Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017
Schaftlose inverse Schulterendoprothetik zur Behandlung der DefektarthropathieKlinische und radiologische ErgebnisseClinical and radiological results
In der vorliegenden Studie wurde ausschließlich die schaftlose inverse TESS-Schulterprothese nachuntersucht. Es handelt sich um ein Implantat der Firma Zimmer-Biomet, ein modulares System, welches sowohl eine anatomische als auch eine inverse Prothesenversorgung ermöglicht.
Hervorzuheben bei dem Prothesendesign ist die humerale schaftlose Corolla (Abb. 1, 2) aus einer Co-Cr-Legierung, welche doppelt beschichtet ist. Die Corolla gibt es in 4 Größen mit einem dazugehörigen Arcom-Polyethyleninlay mit 2 Innendurchmessern und 4 Höhen. Verankert wird das Implantat durch Impaktion im Bereich der Metaphyse des proximalen Humerus. Hier ist besonders zu erwähnen, dass die Verankerung der Corolla im peripheren Bereich der Metaphyse am kortikalen Ring stattfindet.
Sollte dem Operateur die Knochensubstanz im Bereich des proximalen Humerus nicht adäquat erscheinen, so kann wahlweise ein Schaft implantiert werden. Dieser besteht aus einem polierten distalen Teil mit 2 Rillen, welcher im Falle einer Zementierung Rotationsstabilität gewähren soll, und einem porösen proximalen Anteil.
Die Glenoidbasisplatte (Abb. 3, 4) besteht aus einer Titanlegierung und ist ebenfalls doppelt beschichtet. Ein zentraler Zapfen gewährt Knochenverankerung. Insgesamt ist es möglich, die Basisplatte über 4 Schrauben zu verankern. Die Glenosphären sind in einem 36- und einem 41-mm Durchmesser vorhanden und sind 3 mm lateralisiert. Produktinformationen wurden aus einer Broschüre der Firma Biomet entnommen [6].
Alle Patienten wurden in Beach-chair-Position über einen deltopektoralen Zugang operiert.
Patientengut
Zwischen 2009 und 2011 wurden 64 Patienten mit einer inversen TESS-Schulterprothese versorgt. Indikation war in allen Fällen die Defektarthropathie. 6 Patienten konnten aus verschiedenen Gründen nicht nachuntersucht werden. 8 Patienten wurden initial mit einem Schaft versorgt. Dies führt zu einem Patientengut mit 50 nachuntersuchten Fällen mit einer schaftlosen inversen Schulterprothese. Das durchschnittliche Alter betrug 74,5 Jahre, das Follow-up 18,4 Monate, 14 Fälle waren männlich und 36 weiblich, 37-mal wurde die dominante und 13-mal die nicht-dominante Seite operiert.
Zur klinischen Evaluation wurden der Constant-Murley-Score [11] und der DASH-Score [18] erhoben. Zusätzlich erfolgte eine radiologische Auswertung der prä- zu postoperativen Röntgenbilder mittels 5 Röntgenparametern (Abb. 5): 2 horizontale Parameter, das humerale Offset (HO) und das laterale glenohumerale Offset (LGHO), sowie 2 vertikale Parameter, die akromiohumerale Distanz (AHD) und die Höhe des Rotationszentrums und schließlich der Hals-Schaft-Winkel. Präoperative Bilder wurden anhand von Messaufnahmen und postoperative anhand der Prothesengröße skaliert.
Es wurden die üblichen Komplikationen wie septische und aseptische Lockerungen, Infektionen, Dislokationen, Luxationen, Nervenschädigungen und Frakturen dokumentiert. Weiterhin wurde das Scapular Notching nach Sirveaux in Grad 1–4 [39] anhand der aktuellsten Röntgenbilder klassifiziert.
Zur statistischen Auswertung wurde SPSS Statistics 20 verwendet. Das Signifikanzniveau wurde auf ? = 0,05 gesetzt. Die klinischen Scores wurden mit nichtparametrischen Verfahren wie dem Wilcoxon- und Mann-Withney-U-Test ausgewertet. Die Auswertung der Röntgenparameter erfolgte mittels parametrischer Tests (Student t-Test). Es liegt ein positives Ethikvotum der HHU Düsseldorf vor.
Ergebnisse
Der Constant-Murley-Score verbesserte sich von prä- zu postoperativ signifikant von 8,5 (± 9) auf 57 (± 16) Punkte, welches im alters- und geschlechtsadaptierten Score einem Anstieg von 12 % (± 12) auf 81 % (± 25) Punkten entspricht (Abb. 6). Schaut man sich die einzelnen Items im Detail an, so ließen sich auch hier signifikante Anstiege durch die Implantation beobachten: Der Parameter Schmerz stieg von präoperativ 1 (± 2) auf 13 (± 3) signifikant um 12 Punkte an. Die Parameter Berufs- und Freizeiteinschränkung, Arbeitshöhe und Schlaf wurden zur Alltagsaktivität zusammengefasst und stiegen signifikant insgesamt von präoperativ 5 (± 3) auf postoperativ 15 (± 4) an. Die Anteversion verbesserte sich durch Implantation von präoperativ 1 (± 3) auf postoperativ 8 (± 3) signifikant, die Abduktion signifikant von 1 (± 2) auf 6 (± 3), die funktionelle Innenrotation signifikant von 1 (± 2) auf 4 (± 2) und die funktionelle Außenrotation signifikant von 0 (± 1) auf 8 (± 4). Auch die Kraft stieg bei den Patienten von präoperativ 0 (± 0) auf postoperativ 3 (± 2) signifikant an.
Der DASH-Score verbesserte sich insgesamt signifikant von prä- zu postoperativ von 72 (± 17) auf 30 (± 17) Punkte (Abb. 7). Die ersten 23 Items (Funktionsteil) verbesserten sich ebenfalls signifikant von 85 (± 16) auf 52 (± 17) und die letzten 7 Items (Symptomteil) signifikant von 25 (± 4) auf 11 (± 4).
Sowohl im Constant-Score als auch im DASH-Score zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Outcome bezüglich Alter, Geschlecht, Prothesenseite oder Follow-up.
Das HO änderte sich von präoperativ 24,8 mm (± 3,0) auf postoperativ 39,3 mm (± 4,7), das LGHO verkleinerte sich von 62,5 mm (± 7,4) auf 57,1 mm (± 6,9), die akromiohumerale Distanz stieg von 4,9 mm (± 3,8) auf 21,1 mm (± 7,3), die Höhe des Rotationszentrums verkleinerte sich von 20,6 mm (± 7,6) präoperativ auf 16,1 mm (± 4,7) postoperativ. Der Hals-Schaft-Winkel postoperativ betrug 147° (± 6,9). Hierzu siehe Tabelle 1.
Bei 3 Patienten kam es zu Lockerungen der Glenoidkomponente zum Follow-up. Bei weiteren 2 Patienten wurde bereits im stationären Aufenthalt innerhalb der 1. postoperativen Woche eine gelockerte Glenosphäre diagnostiziert, was auf eine mangelnde Primärstabilität hindeutet. Ein Patient stellte sich 12 Monate postoperativ mit einer Glendoidfraktur und konsekutiver Lockerung der glenoidalen Komponente vor. 5 dieser 6 Fälle wurden mit einer erneuten inversen Prothese versorgt. Ein Patient lehnte eine erneute Operation ab. In einem Fall kam es im Verlauf zu einer erneuten Lockerung, auch dieser Patient lehnte eine erneute Operation ab.