Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017

Schaftlose inverse Schulterendoprothetik zur Behandlung der Defektarthropathie
Klinische und radiologische ErgebnisseClinical and radiological results

Michael Manzke1,2, Lars Victor von Engelhardt1,3, Timm Filler2, Jörg Jerosch1

Zusammenfassung

Fragestellung: Die Studie zeigt klinische und radiologische Ergebnisse und Komplikationen nach Implantation einer inversen schaftlosen TESS-Schulterprothese bei Patienten mit einer Defektarthropathie.

Material und Methoden: In der Studie wurden 50 schaftlose inverse TESS-Schulterprothesen nachuntersucht. Indikation war in allen Fällen die Defektarthropathie. Das Durchschnittsalter betrug 74,5 Jahre, das Follow-up 18,4 Monate, 14 Fälle waren männlich, 36 weiblich, 37-mal wurde die dominante und 13-mal die nicht-dominante Seite operiert. Alle Prothesen wurden schaftlos implantiert. Als klinische Parameter wurden der Constant-Murley-Score und der DASH-Score erhoben. Im a.p.-Röntgenbild wurden das humerale Offset, das laterale glenohumerale Offset (LGHO), die akromiohumerale Distanz (AHD) und die Höhe des Rotationszentrums bestimmt. Zudem wurden verschiedene Komplikationen ermittelt.

Ergebnisse: Der CM-Score verbesserte sich von präoperativ 12,1 % auf postoperativ 81,3 % (Wilcoxon: p < 0,01), der DASH-Score verbesserte sich von 71,5 auf 30,2 (Wilcoxon: p < 0,01). Das HO änderte sich von präoperativ 24,8 mm auf postoperativ 39,3 mm, das LGHO verkleinerte sich von 62,5 mm auf 57,1 mm, die AHD stieg von 4,9 mm auf 21,1 mm, die Höhe des Rotationszentrums sank von 20,6 mm präoperativ auf 16,1 mm postoperativ. Der Hals-Schaft-Winkel postoperativ betrug 147°. In einem Fall wurde aufgrund einer Fehlposition die humerale Komponente mit Schaftverlängerung revidiert.

Fazit: Es konnte ein zufriedenstellendes funktionelles Outcome für die Patienten bezüglich Schmerz, Beweglichkeit und Alltagstauglichkeit beobachtet werden. Komplikationen verhielten sich ähnlich wie in der Literatur beschrieben, in
einem Fall konnte eine Komplikation der humeralen Komponente beobachtet werden.

Schlüsselwörter: Defektarthropathie, schaftlos, inverse Schulterprothese

Zitierweise
Manzke M, von Engelhardt LV, Filler T, Jerosch J: Schaftlose inverse Schulterendoprothetik zur Behandlung der Defektarthropathie.
Klinische und radiologische Ergebnisse.
OUP 2017; 11: 555–561 DOI 10.3238/oup.2017.0555–0561

Summary

Purpose: The study presents clinical and radiological results and complications after implantation of an inverse stemless TESS shoulder prosthesis in patients with cuff tear arthropathy.

Material and methods: 50 non-stemmed reverse TESS shoulder prosthesis were investigated. Indication in all cases was cuff tear arthropathy. The average age was 74.5 years, the follow-up was 18.4 months, 14 cases were male and 36 female, 37 times the dominant and 13 times the non-dominant side was operated on. All prostheses were implanted without a stem. Clinical parameters were the Constant Murley (CM) and the DASH score. The humeral offset (HO), the lateral glenohumeral offset (LGHO), the acromiohumeral distance (AHD) and the height of the center of rotation were determined in the a.p. radiograph. In addition, various complications were identified.

