Übersichtsarbeiten - OUP 01/2025
Verletzungen des AcromioclaviculargelenkesWie kommen wir mit der konservativen und/oder operativen Therapie zu optimalen Ergebnissen?
In der radiologischen Diagnostik wurde die Panoramaaufnahme der oberen Thoraxapertur aufgrund der hohen Strahlenexposition von einem aktuelleren und gut etablierten Untersuchungsstandard abgelöst, der eine axiale Röntgenaufnahme der betroffenen Schulter beinhaltet. Darüber hinaus erfolgen beidseits Röntgenaufnahmen nach Alexander zur Beurteilung einer möglichen horizontalen Instabilität sowie die beidseitige ACG-Aufnahme mit axialem Zug von 10 kg-Gewichten, die Aufschluss über den Grad der vertikalen Instabilität geben [7, 8, 11]. Da es ab einem erhöhten Patientenalter zu einem vermehrten Aufkommen von glenohumeralen Begleitpathologien kommt, sollte die präoperative MRT-Diagnostik bei dieser Patientenklientel erwogen werden, auch wenn sie nicht zum Goldstandard gehört [6]. Die CT-Diagnostik bleibt speziellen Fällen vorbehalten, bspw. im Rahmen einer begleitenden Coracoidfraktur.
Klassifikation
Zunächst werden Verletzungen des ACG auf Grundlage des zeitlichen Abstandes zum Trauma in akute und chronische Instabilitäten eingeteilt. Von einer akuten ACG-Sprengung spricht man innerhalb eines Zeitraumes von maximal 3 Wochen nach dem traumatischen Ereignis. Ist die Zeitspanne von 3 Wochen allerdings überschritten, handelt es sich per Definition um eine chronische Instabilität des ACG. Da das biologische Regenerationspotential der ligamentären Strukturen mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum Trauma abnimmt, ist diese Einteilung insbesondere für die Wahl eines geeigneten Therapiekonzeptes von großer Bedeutung [5, 7, 8,12–14].
Eine anatomische Klassifikation auf Grundlage des Ausmaßes der Dislokation wurde im Jahr 1984 von Rockwood [15] veröffentlicht, hierbei wird zwischen 6 Schweregraden unterschieden (Tab. 1). Mit in die Rockwood-Einteilung einbezogen werden die acromioclaviculären (AC) und coracoclaviculären (CC) Bänder, die deltoideopectorale Faszie sowie das Ausmaß des Claviculahochstandes. Die Rockwood-Klassifikation ist aktuell Grundlage für die Entscheidungsfindung zwischen operativer und konservativer Therapie. Insbesondere Typ Rockwood 3-Verletzungen waren lange Zeit hinsichtlich der Therapiefrage umstritten, weswegen von der International Society of Arthroscopy, Knee Surgery and Orthopaedic Sports Medicine (ISAKOS) eine weitere Unterteilung in Typ 3A- und 3B-Verletzungen vorgenommen wurde. Ziel dieser Subgruppenbildung ist die Filterung von Patientinnen und Patienten, die von einer operativen Therapie profitieren würden. Je nach Vorhandensein einer horizontalen Instabilität, also der anterior-posterioren Translation der Clavicula gegenüber dem Acromion, liegt eine Typ 3A- (ohne horizontale Instabilität) oder eine Typ 3B- (mit horizontaler Instabilität) Verletzung vor [16, 17].
Therapieziele
Sowohl in der konservativen als auch in der operativen Therapie liegen die Haupttherapieziele in der Wiederherstellung einer guten Funktionalität der Schulter bei zugleich bestehender Schmerzfreiheit. Darüber hinaus ist der Ansatz jeder Therapie, eine chronische Instabilität zu verhindern. Im Rahmen der operativen Therapie ist der Erfolg maßgeblich von der vorhandenen Stabilität, also dem Fehlen einer horizontalen oder vertikalen Instabilität im ACG abhängig, denn das klinische und funktionelle Ergebnis korreliert direkt mit der korrekten anatomischen Reposition. Für den klinischen Alltag bedeutet dies, dass eine Adressierung sowohl der AC- als auch der CC-Bänder zur Verhinderung eines Korrekturverlustes mit daraus resultierenden Langzeitfolgen von großer Bedeutung und für den Behandlungserfolg maßgeblich ist [18].
