Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018
Vergleich des humeralen Offsets von drei verschiedenen inversen Schulterprothesen-Designs
Die Auswahl der Dicke der humeralen Komponente hängt ebenso von der Weichteilspannung ab. Eine dickere humerale Komponente kann zu einer erhöhten Weichteilspannung führen und so das Luxationsrisiko reduzieren. Eine Zunahme der Konformität zeigt bei biomechanischer Untersuchung eine Erhöhung der Stabilität, führt jedoch gleichfalls zu einer Reduktion des Impingement freien Bewegungsausmaßes [16].
In unserem Patientengut zeigten sich in den letzten Jahren keine Luxationen von Tess-invers-Prothesen (Zimmer Biomet) und auch nicht von Comprehensive-Prothesen (Zimmer Biomet). Delta-Xtend-Prothesen zeigten hingegen Luxationsereignisse (DePuy Johnson).
Die Frage des humeralen Offsets ist in diesem Zusammenhang bisher wenig Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen gewesen. In der vorliegenden Arbeit haben wir unterschiedliche Prothesendesigns, die wir im klinischen Alltag verwenden, diesbezüglich verglichen.
Material und Methode
Es wurden 3 unterschiedliche inverse Prothesenmodelle, die in den letzten Jahren von uns implantiert wurden, anhand der postoperativen Röntgenbilder ausgewertet. Es handelte sich jeweils um 21 Tess-invers- (Abb. 1), um 19 Delta-Xtend- (Abb. 2) sowie um 12 Comprehensive-Prothesen (Abb. 3). Dabei wurde das humerale Offset bestimmt.
Die Röntgenparameter der verschiedenen Prothesenmodelle wurden miteinander verglichen. Die Auswertung erfolgte mittels SPSS anhand von Mittelwertvergleichen/Anovas.
Ergebnisse
Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen der Tess invers (Offset MW: 40,33 mm) zur Delta Xtend (MW: 35,21 mm) und von der Comprehensive (MW: 41,75 mm) zur Delta Xtend. Die Tess-invers- und die Comprehensive-Prothese zeigten keinen signifikanten Unterschied im humeralen Offset (Tab. 1).
Diskussion
Die inverse Schulterprothetik führte zu einer guten Rekonstruktion der Funktionalität bei Patienten mit Defekten im Bereich der Rotatorenmanschette [14]. Durch die Umkehrung von Konvexität am Glenoid und Konkavität am Humerus wird das Drehzentrum distalisiert und medialisiert, was zu einer Reduktion des Drehmoments und zu einem zusätzlichen Recruitment von Deltafasern führte (Abb. 4) [13].
1. Distalisierung
Vorteil: Verbesserung des Momentarms für den M.deltoideus um 25 %
2. Medialisierung
Vorteil: Rotationszentrum in Projektion auf den glenoidalen Knochen reduziert die Implantat-Knochen Belastung
Nachteile:
Skapula-Notching
Verlust der Deltoidkontur
reduziert den Momentarm für den M. infraspinatus.
Die Verwendung von inversen Systemen hat im letzten Jahrzehnt erhebliche Popularität gewonnen. Gleichzeitig musste man jedoch erkennen, dass zusätzliche Komplikationen wie Instabilitäten mit Luxation (Abb. 5), Scapula-Notching (Abb. 6), akromiale Frakturen (Abb. 7) sowie Lockerungen glenoidaler und humeraler Komponenten entstehen, die in dieser Art bei den bisherigen Prothesen nicht bekannt waren.
Day et al. [9] untersuchten die inverse Schulterprothese in einer Medicare-Population in den USA im Zeitraum des Jahres 2011. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 31.002 Schulterprothesen implantiert. 37 % waren inverse Prothesen, 42 % totale Prothesen und 21 % Hemiprothesen. Low-volume-Operateure (< 10 Prothesen pro Jahr) führten die meisten Alloarthroplastiken durch (57 % der inversen Prothesen, 65 % der Total-Prothesen und 97 % der Hemiprothesen). 70 % der inversen Prothesen wurden von Operateuren implantiert, die mehr inverse Prothesen als Hemiprothesen und Totalprothesen zusammen durchführen.
Villacis et al. [30] untersuchten die Komplikationsraten nach Totalprothesen im Vergleich zur reversen Prothese. Die Autoren hatten Zugriff auf die Daten eines gesamten US-Staats. Zwischen 2011 und 2013 wurden insgesamt 10.844 Prothesen implantiert. 6648 waren totale Schulterprothesen, und 4186 waren inverse Prothesen. Die Komplikationsrate bezüglich Infektion und Dislokation war unterschiedlich zuungunsten der inversen Prothesen.
Inzidenz von Luxationen nach inversen Schulter-
prothesen
Die Luxation ist eine der häufigsten Komplikationen der inversen Prothetik. Zumstein und Mitarbeiter berichteten über eine Inzidenz von 4,7 % (37 von 782 Prothesen) im Rahmen eines systematischen Reviews. Andere Autoren berichteten über eine Luxationsrate von 2,4–31 % [3, 4, 6, 15, 33].
Klassifikation der Instabilitäten von inversen Prothesen
Generell werden die Instabilitäten als Frühinstabilität (innerhalb der ersten 3 Monate nach der Erstimplantation) sowie als Spätinstabilität (später als 3 Monate nach der Erstimplantation) klassifiziert [22]. Abdelfattah et al. [1] stellen eine Klassifikation der Instabilität nach inversen Prothesen dar.
Insgesamt führten die Autoren bei 34 Patienten mit einer instabilen Frankle-Prothese eine Revision durch. Selbst nach der Revision verblieben noch 5 Patienten instabil. Die persistierende Instabilität war in der Regel vergesellschaftet mit einer persistierenden Dysfunktion des M. deltoideus oder mit postoperativen Frakturen des Akromions.
In einer Gruppe von inversen Prothesen nach Rotatorenmanschettendefektarthropathien berichteten Cuff und Mitarbeiter [8] nur bei einer von 96 Schultern eine chronische Instabilität nach 8 Jahren.
Ursachen für Instabilitäten
Es gibt verschiedene Faktoren, die für eine Instabilität nach inverser Schulterprothese verantwortlich sein können. Hierzu zählt insbesondere eine nicht ausreichende Weichteilspannung; daneben ein mechanisches Impingement, Missmatch zwischen Glenosphäre und humeralem Inlay, falsche Version der glenoidalen Komponente oder falsche Torsion der humeralen Prothesenkomponente.
Die Ursachen für die Instabilität nach inversen Schulterprothesen werden von verschiedenen Autoren als immer noch nicht sicher verstanden angegeben [22]. Kohan und Mitarbeiter [22] untersuchten 19 Patienten mit einer instabilen inversen Prothese. 14 von diesen hatten eine Frühinstabilität und 5 eine Spätinstabilität.
68 % der Patienten zeigten eine ungenügende Weichteilspannung; 10 % eine Schädigung am N. axillaris. Viele Patienten hatten einen asymmetrischen Abrieb im Bereich des Polyethylens. Ein weiterer Aspekt war ein Impingement aufgrund von heterotopen Ossifikationen. Ein asymmetrischer Polyethylenabrieb war für 60 % der Spätdislokationen verantwortlich. Eine erneute Instabilität konnten die Autoren bei 29 % der Frühluxation und bei 40 % der Spätluxationen finden.