Übersichtsarbeiten - OUP 11/2014

Traumarehabilitation der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
Besondere Heilverfahren in den BG-UnfallklinikenSpecial rehabilitation measures in the BG-trauma centers

Die Rehabilitationsabteilungen der BG-Unfallkliniken bieten in Kooperation mit Schmerztherapeuten die Schmerzrehabilitation im Rahmen einer BGSW oder KSR an. Entscheidend ist die Rehabilitationsfähigkeit und die Möglichkeit ein funktions- und teilhabeorientiertes Therapieprogramm durchführen zu können. Steht der Schmerz im Vordergrund ohne greifbare Strukturveränderungen bzw. behandelbare Funktionslimitierung, so wird der Unfallverletzte zunächst einer spezialisierten Schmerztherapie zugeführt, bis er in der Lage ist, die Schmerzrehabilitation aufzunehmen. Übergeordnetes Ziel der berufsgenossenschaftlichen Schmerzrehabilitation ist es, die Teilhabe wiederherzustellen, im speziellen eine erfolgreiche Wiedereingliederung ins Erwerbsleben zu erreichen.

TOR (Tätigkeitsorientierte
Rehabilitation)

Neben physischen und psychischen Auswirkungen zählen auch soziale Folgen zu den Auswirkungen eines Polytraumas. Dies betrifft vor allem Probleme in den Lebensbereichen Familie und Partnerschaft, Freizeit und Beruf. Häufig ist die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit zwar möglich, aber es sind in einem nicht unerheblichen Ausmaß berufliche Rehabilitationsmaßnahmen wie Umschulungen mit Berufswechsel, innerbetriebliche Umsetzungen, Fortbildungen etc. notwendig. Es findet sich eine überdurchschnittliche Rate an Frühberentungen und Minderungen der Erwerbsfähigkeit, während die Arbeitslosenrate nicht signifikant steigt [8].

Das langfristige berufliche Rehabilitationsergebnis gemessen an der „Return-to-work-Rate“ ist jedoch noch optimierbar. Im Schnitt werden etwa zwei Drittel der Schwerverletzten wieder arbeitsfähig [9, 10].Um die berufliche Wiedereingliederung nach einem schweren Unfall zu verbessern, wurde die Tätigkeitsorientierte Rehabilitation (TOR) entwickelt.

Die TOR ist ein spezielles stationäres Reha-Angebot, das sich durch ein deutlich erweitertes Leistungsangebot von der ABMR unterscheidet. Zielgruppe sind ehemals schwer verletzte Patienten, bei denen die individuelle Leistungsfähigkeit auch nach den üblichen Standardmaßnahmen nicht den beruflichen Leistungsanforderungen entspricht und bei denen besondere berufliche Anforderungen bestehen. Häufig ist eine ABE nicht möglich oder bereits gescheitert. Im Unterschied zur ABMR liegt der Behandlungsfokus nicht nur auf den körperlichen Defiziten, sondern es werden auch besondere psychosoziale Kontextfaktoren berücksichtigt. Dem multiprofessionellen Team gehören dementsprechend nicht nur Reha-Mediziner und Therapeuten an, sondern auch Unfallchirurgen, Schmerztherapeuten, Psychologen, Sozialdienst und der Reha-Manager der Unfallversicherung.

Reha-Abklärung

Bei komplexen und verzögerten Heilverläufen und/oder Problemen der beruflichen Wiedereingliederung besteht mitunter ein umfangreicher Klärungsbedarf, der den Rahmen einer ambulanten Heilverfahrenskontrolle (HVK) übersteigt. Die BG-Kliniken bieten für derartige Fälle eine in der Regel 3-tägige „Reha-Abklärung“ an, mit dem Ziel, eine sachliche und kompetente Aussage darüber zu treffen, ob aus medizinischer Sicht weitere Rehabilitationsbemühungen Sinn machen, oder ob ein Behandlungsende festzustellen ist, womit dann auch Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben eingeleitet werden könnten. Neben umfangreichen diagnostischen Möglichkeiten sind in diese Reha-Abklärung auch Chirurgen, Rehabilitationsmediziner, Psychologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und ggf. weitere Fachbereiche, wie Psychosomatik oder Schmerztherapie eingebunden, wobei jede Berufsgruppe zu der spezifischen Fragestellung „Besteht aus medizinischer Sicht noch Rehabilitationspotenzial?“ abschließend Stellung nimmt. Für den Auftraggeber und den Unfallverletzten wird ein individuelles und zielgerichtetes Reha-Konzept erstellt mit Empfehlungen zur weiterführenden medizinischen, medizinisch-beruflichen bzw. beruflichen Rehabilitation. Damit soll eine effizientere Steuerung des Heilverfahrens und eine raschere Reintegration des Versicherten ermöglicht werden.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Stefan Simmel

Abteilung für BG-Rehabilitation

BG-Unfallklinik Murnau

Professor-Küntscher-Str. 8
82418 Murnau

stefan.simmel@bgu-murnau.de

Literatur

1. Weißbuch Schwerverletztenversorgung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, 2. Auflage (Stand 07/2013) www.dgu-online.de/qualitaet-sicherheit/ schwerverletzte/weissbuch-schwerverletztenversorgung.html

2. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung und Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII an Krankenhäuser zur Beteiligung am Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) in der Fassung vom 1. Januar 2013. http://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/med_reha/documents/sav1. pdf

3. Handlungsanleitung zur Verordnung, Durchführung und Qualitätssicherung der Physiotherapie/ Krankengymnastik – Physikalischen Therapie, Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP), Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung (BGSW), Sonstigen stationären Maßnahmen (Stand 01.Januar 2008). http://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/med_reha/documents/hand.pdf

4. Handlungsanleitung der ABMR für Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung (in der Fassung vom 02.02.2012). http://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/med_reha/documents/abmr2.pdf

5. Tiling T, Tjardes T. Der beratende Arzt zwischen Therapiefreiheit und Evidenzzwang. Trauma Berufskrankheit 2007; 9 (Suppl 3): 370–379

6. Gross T, Amsler F. (2011) Prevalence and incidence of longer term pain in survivors of polytrauma. Surgery 2011; 150: 985–995

7. Simmel S, Drisch S, Haag S, Bühren V. (2013) Langzeitergebnisse nach Polytrauma mit ISS ? 25. Chirurg 2013; 84: 771–779

8. Simmel S, Bühren V. Polytrauma überlebt – und was kommt dann? Die Rehabilitation Schwerstverletzter. Unfallchirurg 2009; 112: 965–974

9. Post RB, van der Sluis CK, Ten Duis HJ. Return to work and quality of life in severely injured patients. Disability and Rehabilitation 2006; 22: 1399–1404

10. Vles WJ, Steyerberg EW, Essink-Bot M-L, van Beeck EF, Meeuwis JD, Leenen LPH. Prevalence and Determinants of Disabilities and Return to Work after Major Trauma. J Trauma 2005; 58: 126–135

Fussnoten

1 Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

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