Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018
Vergleich des humeralen Offsets von drei verschiedenen inversen Schulterprothesen-Designs
Chalmers et al. [5] analysierten ihre inversen Prothesen mit Frühdislokation. Innerhalb der ersten 3 Monate fanden sie eine Inzidenz von 2,9 %. Der mittlere Zeitraum bis zur Dislokation betrug 3,4 Wochen. Als Risikogruppen fanden sie insbesondere die Patienten, die bereits voroperiert wurden. 64 % waren männliche Patienten, 82 % waren Patienten mit einem Übergewicht von 32,2 BMI. Eine geschlossene Reposition war in 4 von 9 Fällen (44 %) erfolgreich. Fünf der 11 inversen Prothesen (45 %) benötigten einen Wechsel des Polyethyleninlays.
Padegimas et al. [25] analysierten ihre inversen Prothesen, die sie zwischen September 2010 und Dezember 2013 implantieren. Insgesamt wurden 510 inverse Prothesen implantiert; 393 primäre und 117 Revisionen. Die Autoren fanden 15 Luxationen (5 bei primären Prothesen und 10 nach Revisionsoperationen). Die mittlere Zeit zwischen Operation und Luxation betrug 58,2 Tage. Patienten mit einer primären Rotatorenmanschettendefektarthropathie zeigten eine geringere Wahrscheinlichkeit der Dislokation. Die Autoren wiesen auf das erhöhte Risiko einer Dislokation bei Patienten mit hohem BMI hin.
Keine Dislokation konnte durch einfache Reposition in der Ambulanz behandelt werden. Alle Dislokationen wurden operativ behandelt.
Chalmers et al. [5] gaben eine erhöhte Luxationsrate bei Patienten mit einem BMI von über 30 an. Hattrup et al. [17] fanden unter 26 Patienten, die eine inverse Prothese nach Versagen einer Frakturversorgung des proximalen Humerus erlitten, 2 Patienten mit einer Dislokation.
Die Rolle der humeralen Inklination
Erickson et al. [12] untersuchten den Einfluss der humeralen Inklination bei inversen Prothesen auf das Ergebnis anhand eines systemischen Literatur-Reviews. Insgesamt wurden 38 Studien mit 2222 Schultern inkludiert. Von diesen hatten 1762 (79,3 %) eine Inklination von 155° und 406 (20,7 %) von 135°. Die Inzidenz des Skapula-Notchings war 2,83 % in der 135°-Gruppe und 16,8 % in 155°-Gruppe. Die Rate der Dislokation betrug 1,74 % in der 135°-Gruppe und 2,33 % in der 155°-Gruppe. Die Autoren schlussfolgerten, dass das Skapula-Notching signifikant häufiger ist bei Prothesen mit 155°-Inklination im Vergleich zu Prothesen mit 135°-Inklination und dass die Dislokationsrate nicht signifikant unterschiedlich ist.
Die Rolle des Offsets
Die Implantat-Typen von inversen Prothesen können erheblich die Weichteilsituation beeinflussen. Verschiedene Implantate erreichen die Weichteilspannung durch eine Kombination von inferiorer Glenoid-Platzierung, großer Glenosphäre und valgischem Hals-Schaft-Winkel. Bei den in Nordamerika üblichen Prothesen (Frankle-Typ) wird die Weichteilspannung durch ein erhöhtes laterales Offset erreicht [6].
Die adäquate Weichteilspannung ist ganz essenziell für die Stabilität der inversen Prothese. Hierzu zählen das vertikale Offset als Relation zwischen Acromion und Tuberculum majus sowie das laterale Offset als Distanz zwischen Tuberculum majus und Glenoid [6]. Hierbei sind das Offset des Rotationszentrums sowie das humerale Offset zu differenzieren.
Unsere eigenen klinischen Erfahrungen zeigen eine deutlich geringere Instabilitätsrate von Tess-invers- oder der Comprehensive-Prothese im Vergleich zu der Delta-Xtend-Prothese. Unsere Untersuchung zeigt bei der Delta-Xtend-Prothese ein signifikant geringeres humerales Offset auf. Dies kann ein Hinweis auf die Relevanz dieses Parameters in der Stabilität einer inversen Prothese sein, sodass bei der Implantation nicht nur auf die Distalisierung und Medialisierung des Rotationszentrums geachtet werden sollte, sondern auch auf das humerale Offset.
Clouthier et al. [7] untersuchten in einer biomechanischen Untersuchung die Stabilität von inversen Prothesen. Sie schlussfolgerten, dass eine Zunahme der glenohumeralen Abduktion und Verwendung eines erhöhten Offsets zur Stabilität beiträgt. Zusätzlich erhöhten retentive Inlays die Stabilität.
Henninger et al. [18] untersuchten im Rahmen einer biomechanischen Studie im Labor den Effekt eines lateralisierten Rotationszentrums (COR) nach verschiedenen Parametern. Sie schlussfolgerten, dass eine Lateralisation des Rotationszentrums die Stabilität der inversen Prothesen erhöht, dies jedoch durch eine Zunahme der deltoidalen Abduktionskraft erkauft wird.
Lädermann et al. [23] untersuchten beim Literaturreview die Länge des Humerus bei inversen Prothesen. Sie fanden eine Änderung der humeralen Länge in ihrem Literaturreview von –5 bis +5 mm und einen Unterschied in der Gesamtlänge des Arms zwischen 5 und 27 mm. Die acromio-humerale Distanz betrug 22 mm. Eine humerale Verkürzung erhöhte das Risiko der Dislokation und führte zu einer deutlichen Verschlechterung der anterioren aktiven Elevation. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine Rekonstruktion der humeralen Länge entscheidend ist für die postoperative Funktion, um eine Dislokation zu verhindern (Abb. 8).
Es kann eine Verlängerung von 0–2 cm erfolgen, darüber hinaus ist mit neurologischen Komplikationen zu rechnen.
Die Rolle des M. subscapularis
Bezüglich der Subscapularis-Rekonstruktion gibt es in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Es fehlt eine Evidenz, um eine Subscapularis-Rekonstruktion zur besseren Stabilität zu belegen. Dennoch gibt es einige Autoren, die den Subscapularis als Adduktor wichtig ansehen, obwohl er hierbei dann die Bewegungsausmaße reduziert [15]. Edwards et al. [10] empfehlen die Subscapularisrekonstruktion, weil sie hier einen Vorteil zur Luxationsprophylaxe sehen. Andererseits ergibt der superolaterale Zugang mit Schutz des Subscapularis eine erhöhte Luxationsrate [32]. Als Nachteil der Subscapularisrekonstruktion wird u.a. das Risiko der Nervus-axillaris-Schädigung, eine Zunahme des Scapula-Notchings und die schwierigere Exposition bis hin zur Deltoid-Schädigung angesehen [27].
Ackland et al. [2] und Jarrett et al. [20] sehen den oberen Anteil des Muskels als Abduktor und den unteren Anteil als Adduktor an, der zu einer erhöhten Stabilität beiträgt. Edwards und Mitarbeiter [10] untersuchten 138 Patienten mit inverser Schulterprothetik und ohne Subscapularis-Rekonstruktion. Alle postoperativen Luxationen waren bei Patienten mit nicht wiederherstellbarem Subscapularis eingetreten.