Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019
Rekonstruktion der originären Beinachse und Gelenklinie in der Knietotalendoprothetik
Das Design der prothetischen Trochlea entspricht der Form der nativen Patella und erhält das native Alignment von Trochlea und Patella. Die Kanten sind abgerundet, um patellafemoralen Krepitus zu vermeiden (Abb. 2).
Die tibiale Komponente ist asymmetrisch und reproduziert die Konturen des nativen Tibiaplateaus auf Höhe des proximalen Sägeschnitts. Hierdurch wird direkt die Rotationspositionierung der tibialen Komponente vorgegeben. Die Rotation der Tibia entspricht der transversen Tibiaachse, definiert durch eine Linie, welche die Zentren des medialen und lateralen Tibiaplateaus verbindet. Der tibiale Slope wird zwischen 2° und 5° gehalten, um eine antero-posteriore Instabilität zu vermeiden. Der tibiale Zapfen wird medio-lateral anhand der Achse der tibialen Metaphyse ausgerichtet, welches nicht immer dem Zentrum der Basisplatte entspricht.
Herstellungsprozess
Der Design- und Herstellungsprozess der patientenspezifischen Origin- Knieendoprothese benötigt 6 Wochen und eine Kooperation zwischen Operateur und Ingenieur. Das Design basiert auf einer dreidimensionalen Analyse der knöchernen Anatomie, der arthrotischen Deformität und der Achsausrichtung, basierend auf einer präoperativen Computertomografie von Hüft-, Knie- und Sprunggelenk. Die Dicom-Bilder werden durch sichere Datenübertragung mittels einer sog. Symbios-Box gesammelt und an den Hersteller gesandt. Die 3D-Analyse wird mithilfe der firmeneigenen Knee-Plan-Software (Symbios, Yverdon-les-Bains, Schweiz) durchgeführt.
Zusätzliche klinische (Bewegungsumfang und Reduzierbarkeit der Deformität) und radiologische Informationen (dynamische Varus-Valgus-Stress-Aufnahmen und Ganzbeinstandaufnahmen) können hilfreich sein. Der technische Herstellungsprozess erfordert mehrere Schritte:
- 1. halbautomatisierte 3D-Rekonstruktion und Segmentation des distalen Femurs, der proximalen Tibia und der Patella.
- 2. Die Planung wird mithilfe der Knee-Plan-Software durchgeführt. Aus den Rohbildern werden die Ausrichtung und der Knochenabrieb analysiert und die native (präarthrotische) Ausrichtung hergeleitet. Die Strategie der prothetischen Achsausrichtung, inklusive der Höhen und Orientierungen der Knochenschnitte, wird dann festgelegt. Das Ziel ist es, die originäre Ausrichtung (Origin-Alignment) wiederherzustellen, in einem Rahmen von ±3° von 180° und mit Rekonstruktion der Schräge der Gelenklinie in einem Rahmen von ±5°.
- 3. Das Design der definitiven Implantate, Probeimplantate und patientenspezifischen Instrumente wird mithilfe der Solidwork-Software (Dassault System, Vélizy-Villacoublay, Frankreich) vorgenommen.
- 4. Die Operationsplanung und das Implantatdesign werden online durch den Operateur validiert.
- 5. Die Herstellung der definitiven Implantate wird dann finalisiert unter Verwendung sog. Prä-Formen, im Vorfeld hergestellt im klassischen Gussverfahren aus Kobalt-Chrom für das Femur und aus Titan (Ta6V) für die Tibia. Von einer großen Auswahl von Prä-Formen wird die nächst Größere ausgewählt, und durch ein automatisiertes Schnellfräsverfahren wird die endgültige Anpassung auf die Form des präarthrotischen Gelenks durchgeführt.
- 6. Die patientenspezifischen Schnittblöcke werden durch additive Fertigung (3D-Druck-Verfahren) aus Polyamid (PA2200) hergestellt.
- 7. Die sterilisierten Implantate und Instrumente werden abschließend in einen einzigen Karton verpackt und direkt an das Krankenhaus versandt.
Alignment-Strategie
Das Origin-Alignment zielt darauf ab, sowohl die originäre (präarthrotische) Beinachse als auch die Schrägheit der Gelenklinie zu reproduzieren, basierend auf einer präoperativen Computertomografie mit 3D-Rekonstruktion von Hüfte, Knie und Sprunggelenk. Knöcherner Abrieb und arthrotische Deformität werden beurteilt und während der 3D-Rekonstruktion korrigiert. Der mechanische, mediale, distale Femurwinkel (mMDFA) wird durch Rekonstruktion der nativen femoralen Oberfläche wiederhergestellt. Der mechanische, mediale, proximale Tibiawinkel (mMPTA) wird gemessen und durch eine Kombination von Anpassung des Knochenschnitts (bis zu 3°) und einem asymmetrischen Polyethylen-Inlay (bis zu 2°) wiederhergestellt.
Das native oder konstitutionelle Alignment wird erstellt aus
der Morphologie des Kniegelenks aus einer CT,
klinischen Angaben, z.B. die Reduzierbarkeit der Fehlstellung, und
der gewichtsbelasteten Achse aus einer Ganzbeinstandaufnahme.
Dieses sog. originäre Alignment (Origin-Alignment) versucht nicht, die Beinachse auf 180° zu verändern, sondern die native Achse wiederherzustellen (Abb. 3 und 4).
Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es noch bestimmte Limitationen bei der Rekonstruktion des nativen Alignments und der Schrägheit der Gelenklinie. Es konnte gezeigt werden, dass die Wiederherstellung der nativen Schrägheit der Gelenklinie (joint line obliquity, JLO) bei Patienten mit einem konstitutionellen Varus zur Verminderung des maximalen Knieadduktionsmoments führt [19]. Das Origin-Alignment bleibt in den derzeit bekannten sicheren Zonen des mechanischen Abriebs, mit einer Variationsbreite für die Schrägheit der Gelenklinie von ± 5° und einer Variationsbreite für die postoperative Beinachse von ±3° um 180°. Unter der Annahme dieser Grenzen sind ca. 75 % der Gonarthrosepatienten für das Origin-Alignment geeignet.
Operationstechnik
Alle Instrumente sind patientenspezifische Einweginstrumente und werden in einem einzigen Karton von ca. 3 kg Gewicht angeliefert.
Femorale Präparation
Diese Technik beginnt mit der femoralen Präparation, weil die femorale Oberfläche einer der Hauptfaktoren für die Kinematik des Kniegelenks ist. Zunächst werden die Auflageflächen, randständige Gelenkflächen oder randständige Osteophyten mithilfe eines Elektrokauters, einer Kürette oder eines Skalpels von Knorpel befreit. Der femorale Schnittblock wird dann auf die entsprechenden Auflageflächen in einer stabilen und einzigartigen Position aufgesetzt und anschließend mit Pins fixiert (Abb. 5). Der distale Knochenschnitt wird durch diesen ersten Schnittblock durchgeführt. Die Durchführung eines zusätzlichen distalen Knochenschnitts ist nicht vorgesehen, da es hierdurch zu einer Verschiebung der Gelenklinie käme. Der femorale 4-in-1-Block wird auf die distalen Pins aufgesetzt, ohne eventuelle Anpassung von Größe oder Rotation. Das Konzept der femoralen Rotation findet hier keine Anwendung, da das femorale Implantat und das tibiale Inlay die originäre Schrägheit der Gelenklinie wiederherstellen. Die Präparation der intercondylären Notch wird durch den 3. patientenspezifischen Block geführt, der in seiner medio-lateralen Positionierung durch die Gelenkkontur vorgegeben wird (Abb. 6).