Übersichtsarbeiten - OUP 01/2016
RotatorenmanschettenrekonstruktionOb, wann und wie zu operieren?If, when and how to operate?
Eine von Mansat et al. [76] erstellte Literaturübersicht aus 40 Publikationen zwischen 1982 und 1995 mit 2948 offen operierten Schultern ergab die in Tab. 3 auszugsweise und einer aktuellen Publikation von Owens et al. [77] gegenübergestellten Komplikationen.
Vom Infekt abzugrenzen ist der sog. Pseudoinfekt infolge einer Sehnennekrose durch nahtbedingte Strangulation und mangelnde Vitalität des Gewebes mit sekundärem Untergang. Die Nekrose ist, anders als der Infekt. fast immer schmerzarm, es treten hohe CRP-Werte und nur fakulativ Leukozytosen auf. Die Sehnennekrose tritt fast immer ab 4 Wochen nach der Operation auf. Nicht selten finden sich bei der Revisionsoperation Hinweise auf Low-grade-Infekte durch Erreger wie z.B. Propioni- oder Corynebakterien oder Staphylococcus epidermidis, die sich in avitalem Gewebe ansiedeln. Hier hilft meist prompt ein sorgfältiges Débridement. Begleitende Gelenkknorpelschäden oder sogar schwere Zerstörungen des Gelenks – wie sonst bei eitrigen Infektionen – sind bei diesen Low-grade-Infekten ebensowenig zu erwarten wie bei der abakteriellen Sehnennekrose.
Kosten
In England fanden Adla et al. [78] um 675 £ (~750 $) höhere Kosten für die endoskopische Rekonstruktion. In den USA ermittelten Churchill und Ghorai [79] im Jahr 2006 an über 5000 Patienten eine signifikant kürzere Operationszeit für die mini-offene Gruppe und Kosten von 7841 $ pro Patient gegenüber 8985 $ für die arthroskopische Gruppe. Die Analyse sieht hinsichtlich der Kosten noch ungünstiger aus, wenn man von genereller Anwendung zweireihiger Ankertechniken ausgeht [86].
Zusammenfassung und
Zukunftsperspektiven
Als etabliert kann gelten, dass kleine komplette Defekte bei älteren Patienten > 65–70 Jahren mit niedrigem Funktionsanspruch mit radiologisch in der Frontalebene statisch zentrierten Gelenken konservativ oder bei unzureichendem Effekt operativ mit subakromialer Dekompression behandelt werden können. Symptomatische komplette Defekte und Partialdefekte jüngerer Individuen sollten wegen der bekannten Tendenz zur Größenzunahme und zunehmenden Muskelschädigung bevorzugt durch Rekonstruktion behandelt werden. Da Alter, Defektgröße, Stumpfretraktion und Ausmaß der muskulären Schädigung prognostisch ungünstige Faktoren sind, sollte bei symptomatischen Schultern frühzeitig operiert werden. Für symptomlose Defekte mit im Verlauf nachweisbarer Größenzunahme gibt es keine Evidenz, die deren operative Behandlung rechtfertigt.
Trotz einer massiven Zunahme von Publikationen (Pubmed, 30.11.2015, Stichwort: rotator cuff repair: n = 2777) und vielfältigen Variationen der arthroskopischen Techniken mit immer besseren Ergebnissen in biomechanischen Untersuchungen gibt es keinen sicheren Anhalt dafür, dass sich die Ergebnisse der Rotatorenmanschettenchirurgie in den letzten 20 Jahren signifikant gebessert haben [80]. Arthroskopische Techniken haben aber offensichtlich eine etwas geringere Infektionsrate. Die Kosten endoskopischer Techniken sind regelhaft höher.
Es kann dem behandelnden Chirurgen überlassen bleiben, die von ihm bevorzugte offene oder endoskopische Technik zu wählen [81]. Bei großen Defekten mit immobil retrahierten Stümpfen scheint die offene Technik vorteilhafter zu sein.
Die Forschung wird sich zukünftig auf die Verbesserung der biologischen Rahmenbedingungen der Sehnen-Knochen-Heilung und der Muskelregeneration konzentrieren müssen, weniger auf verbesserte mechanische Konstruktion der Sehnen-Knochen-Refixation.
Trotz einer Vielfalt von Ansätzen mit thrombozytenangereichertem Plasma, isolierten Gewebefaktoren wie z.B. BMP, Gewebeaugmentation mit biologischen oder synthetischen Substraten ist bislang hier kein Durchbruch gelungen.
Interessenkonflikt: Keine angegeben
Korrespondenzadresse
PD Dr. med. Achim Hedtmann
Orthopädische Klinik
Klinik Fleetinsel Hamburg
Admiralitätsstraße 4
20459 Hamburg
dr.hedtmann@klinik-fleetinsel.de
Literatur
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