Results: The CM score improved from preoperative 12.1 % to postoperative 81.3 % (Wilcoxon: p < 0.01), the DASH score improved from 71.5 to 30.2 (Wilcoxon: p < 0,01). The HO changed from preoperative 24.8 mm to postoperative 39.3 mm, the LGHO decreased from 62.5 mm to 57.1 mm, the acromiohumeral distance increased from 4.9 mm to 21.1 mm, the height of the rotation center decreased by 20.6 mm preoperatively to 16.1 mm postoperatively (all p < 0.05). The neck shaft angle postoperatively was 147°. In one case, the humeral component had to be revised with a stem because of initial postoperative malpositioning of the humeral corolla.

Conclusion: A satisfactory functional outcome could be observed for patients with cuff tear arthropathy regarding pain, mobility and everyday comfort. Complications were similar to those described in the literature; in one case, a complication of the humeral component could be observed.

Keywords: cuff tear arthropathy, stemless, reverse shoulder replacement

Citation
Manzke M, von Engelhardt LV, Filler T, Jerosch J: Stemless reverse shoulder replacement for cuff tear arthropathy. Clinical and
radiological results
OUP 2017; 11: 555–561 DOI 10.3238/oup.2017.0555–0561

Einleitung

Das komplexe Krankheitsbild der Defektarthropathie wurde bereits 1983 von Neer [33] ausführlich beschrieben und ist heute noch stets eine Herausforderung für jeden Schulterchirurgen. Seit Einführung des Grundprinzips der modernen inversen Schulterendoprothetik durch Grammont [14] in den 1980er-Jahren hat sich diese weitgehend zur Behandlung der Defektarthropathie etabliert. Zahlreiche Studien konnten gute klinische Ergebnisse durch Implantation einer inversen Schulterendoprothese bei der Defektarthropathie beschreiben [12, 13, 32, 34, 39, 45]. Die Komplikationsrate bleibt jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt weiterhin ein ungelöstes Problem [9, 35, 47]. Im Verlauf wurden in den letzten Jahren neben den häufigen Problemen und Komplikationen der glenoidalen Komponente [2, 5, 16, 23, 27, 28] ebenfalls gehäuft Probleme bezüglich der humeralen Komponente beschrieben [9]. Diese betreffen zum einen intraoperative Komplikationen, wie Fehlrotation oder Frakturen des meta-diaphysären Humerus, zum anderen postoperative Probleme wie Lockerungen oder periprothetische Frakturen. Revisionseingriffe bei humeralem Knochenverlust sind vielfach in der Literatur beschrieben und gehäuft mit eingeschränktem Outcome der Patienten und/oder mit chirurgisch aufwendigen Verfahren assoziiert [40]. In dieser Studie sollen nun Ergebnisse von Patienten mit einer schaftlosen inversen TESS-Prothese beschrieben werden. Bei der inversen TESS-Prothese handelt es sich um eine schaftlose, sich peripher metaphysär verankernde Prothese. Je nach individueller Knochensubstanz ist es intraoperativ möglich, zusätzlich einen Schaft zu implantieren.

Material und Methoden

In der vorliegenden Studie wurde ausschließlich die schaftlose inverse TESS-Schulterprothese nachuntersucht. Es handelt sich um ein Implantat der Firma Zimmer-Biomet, ein modulares System, welches sowohl eine anatomische als auch eine inverse Prothesenversorgung ermöglicht.

Hervorzuheben bei dem Prothesendesign ist die humerale schaftlose Corolla (Abb. 1, 2) aus einer Co-Cr-Legierung, welche doppelt beschichtet ist. Die Corolla gibt es in 4 Größen mit einem dazugehörigen Arcom-Polyethyleninlay mit 2 Innendurchmessern und 4 Höhen. Verankert wird das Implantat durch Impaktion im Bereich der Metaphyse des proximalen Humerus. Hier ist besonders zu erwähnen, dass die Verankerung der Corolla im peripheren Bereich der Metaphyse am kortikalen Ring stattfindet.

Sollte dem Operateur die Knochensubstanz im Bereich des proximalen Humerus nicht adäquat erscheinen, so kann wahlweise ein Schaft implantiert werden. Dieser besteht aus einem polierten distalen Teil mit 2 Rillen, welcher im Falle einer Zementierung Rotationsstabilität gewähren soll, und einem porösen proximalen Anteil.

