Übersichtsarbeiten - OUP 01/2025
Verletzungen des AcromioclaviculargelenkesWie kommen wir mit der konservativen und/oder operativen Therapie zu optimalen Ergebnissen?
Die Frage nach dem optimalen Operationsverfahren hat lange Zeit viele Kontroversen hervorgerufen. Grundlegend wird zwischen einem offenen Vorgehen sowie der arthroskopischen Versorgung unterschieden. Eine an Schulterchirurginnen und -chirurgen gerichtete Umfrage von Balke et al. [25] hat diesbezüglich eine deutliche Dominanz der arthroskopischen Versorgung gegenüber dem offenen Vorgehen gezeigt.
Im Bereich der offenen Operation ist maßgeblich die Hakenplatten-Osteosynthese zu erwähnen, die lange Zeit als Therapie der Wahl galt, heutzutage in der klinischen Versorgung jedoch lediglich einen sehr niedrigen Stellenwert hat. Vorteilhaft ist eine chirurgisch einfache Operationstechnik zur Stabilisierung des ACG. Jedoch müssen durch die Art der Osteosynthese auch einige mögliche Komplikationen in Kauf genommen werden: Durch eine störende und reizende Wirkung der Platte auf umliegende Weichteilgewebe und den Knochen kann es nicht selten zur Ausbildung von Osteolysen und Frakturen des Acromions sowie zur Schädigung der Rotatorenmanschette kommen. Durch die aufladende Platzierung der Platte ist die Ausbildung eines subacromialen Impingement-Syndroms ebenfalls keine Seltenheit. Eine Materialentfernung der Platte ist zur Verhinderung weiterer Langzeitschäden nach 3 Monaten obligat, was für die betroffenen Patientinnen und Patienten mit der Notwendigkeit einer erneuten Operation und den operationsassoziierten Komplikationen einhergeht [7, 8, 12, 26, 27].
In den letzten Jahren wurden zunehmend arthroskopisch gestützte Implantate entwickelt, die durch ein TightRope-System eine vertikale Stabilisierung und durch eine additive transacromiale Fadencerclage eine zusätzliche horizontale Stabilität erzielen, was maßgeblich und obligat für den Therapieerfolg ist [11, 28]. Die bisher zu diesem Therapiekonzept veröffentlichten Studien zeigen sehr gute klinische und funktionelle Ergebnisse, weswegen sich die minimalinvasive arthroskopisch gestützte Technik in den letzten Jahren zur Therapie der Wahl etabliert hat. Die Ergebnisse sind im Gegensatz zum offenen Vorgehen statistisch signifikant besser [29, 30]. Vorteilhaft ist hier insbesondere die minimalinvasive und weichteilschonende Operationstechnik, was auch für das Implantatdesign selbst gilt [12]. Eine Re-Operation zur Materialentfernung ist nicht vorgesehen. Durch das arthroskopische Vorgehen können mit einer standardmäßig vorangehenden diagnostischen Arthroskopie mögliche glenohumerale Begleitpathologien detektiert und, falls nötig, direkt adressiert werden – die Anzahl therapiebedürftiger Begleitverletzungen ist nicht zu unterschätzen [6]. Bereits mehrere Studien haben eine extrem hohe Patientenzufriedenheit und Akzeptanz dieses Therapieverfahrens gezeigt, unter anderem eine Arbeit von Jensen et al. [12, 29, 31]. In 97 % der Fälle waren die operierten Patientinnen und Patienten langfristig sehr zufrieden, eine Bewegungseinschränkung blieb bei keinem der Betroffenen zurück, auch eine Materialdislokation im Sinne einer Migration des claviculären coracoidalen Buttons wurde nicht beschrieben [31]. Allerdings bringt das arthroskopische Verfahren für die Operateurin/den Operateur einige Herausforderungen mit sich, der technische Aufwand ist anspruchsvoll. Nachteile bzw. Komplikationen liegen in einer möglichen Weichteilirritation des claviculären Buttons und der Gefahr einer iatrogenen intraoperativen Clavicula- oder Coracoidfraktur während der Platzierung der Bohrkanäle, letztere wird in der Literatur mit bis zu 20 % angegeben [7]. Eine Minimierung des Frakturrisikos kann durch eine Minimierung des Bohrkanaldurchmessers erzielt werden. An diese Gegebenheiten passen sich auch die aktuellen TightRope-Systeme an, denn hier werden lediglich das Fadenmaterial und nicht die Buttons durch die Bohrkanäle gezogen. Die Komplikation eines postoperativen Repositionsverlustes ist im Vergleich zur osteosynthetischen Versorgung mittels Hakenplatte zwar deutlich zurückgegangen, jedoch kann es auch nach arthroskopisch gestützter vertikaler und horizontaler Stabilisierung durch ein Materialversagen zu einer erneuten Dislokation im ACG kommen [29, 30].
