische Fachgebiet weniger. Wenn die Therapieformen häufig auch als passiv bezeichnet werden, so beruht doch die Wirkung auf physikalischen Gesetzen, physiologischen Reaktionen und Adaptation. Darüber hinaus handelt es sich überwiegend um Therapieformen, die sich teils seit Jahrhunderten, teils seit Jahrtausenden im Einsatz befinden, auf dem Wege der Empirie gewonnene, effiziente Behandlungen mit gutem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil.
Schlüsselwörter:
Physikalische Therapie, konservative Orthopädie, Rehabilitation
Zitierweise:
Middeldorf S: Physikalische Therapie in konservativer Orthopädie und Rehabilitation.
Eine Übersicht
OUP 2024; 13: 179–185
DOI 10.53180/oup.2024.0179-0185
Summary: Outpatient and inpatient rehabilitation, as a complex and multimodal treatment concept, makes significant use of methods that are assigned to conservative orthopedics, in particular the procedures of physical therapy. In contrast to physiotherapy and medical training therapy, physical therapy is a form of therapy provided with technology. The spectrum ranges from hydrotherapy, mechanotherapy and thermotherapy to balneotherapy, massage forms and electrotherapy. Climatotherapy, phototherapy and aerosol/inhalation therapy have less of an impact on the orthopaedic field. Although the forms of therapy are often referred to as passive, the effect is based on physical laws, physiological reactions and adaptation. In addition, these are predominantly forms of therapy, some of which have been in use for centuries, some for thousands of years, these efficient treatments with a good safety and tolerability profile gained by means of empiricism.
Keywords: Physical therapy, conservative orthopaedics, rehabilitation
Citation: Middeldorf S: Physical therapy in conservative orthopaedics and rehabilitation. An overview
OUP 2024; 13: 179–185. DOI 10.53180/oup.2024.0179-0185
Orthopädische Klinik, Schön Klinik Bad Staffelstein
Einleitung
Ambulante und stationäre Rehabilitation, unter Einsatz von physikalischer Therapie als Verfahren aus der konservative Orthopädie, wird in Deutschland multimodal, unter Einsatz verschiedener Therapieformen, und interdisziplinär erbracht, unter Einsatz zahlreicher ineinander greifender Therapieformen und dabei interagierender Berufsgruppen unter fachärztlicher Leitung, im besten Sinne ganzheitlich unter Berücksichtigung des bio-psycho-sozialen Krankheitskonzeptes. Neben den wichtigen inhaltlichen Aspekten wie den aktiven Therapiemaßnahmen, insb. den verschiedenen Formen der Bewegungstherapie und Patientenedukation, spielt aber letztlich auch die konkret körperstrukturorientiert erbrachte physikalische Therapie eine wesentliche Rolle, ärztlich indiziert und verordnet. Im Bezug auf die konkrete Durchführung besteht die fachliche Übernahmeverantwortung durch die Erbringung der Leistungen der Physiotherapeuten, medizinischen Bademeister, Badehelfer und Masseure.
Neben der Aktualitätsdiagnose ist insb. die topische bzw. die Strukturdiagnose behandlungsbegründend. Diese wird ermittelt auf Basis einer dezidierten, idealerweise manualtherapeutisch oder osteopathisch unterstützten klinischen Untersuchung, die krankhafte Veränderungen aufdeckt.
Wenn die Begrifflichkeiten zur Bezeichnung der Verfahren teils auch unscharf verwendet werden, so zählt man in der wissenschaftlichen Grundlagen-Literatur zur physikalischen Therapie als Behandlungsart, den Einsatz in der Natur vorkommender Energien und mit Hilfe von Technik erzeugte Behandlungsarten. Die Wirkung beruht dabei auf physikalischen Gesetzen und physiologischen Reaktionen und Adaptation. Darüber hinaus besteht eine jahrhunderte-, teils jahrtausendelange Empirie, es handelt sich um effiziente und auf Empirie fußende Behandlungen mit gutem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil. In Bezug auf die Effekte wird unterschieden zwischen einer Immediatwirkung (Analgesie bei Elektrotherapie, Sofortwirkung) im Gegensatz zu einer zeitabhängigen adaptiven Wirkung bei serieller Anwendung. Die therapeutische Reizintensität hängt dabei ebenso ab von Konstitutionsgegebenheiten (Pykniker, Leptosom, Athlet), wie von der Reaktionstypologie (Psyche/Körperbau), der vegetativen Ausgangslage (Tagesrhythmik), und ob es sich um einen ruhenden oder vollaktiven Organismus handelt. Die Therapieplanerstellung hat dies, um eine optimale Wirkung zu erzielen, zu berücksichtigen.
Es werden klassischerweise folgende Formen der physikalischen Therapie unterschieden:
Mechanotherapie
Thermotherapie (Kälte/Wärme)
Hydrotherapie, auch Hydrogalvanik
Elektrotherapie und Ultraschall
Phototherapie
Balneotherapie
Klimatherapie
Aerosol- und Inhalationstherapie
Massageformen
Die genannten Therapieformen werden überwiegend risikoarm bei hoher Patientenakzeptanz erbracht. Dabei untergliedert die Heilmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in ihrer aktuellen Version die Verfahren der physikalischen Therapie dem Kapitel D: Maßnahmen der Physiotherapie. In der Vorgängerversionen war das noch anders, da wurden der physikalischen Therapie noch weitere Verfahren, auch Bewegungstherapieformen (Krankengymnastik, auch gerätegestützt, manuelle Therapie), unterstellt [1].
Therapieformen
Im Weiteren werden typischerweise die im Rahmen der ambulanten und stationären Rehabilitation eingesetzten Therapieformen angesprochen [2].
Thermo- und Kryotherapie
Sie gehören als Behandlungsarten grundlegend zur Gruppe der physikalischen Therapie. Genutzt werden für den Einsatz die in der Natur vorkommenden Energien, auch finden sich mithilfe von Technik erzeugte Behandlungsarten. Unterschieden wird zwischen Therapieformen mit geringer Reizintensität, beispielsweise erwärmenden Teilpackungen und Wickel, ansteigende Fuß- und Handbäder, heiße Moor- und Paraffinpackungen, und Therapieformen, die mit stärkeren Reizen einhergehen, so beispielsweise verschiedene Güsse nach Kneipp. Dabei gehen im Allgemeinen starke Reize insbesondere durch Ganzkörpermaßnahmen aus. Dazu zählen im Sinne der Intensitätsskala zunächst das 4-Zellen-Bad, medizinische Bäder, Unterwassermassagen und Überwärmungsbäder. Zu den weiteren Kriterien der Anwendung der genannten Methoden gehören reizabbauende Methoden in der Akutsituation, bei bereits eingetretener Chronizität werden reizsetzende Therapiearten bevorzugt.