Die Glenoidbasisplatte (Abb. 3, 4) besteht aus einer Titanlegierung und ist ebenfalls doppelt beschichtet. Ein zentraler Zapfen gewährt Knochenverankerung. Insgesamt ist es möglich, die Basisplatte über 4 Schrauben zu verankern. Die Glenosphären sind in einem 36- und einem 41-mm Durchmesser vorhanden und sind 3 mm lateralisiert. Produktinformationen wurden aus einer Broschüre der Firma Biomet entnommen [6].

Alle Patienten wurden in Beach-chair-Position über einen deltopektoralen Zugang operiert.

Patientengut

Zwischen 2009 und 2011 wurden 64 Patienten mit einer inversen TESS-Schulterprothese versorgt. Indikation war in allen Fällen die Defektarthropathie. 6 Patienten konnten aus verschiedenen Gründen nicht nachuntersucht werden. 8 Patienten wurden initial mit einem Schaft versorgt. Dies führt zu einem Patientengut mit 50 nachuntersuchten Fällen mit einer schaftlosen inversen Schulterprothese. Das durchschnittliche Alter betrug 74,5 Jahre, das Follow-up 18,4 Monate, 14 Fälle waren männlich und 36 weiblich, 37-mal wurde die dominante und 13-mal die nicht-dominante Seite operiert.

Zur klinischen Evaluation wurden der Constant-Murley-Score [11] und der DASH-Score [18] erhoben. Zusätzlich erfolgte eine radiologische Auswertung der prä- zu postoperativen Röntgenbilder mittels 5 Röntgenparametern (Abb. 5): 2 horizontale Parameter, das humerale Offset (HO) und das laterale glenohumerale Offset (LGHO), sowie 2 vertikale Parameter, die akromiohumerale Distanz (AHD) und die Höhe des Rotationszentrums und schließlich der Hals-Schaft-Winkel. Präoperative Bilder wurden anhand von Messaufnahmen und postoperative anhand der Prothesengröße skaliert.

Es wurden die üblichen Komplikationen wie septische und aseptische Lockerungen, Infektionen, Dislokationen, Luxationen, Nervenschädigungen und Frakturen dokumentiert. Weiterhin wurde das Scapular Notching nach Sirveaux in Grad 1–4 [39] anhand der aktuellsten Röntgenbilder klassifiziert.

Zur statistischen Auswertung wurde SPSS Statistics 20 verwendet. Das Signifikanzniveau wurde auf ? = 0,05 gesetzt. Die klinischen Scores wurden mit nichtparametrischen Verfahren wie dem Wilcoxon- und Mann-Withney-U-Test ausgewertet. Die Auswertung der Röntgenparameter erfolgte mittels parametrischer Tests (Student t-Test). Es liegt ein positives Ethikvotum der HHU Düsseldorf vor.

Ergebnisse

Der Constant-Murley-Score verbesserte sich von prä- zu postoperativ signifikant von 8,5 (± 9) auf 57 (± 16) Punkte, welches im alters- und geschlechtsadaptierten Score einem Anstieg von 12 % (± 12) auf 81 % (± 25) Punkten entspricht (Abb. 6). Schaut man sich die einzelnen Items im Detail an, so ließen sich auch hier signifikante Anstiege durch die Implantation beobachten: Der Parameter Schmerz stieg von präoperativ 1 (± 2) auf 13 (± 3) signifikant um 12 Punkte an. Die Parameter Berufs- und Freizeiteinschränkung, Arbeitshöhe und Schlaf wurden zur Alltagsaktivität zusammengefasst und stiegen signifikant insgesamt von präoperativ 5 (± 3) auf postoperativ 15 (± 4) an. Die Anteversion verbesserte sich durch Implantation von präoperativ 1 (± 3) auf postoperativ 8 (± 3) signifikant, die Abduktion signifikant von 1 (± 2) auf 6 (± 3), die funktionelle Innenrotation signifikant von 1 (± 2) auf 4 (± 2) und die funktionelle Außenrotation signifikant von 0 (± 1) auf 8 (± 4). Auch die Kraft stieg bei den Patienten von präoperativ 0 (± 0) auf postoperativ 3 (± 2) signifikant an.