Konservative Therapie
Bei ACG-Instabilitäten der Typen Rockwood 1 und 2 zeigt sich die aktuelle Literatur bezüglich der Empfehlung zur konservativen Therapie einig, denn die Ergebnisse zeigen eine hohe Patientenzufriedenheit mit einem guten klinischen Outcome. Das Therapieschema besteht neben der schmerzadaptierten Analgesie in einer vorübergehenden Ruhigstellung der Schulter im Gilchrist-Verband für maximal 2 Wochen. Im Rahmen der Nachbehandlung führt eine frühfunktionelle physiotherapeutische Mitbehandlung mit aktiven und passiven Bewegungsübungen ohne Belastung des betroffenen Armes für 6 Wochen zu sehr guten Resultaten. Nach Ablauf des 6-wöchigen Zeitraumes wird der Belastungsaufbau begonnen, die Heilung sollte im komplikationslosen Verlauf nach etwa 12 Wochen abgeschlossen sein [16, 19, 20]. Dennoch kann es auch im Bereich der Rockwood Typ 1 und 2-Verletzungen zu Komplikationen im Therapieverlauf mit der Langzeitfolge einer chronischen Instabilität kommen [10, 21]. Nach einer langbestehenden Periode der Unstimmigkeit bezüglich der operativen Versorgung von Rockwood Typ 3-Verletzungen besteht seit dem durch die ISAKOS veröffentlichten Konsensus – mit der vorgenommenen Subklassifizierung in Typ 3A und 3B-Verletzungen – eine wissenschaftlich basierte Einigkeit: Das Fehlen einer horizontalen Instabilität (Rockwood Typ 3A) bringt die Indikation zur konservativen Therapie mit sich. Es zeigen sich gute klinische Ergebnisse mit einer zu vernachlässigen Komplikationsrate [16, 17].
Operative Therapie
Im Rahmen der operativen Versorgung stellen sich im Allgemeinen 2 grundlegende Fragen: Wann ist der optimale Zeitpunkt der Versorgung, und welches operative Verfahren bewährt sich am meisten? Aktuelle Studien belegen, dass der Operationszeitpunkt maßgeblich mit dem postoperativen langfristigen Ergebnis korreliert: Wird die Operation im Akutstadium, d.h. in einem Zeitraum von maximal 3 Wochen nach dem Trauma, durchgeführt, präsentieren sich die betroffenen Patientinnen und Patienten mit einem deutlich besseren klinischen Outcome [22–24]. Beispielsweise wurden in einer Studie von Dey Hazra et al. [23] die im Akutstadium versorgten Patientinnen und Patienten mit denjenigen verglichen, die zeitverzögert aufgrund einer chronischen Instabilität operiert wurden. Hinsichtlich der klinischen Scores sowie der Visuellen Analog-Skala (VAS) präsentiert sich die erstgenannte Gruppe mit einem statistisch signifikant besseren Ergebnis. Auch der Einstieg in das Arbeitsleben und die Ausführung der präferierten sportlichen Aktivität stehen deutlich zugunsten der akut verletzten und versorgten Patientinnen und Patienten. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor ist die in der aktuellen Studienlage nachgewiesene erhöhte postoperative Komplikations- und Revisionsrate nach operativer Versorgung einer chronischen ACG-Instabilität [23]. All diese hier erwähnten Punkte plädieren für eine im klinischen Alltag genaue Diagnostik mit schnellstmöglicher Diagnosestellung und einer frühzeitigen Erarbeitung eines definitiven Behandlungskonzeptes, um die Entstehung eines chronischen Prozesses zu verhindern.