Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018

Posteromediale Rotationsinstabilität nach Coronoidfrakturen der anteromedialen Facette

Kommt es im Rahmen einer Coronoidfraktur der anteromedialen Facette zum Ausriss des MCLs am Coronoid, kann sich in Folge dessen neben einer Valgusinstabilität eine posteromediale Rotationsinstabilität entwickeln. Im Rahmen der Frakturversorgung ist es demzufolge relevant, eine Rekonstruktion des medialen Kollateralbands vorzunehmen. Weiterhin sind diese Frakturen häufig mit Rupturen des lateralen Kollateralbands (LCL) assoziiert, was
in der präoperativen Diagnostik und operativen Versorgung bedacht werden muss.

Insgesamt zählen Coronoidfrakturen zu den seltenen Frakturen. Aufgrund der beschriebenen anatomischen Konfiguration der Incisura trochlearis humeri können Frakturen des Coronoids in 2–15 % nach einer dorsalen Ellenbogenluxation beobachtet werden. Am häufigsten kommt es zu einer Ellenbogenluxation bei Sturz auf den ausgestreckten Ellenbogen [18].

Ein spezifischer, verantwortlicher Traumamechanismus für Coronoidfrakturen ist nicht eindeutig zu beschreiben. Sowohl Verdrehungen als auch Flexions- und Hyperextensionsbewegungen können zu Coronoidfrakturen führen. Des Weiteren sind in neueren Publikationen auch Avulsionsfrakturen des Coronoids durch Zugkräfte der Gelenkkapsel beschrieben. Am häufigsten sind allerdings axiale Kräfte mit einer Varuskomponente in Extensionsstellung des Ellenbogens für Coronoidfrakturen verantwortlich. Als speziell biomechanisch verantwortlich für Frakturen der anteromedialen Facette wird eine posteromediale Rotationsbewegung gesehen, wobei der Unterarm bei Varusstress eine zum Humerus relative Pronationsbewegung ausführt [6, 21].

Klassifikationen

Frakturen des Coronoids wurden erstmals in der von Regan und Morrey im Jahre 1989 publizierten Studie klassifiziert. Sie untersuchten Coronoidfrakturen bei insgesamt 35 Patienten nach und haben 3 Frakturtypen nach der Frakturhöhe unterschieden. Bei einer Typ-I-Fraktur ist nur die Coronoidspitze betroffen, bei einer Typ-II-Fraktur hingegen bis zu 50 % von der Coronoidhöhe. Die Typ-III-Fraktur betrifft mehr als 50 % der Coronoidhöhe. Das klinische Outcome ihrer Patienten korrelierte mit dem Frakturtyp [16].

Coronoidfrakturen der anteromedialen Facette, welche hauptsächlich für eine PMRI verantwortlich sind, können in der beschriebenen Einteilung von Regan und Morrey nicht klassifiziert werden. Eine neuere Klassifikation der Coronoidfrakturen (Abb. 1), welche unter anderem Frakturen der anteromedialen Facette erfasst, wurde schließlich von O’Driscoll et al. im Jahre 2003 publiziert. Auch sie unterscheiden in ihrer Klassifikation 3 Frakturtypen. Ist bei einer Typ-1-Fraktur nur die Coronoidspitze betroffen, ist beim Typ 2 die anteromediale Facette frakturiert. Die Typ-3-Fraktur ist eine Basisfraktur des Coronoids. Die Typ-2-Fraktur kann wiederum in 3 Subtypen unterteilt werden. Handelt es sich um eine Typ-2.1-Fraktur, ist nur die anteromediale Facette betroffen. Von einer Typ-2.2-Fraktur spricht man bei zusätzlicher Mitbeteiligung der Coronoidspitze. Ist das Tuberculum subliminus mitbetroffen, wird dies als Typ-2.3-Fraktur nach O’Driscoll bezeichnet [11]. Typ-2-Coronoidfrakturen gehen in der Regel mit MCL-Rupturen einher und sind häufig mit Rupturen des lateralen Kollateralbands (LCL) assoziiert, was in der präoperativen Diagnostik bedacht werden muss.