Der DASH-Score verbesserte sich insgesamt signifikant von prä- zu postoperativ von 72 (± 17) auf 30 (± 17) Punkte (Abb. 7). Die ersten 23 Items (Funktionsteil) verbesserten sich ebenfalls signifikant von 85 (± 16) auf 52 (± 17) und die letzten 7 Items (Symptomteil) signifikant von 25 (± 4) auf 11 (± 4).

Sowohl im Constant-Score als auch im DASH-Score zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Outcome bezüglich Alter, Geschlecht, Prothesenseite oder Follow-up.

Das HO änderte sich von präoperativ 24,8 mm (± 3,0) auf postoperativ 39,3 mm (± 4,7), das LGHO verkleinerte sich von 62,5 mm (± 7,4) auf 57,1 mm (± 6,9), die akromiohumerale Distanz stieg von 4,9 mm (± 3,8) auf 21,1 mm (± 7,3), die Höhe des Rotationszentrums verkleinerte sich von 20,6 mm (± 7,6) präoperativ auf 16,1 mm (± 4,7) postoperativ. Der Hals-Schaft-Winkel postoperativ betrug 147° (± 6,9). Hierzu siehe Tabelle 1.

Bei 3 Patienten kam es zu Lockerungen der Glenoidkomponente zum Follow-up. Bei weiteren 2 Patienten wurde bereits im stationären Aufenthalt innerhalb der 1. postoperativen Woche eine gelockerte Glenosphäre diagnostiziert, was auf eine mangelnde Primärstabilität hindeutet. Ein Patient stellte sich 12 Monate postoperativ mit einer Glendoidfraktur und konsekutiver Lockerung der glenoidalen Komponente vor. 5 dieser 6 Fälle wurden mit einer erneuten inversen Prothese versorgt. Ein Patient lehnte eine erneute Operation ab. In einem Fall kam es im Verlauf zu einer erneuten Lockerung, auch dieser Patient lehnte eine erneute Operation ab.

Bei einem Patienten kam es zu einer Fehllage der humeralen Komponente, welche am 1. postoperativen Tag diagnostiziert wurde. Der Patient wurde mit einer Schaftimplantation versorgt (Abb. 8).

Ein Patient wurde aufgrund eines Low-grade-Infekts zweizeitig auf ein anderes inverses Prothesendesign gewechselt. Ein Patient zeigte einen postoperativen Nervenschaden mit führender Medianusstörung. In einem Fall wurde ein symptomatisches Os acromiale mittels Osteosynthese versorgt.

Bei einem Patienten kam es zu einer Luxation in der 6. Woche postoperativ (Abb. 9). Es erfolgte ein Inlaywechsel und Kapselrelease. Eine erneute 2. Luxation ereignete sich 3 weitere Wochen postoperativ, welche erneut mittels Kapselrelease und nun Anlage eines Thoraxabduktionsgipses für 6 Wochen behandelt wurde.

Scapular Notching wurde in 6 Fällen beobachtet (12 %), darunter 4-mal Grad 1 und 2-mal Grad 2.

