Übersichtsarbeiten - OUP 01/2016
RotatorenmanschettenrekonstruktionOb, wann und wie zu operieren?If, when and how to operate?
Infektionen führen regelhaft zum Versagen der Refixation. Es ist zu unterscheiden zwischen dem klassischen Infekt nach RKI- und CDC-Kriterien innerhalb eines Monats nach Operation mit den üblichen Eitererregern und späteren Infekten im 2. und 3. Monat, die mit einer Sehnennekrose und oft nur subklinischen Symptomen einhergehen und meist auf Propionibakterien, Staph. epidermidis oder Corynebakterien zurückzuführen sind. Auch hier kommt es meistens zum Versagen der Refixation, oft aber mit Teilerhalt und guter Funktion.
Nachbehandlung
Die Nachbehandlung hat die Mechanismen der Sehnenheilung zu berücksichtigen und ist gestuft durchzuführen (Tab. 2). Nach etwa 3 Monaten ist eine gewisse Alltagsbelastungsfestigkeit anzunehmen. Einzelne Belastungen, die nicht extrem oder unfallbedingt sind, können also nach dieser Zeit kaum schaden. Die Rekonstruktion ist jedoch noch nicht sportlichen Belastungen oder schweren körperlichen Tätigkeiten gewachsen. Vor allem die Verletzungstoleranz ist zu diesem Zeitpunkt sicher noch herabgesetzt. Volle Belastbarkeit wird in der Regel nach ca. 6 Monaten angenommen, wobei die Sehnen i.d.R. steifer und weniger elastisch sind.
Es gibt fundamentale Unterschiede in der Heilung von z.B. Beugesehnen der Hand und von Sehnen an Knochen [57, 58, 59]: Während eine komplette Ruhigstellung bei der Fingerbeugesehnenheilung nachteilig ist, kann eine Sehnen-zu-Knochen-Heilung initial davon profitieren. Andererseits benötigt die heilende Sehnen-Knochen-Verbindung auch die zunehmende mechanische Belastung zur Reifung [58].
Die klinischen Daten sind nach aktuellen Studien und Metaanalysen allerdings verwirrend: Chan et al. [60], DeRoo et al. [61], Thomson et al. [62] und Yi et al. [63] kommen zu dem Ergebnis, dass eine Überlegenheit eines spezifischen Nachbehandlungsprogramms nicht erwiesen sei, während Chen et al. [64] in einer weiteren Metaanalyse aufzeigen, dass frühe passive Mobilisation zu besserer Beweglichkeit nach 6 Monaten, aber zu einer höheren Versagensrate der Sehneneinheilung nach 12 Monaten führt.
Im eigenen Vorgehen wird sofortige passive Mobilisierung durchgeführt bei weitgehend spannungsfrei versorgten kleinen und mittleren Defekten von einer bis eineinhalb Sehnen. Alle anderen werden nach einer initialen Phase vorsichtiger passiver Mobilisation von 2–3 Tagen nach der Operation in Skapulaebene mobilisierungsfrei für 1–2 Wochen behandelt, bis dann weitere passive Krankengymnastik bis 4–6 Wochen nach Operation durchgeführt wird.
Ergebnisse der operativen
Behandlung von Rotatorenmanschettendefekten
Ergebnisse der subakromialen
Dekompressionsoperation
Die Dekompressionsoperation bei in der Kontinuität noch intakter Manschette erbringt hervorragende Resultate mit einer Erfolgsrate von i.d.R. deutlich > 80 % bei gutem Kosten-Nutzen-Index anhand der Verbesserung der Lebensqualität [65]. Patienten mit Partialdefekten der RM können kurz- bis mittelfristig gleiche Ergebnisse wie solche mit noch intakter RM erreichen [66], wobei auch hier eine Progredienz zum kompletten Defekt auftreten kann und Läsionen über 50 % Substanzverlust zu besseren Ergebnissen mit der Rekonstruktion führen [40]. Auch nach 20 Jahren bestanden gute Ergebnisse bei primär intakter Rotatorenmanschette in 100 %, bei Partialdefekten in 90,9 % und bei kompletten Defekten in 70,6 % [67].
Checroun et al. [68] wie auch Barfield und Kuhn [69] kamen in Metaanalysen über mehr als 25 Jahre zu dem Resultat, dass offene und endoskopische subakromiale Dekompression zu identischen Ergebnissen führen. Sie favorisieren die endoskopische Operation wegen der erleichterten Frührehabilitation [70]. Die protektive Funktion der subakromialen Dekompression hinsichtlich der Entwicklung kompletter Defekte ist nicht abschließend geklärt: Hyvönen et al. [71] fanden durchschnittlich 9 Jahre nach Dekompressionsoperation die Entwicklung von kompletten Defekten in 12,5 %, Liem et al. [72] nach durchschnittlich 4,2 Jahren 6,5 % und Björnsson et al. 4 % nach 15 Jahren [73].
Ergebnisse der Rekonstruktionsoperationen
Es besteht Einigkeit in der Literatur, dass bei kompletten Defekten die Ergebnisse der Rekonstruktionsoperationen denjenigen der Dekompressionsoperation eindeutig überlegen sind, auch bei Patienten über 70 Jahre [74]. Es gibt mittlerweile etablierte prognostische Faktoren, die das Ergebnis nach RM-Rekonstruktion beeinflussen [75]. Die Einheilungsrate der Sehnen hängt vom Alter ab (ab ca. 65 Jahre deutlich verminderte Einheilung v.a. bei arthroskopischen Operationen), von der Größe des Defekts und damit der Anzahl der betroffenen Sehnen sowie der Stumpfretraktion. Ab Stadium Patte III (Retraktion bis hinter das Glenoid) ist keine erfolgversprechende Operation möglich. Vor allem aber sind das Ausmaß der Muskelatrophie und der fettigen Degeneration prognostisch bedeutsam. Im Stadium Thomazeau III und Goutallier III und IV ist unabhängig von der Größe des Defekts mit einer ausbleibenden Heilung bei mehr als 50 % der Patienten zu rechnen (Abb 5).
Dies erklärt auch, dass die mitgeteilten Daten der Literatur hinsichtlich der Einheilung in Abhängigkeit von der Defektgröße beträchtlich schwanken: Bei Ein-Sehnen-Defekten ist von einer Rate fehlender Einheilung von ca. 25 % (~ 5 bis fast 50 %), bei postero-superioren Zwei-Sehnen-Defekten von ca. 40 % (~ 20–60 %) und bei Drei-Sehnen-Defekten von regelhaft > 50 bis > 90% auszugehen.
Es gibt in mittlerweile über 50 Publikationen eine deutliche Diskrepanz zwischen dem strukturellen Versagen und den weit besseren klinischen Ergebnissen, wobei in der subjektiven Zufriedenheit, die mehrheitlich von > 70 % bis > 90 % der Patienten reicht, im Mittel keine oder nur geringe Unterschiede gefunden werden. Die Werte in den Scores liegen allerdings bei strukturellem Versagen der Einheilung regelhaft niedriger wegen geringerer Kraft.