Symptome/Diagnostik

Patienten mit Coronoidfrakturen stellen sich häufig nach dem akuten Traumaereignis mit einer diffusen Schwellung, Schmerzen und einer Bewegungseinschränkung des Ellenbogens vor. Der Ellenbogen ist durch den Untersucher zunächst genau auf eine Schwellung, ein Hämatom sowie äußere Verletzungen der Haut zu untersuchen. Bei einer akuten Schmerzproblematik kann die klinische Untersuchung nur sehr eingeschränkt möglich sein. Aufgrund der hohen Zahl der assoziierten Ellenbogenluxationen ist eine Untersuchung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität obligat durchzuführen. Häufig sind beim Durchbewegen – soweit dies vom Patienten toleriert wird – Krepitationen palpabel oder die Patienten berichten über ein Knirschen oder Knacken. Des Weiteren sollte die Range of Motion des Ellenbogens erfasst werden.

Einer der sensitivsten klinischen Tests zur Detektion einer posteromedialen Rotationsinstabilität ist der Varus-Stresstest. Dabei führt der Patient in einer 90°-Abduktionsstellung in der Schulter Flexions- und Extensionsbewegungen durch. Durch die Schwerkraft kommt es bei Patienten mit posteromedialer Rotationsinstabilität dabei zu Schmerzen, einem Instabilitätsgefühl oder einem Krepitieren im Ellenbogen [15].

Insgesamt ist aber eine klinische Einschätzung nur sehr eingeschränkt möglich.

Initial ist deshalb bei Verdacht auf eine Coronoidfraktur als Basisdiagnostik eine Röntgenbildgebung des Ellenbogens in 2 Ebenen notwendig. Aufgrund der Assoziation von Coronoidfrakturen mit dorsalen Ellenbogenluxationen ist auf die Gelenkstellung bzw. mögliche (Sub-)Luxationsstellungen zu achten. Zur Detektion von Subluxationsstellungen in der Bildgebung ist unbedingt auf eine extensionsnahe Durchführung zu achten. Vor allem kleine Frakturen des Coronoids sind in der konventionellen Röntgendiagnostik leicht zu übersehen. Bei röntgenologischem Verdacht auf eine Fraktur des Coronoids oder bei nicht sicherer Beurteilung im Röntgen sowie zur weiteren Therapieplanung ist die Durchführung einer Schnittbildgebung (Abb. 2) sinnvoll. Zur Beurteilung der Frakturausdehnung eignet sich üblicherweise die Computertomografie mit einer 3D-Rekonstruktion. Bestehen klinische oder radiologische Hinweise auf zusätzliche Weichteilverletzungen, vor allem auch zur Beurteilung der Kollateralbänder sowie der Flexoren und Extensoren, sollte eine Kernspintomografie erfolgen. Zur Darstellung von vorliegenden Subluxationen ist unbedingt zu beachten, dass die Kernspintomografie in maximal erreichbarer Extensionsstellung erfolgt.

Therapie

Vor allem bezüglich der Therapieempfehlung von Coronoidfrakturen der anteromedialen Facette ist in der Literatur nur sehr wenig zu finden. Die aktuellen Behandlungsempfehlungen basieren auf Expertenmeinungen und kleinen Fallstudien.

Die Entscheidung zur konservativen oder operativen Therapie von anteromedialen Facettenfrakturen bzw. Typ-2-Coronoidfrakturen nach O’Driscoll wurde vor wenigen Jahren häufig zugunsten der konservativen Therapie oder einer operativen Fragmentexzision gefällt. Die Patienten zeigten allerdings häufig schlechte klinische Ergebnisse nach abgeschlossener Therapie, sodass heute die frühzeitigere Empfehlung zur operativen Therapie ausgesprochen wird.

Ring und Dornberg untersuchten 18 Patienten im Mittel 26 Monate nach Coronoidfraktur der anteromedialen Facette nach, wovon 15 Patienten operativ versorgt wurden. Bei 6 Patienten, deren Fraktur nicht bzw. nicht richtig refixiert wurde, zeigte sich eine Fehlstellung der anteromedialen Facette mit Varussubluxationsstellung des Ellenbogens. Die Patienten entwickelten frühzeitig eine posttraumatische Arthrose (Abb. 3), was den Rückschluss auf die Notwendigkeit einer chirurgischen Therapie bei anteromedialer Facettenfraktur zulässt [17].

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