Diskussion

Das funktionelle klinische Outcome, erfasst durch die Scores mit einer prä- zu postoperativen Differenz im alters- und geschlechtsadaptierten CM-Score von 69 % und im DASH-Score von 42 Punkten, liegt im Bereich anderer inverser Kurz- [3, 29] oder Standardschaft-Prothesendesigns [8, 12, 13, 34]. Auch die bisherigen veröffentlichten inversen TESS-Studien konnten ähnliche Ergebnisse berichten: Moroder et al. [31] verglichen 24 Patienten mit einer schaftlosen inversen TESS-Prothese mit 24 Patienten, die mit einer konventionellen inversen Schaftprothese versorgt wurden. Indikation war in allen Fällen die Defektarthropathie. Nach einem Follow-up von 35 Monaten zeigte sich im Constant-Murley- und ASES-Score kein signifikanter Unterschied bezüglich des klinischen Outcomes. Teissier et al. [41] konnten bei 91 inversen TESS-Prothesen bei einem Follow-up von 41 Monaten einen Anstieg des Constant-Score von präoperativ 40 auf postoperativ 68 beobachten. Kadum et al. [21] konnten bei 37 Patienten mit inversen TESS-Prothesen, wovon jedoch nur 16 schaftlos implantiert wurden, im Quick-DASH-Score und im EQ-5D-Score ebenfalls signifikante Verbesserungen beobachten. Ballas et al. [4] beschrieben bei 56 Patienten einen Anstieg des CM-Scores von 29 auf 62 nach durchschnittlich 58 Monaten.

Die Rate der in der Studie beobachteten Komplikationen liegt ebenfalls im Bereich der Literatur [47]. Wurde vor einigen Jahren noch der Fokus mehr auf die Komplikationen der glenoidalen Komponente hinsichtlich Scapular Notching und Lockerungen gelegt [10, 22, 28], so sind diese zwar immer noch präsent, jedoch wird zunehmend von Komplikationen im Bereich der humeralen Komponente berichtet. Regelmäßig beschriebene Komplikationen sind Stress Shielding, intraoperative periprothetische Frakturen oder komplizierte traumatische periprothetische Frakturen [24, 36, 38, 46]. Pascal Boileau berichtet 2016 [9] von Erfahrungen mit 825 inversen Grammont-Prothesen bzgl. Komplikationen und Revisionen. Insgesamt waren 84 Reinterventionen nötig. Nach Instabilität mit 38 % und Infektionen mit 22 % waren humerale Komplikationen mit 21 % der dritthäufigste Grund für einen erneuten operativen Eingriff. Bzgl. der Instabilität zeigten Patienten mit einer vorherigen Operation, wie z.B. eine endoprothetische Versorgung mit Knochenverlust am proximalen Humerus, ein bis zu 3-fach erhöhtes Luxationsrisiko. In diesem Kontext scheint also ebenfalls eine knochensparende Alternative in der Schulterendoprothetik von Interesse.

In der vorliegenden Fallserie war eine frühe Revision einer humeralen Komponente nötig, diese sollte als Implantationsfehler angesehen werden. Kadum et al. [21] mussten am 3. und 4. postoperativen Tag jeweils eine humerale Komponente aufgrund von Fehllage revidieren und Ballas et al. [4] revidierten aufgrund einer Lockerung am 3. postoperativen Tag eine schaftlose inverse Prothese mittels Schaftverlängerung.

Holschen et al. [17] untersuchten 44 Revisionsfälle, die von einer anatomischen auf eine inverse Schulterprothese gewechselt wurden, und konnten zeigen, dass Patienten, welche zuvor eine schaftlose Prothese implantiert bekamen, ein signifikant besseren Constant-Score postoperativ nach Revision erreichten (82 % vs. 61 %).

Studien, die Revisionen humeraler Komponenten von inversen schaftlosen gegen inverse geschaftete Prothesen im Outcome vergleichen, sind uns zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht bekannt.

Voraussetzung für ein akzeptables funktionelles Ergebnis in der inversen Schulterendoprothetik ist eine adäquate Änderung der Anatomie. Dies beinhaltet vor allem eine Medialisierung des Rotationszentrums sowie eine Distalisierung des Humerus.

Die Medialisierung des Rotationszentrums verschafft dem Deltamuskel einen vergrößerten Hebelarm und ermöglicht die Kompensation der meist stark degenerierten Rotatorenmanschette. Einige Autoren konnten eine Medialisierung von 8–22 mm [1, 7, 20, 37] beschreiben, hier handelt es sich jedoch um verschiedene Messmethoden und auch verschiedene inverse Designs. Eine eine adäquate Medialisierung scheint im Bereich von 15–20 mm zu liegen. Werden die beiden Parameter des HO und LGHO verrechnet, so erhält man in der vorliegenden Studie eine Medialisierung von 19,9 mm.

Die Distalisierung des Humerus wird in den vorliegenden Messungen durch die AHD beschrieben und vergrößerte sich im Schnitt von prä- zu postoperativ um ca. 15 mm. Lädermann et al. [26] beschreiben in einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2014 eine durchschnittliche Armverlängerung von 15–27 mm. Die Autoren empfehlen eine Armverlängerung von 0–2 cm, welche zu einer erhöhten Spannung des Deltamuskels führt. Dies bewirkt sowohl eine verbesserte Funktion als auch Schutz vor Luxationen der Endoprothese. Lädermann et al. [26] beschreiben eine Reihe von Einflussfaktoren, welche die AHD und somit auch die Deltaspannung beeinflussen: 1. Position der Glenosphäre in der Frontalebene, 2. Status des Akromions, 3. Größe der Glenosphäre, 4. exzentrische oder nach inferior getiltete Glenosphäre, 5. Verwendung von Augmenten oder Spacer, 6. Dicke des Polyethyleninlays, 7. Schafttyp. Vergleichende Studien, welche die AHD von schaftlosen und Schaftprothesen vergleichen und nach Möglichkeit die anderen genannten Parameter konstant halten, sind uns bisher nicht bekannt. Die Armverlängerung sollte jedoch mit Sorgfalt angegangen werden, da es bei zu exzessiver Verlängerung zu peripheren neurologischen Läsionen kommen kann [25].

Der Hals-Schaft-Winkel (NSA) ist durch das Fehlen eines Stems durch den Operateur frei wählbar. Eine Resektionslehre steht jedoch zur Verfügung. In der Studie von Teissier et al. [41] betrug der NSA 154° (range 142–165°) und in der Studie von Moroder et al. [31] im Schnitt 134,4°. Moroder et al. berichten jedoch von einer großen Variabilität bzgl. ihrer gemessenen NSA mit schaftlosen Prothesen. In unserer Studie wurde durchschnittlich ein Winkel von 147° gemessen. Ein Winkel in einem solchen Bereich scheint uns vor allem hinsichtlich des nur geringen Ausmaßes an beobachtetem Scapular Notching als adäquat. Ein Winkel von über 150° führt eher zu einem Anschlagen der humeralen Komponente am Scapulahals [22]. Ein jedoch zu varischer Winkel Richtung 130° könnte eine Hemmung der Abduktion bewirken [15, 42].

Schlussfolgerung

Durch Implantation einer schaftlosen metaphysären Schulterprothese bei Patienten mit einer Defektarthropathie konnten kurz- bis mittelfristig gute funktionelle Ergebnisse erzielt werden. Die Rate an Komplikationen liegt im Bereich der Literatur. Es wurden funktionell wichtige Änderungen der Gelenkgeometrie vergleichbar mit anderen inversen Designs gemessen. Um Aussagen über langfristigere Standzeiten der metaphysären inversen Schulterprothesen treffen zu können, sind weitere Untersuchungen mit längerem Follow-up nötig.

Interessenkonflikt: Es besteht kein Interessenkonflikt und keine Förderung. Teile dieser Arbeit wurden bereits veröffentlicht [19, 30, 43, 44].

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med Dr. h.c. Jörg Jerosch

Johanna-Etienne-Krankenhaus

Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Am Hasenberg 46

41462 Neuss

J.Jerosch@ak-neuss.de

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Fussnoten

1 Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus Neuss

2 Institut für Anatomie I, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

3 Fakultät für Gesundheit, Private Universität Witten/Herdecke

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