Hinsichtlich der operativen Therapie von ACG-Verletzungen wird nach aktuellem Stand der Forschungsergebnisse die Versorgung ab einem Dislokationsgrad von Rockwood Typ 3B empfohlen. Aktuelle Diskussionen beschäftigen sich allerdings mit der Frage, ob die operative Therapie von Rockwood Typ 3B und 5 Verletzungen definitiv Vorteile gegenüber dem konservativen Vorgehen mit sich bringt. Eine kürzlich veröffentlichte Arbeit von Tauber et al. [32] zeigt zumindest bei Rockwood 3B-Verletzungen keinen Benefit der operativen Behandlung. Da zu diesem Thema allerdings nur vereinzelte Studienergebnisse vorliegen, muss diese Diskussion zukünftig weitergeführt werden.
Akute ACG-Verletzungen
Der klinische Goldstandard zur Versorgung akuter ACG-Sprengungen liegt in der minimalinvasiven arthroskopischen Technik mit Implantation eines TightRope-Systems (Abb. 1, 2). Zur operativen Versorgung wird die/der vollnarkotisierte Patientin/Patient in Beach-Chair-Position mit Kopfschale gelagert. Ein montierter pneumatischer Armhalter gewährleistet, dass der betroffene Arm frei beweglich bleibt. Am Kopfende wird ein steril überzogener Bildwandler positioniert, um die korrekte Platzierung der Bohrkanäle zu überprüfen. Zunächst wird eine diagnostische Arthroskopie durchgeführt, wobei mögliche glenohumerale Begleitpathologien erkannt werden können. Hierzu sind die 3 arthroskopischen Standardportale (posterior, anteroinferior, anterolateral) zu setzen, die diagnostische Spiegelung erfolgt über den posterioren Zugang. Der transtendinöse laterale arthroskopische Zugang dient zur Platzierung der Optik und Darstellung des Coracoidbogens. Über den anteroinferioren Zugang wird im nächsten Schritt eine subacromiale Präparation vorgenommen. Anschließend wird die laterale Clavicula ebenfalls präpariert. Hierzu wird in Längsrichtung oberhalb der lateralen Clavicula ein etwa 2– 3 cm langer Hautschnitt platziert. Vor der Bohrung ist die Reposition über eine kaudoventrale Druckausübung bei kranialisiertem Arm durchzuführen, welche über einen K-Draht temporär gehalten wird. Eine korrekte anatomische Reposition des ACG ist für den Therapieerfolg ausschlaggebend – eine leichte Überkorrektur wird in der bisherigen Literatur sogar als prädiktiver Faktor zur Vorbeugung eines postoperativen Korrekturverlustes gewertet. Im Vergleich dazu zeigen Bohrungen ohne vorherige Reposition einen höheren Repositionsverlust und mehr Tunnel-Widening [33]. Zur Gewährleistung der vertikalen Stabilität wird nun die transclaviculäre-transcoracoidale Bohrung mit unterhalb des Coracoidbogens platziertem Zielbügel vorgenommen. Die Bohrung wird hierbei sowohl arthroskopisch als auch radiologisch mittels Bildwandler geprüft. Als anatomischer Eintrittspunkt für die optimale Bohrung gilt der Zwischenraum zwischen den beiden CC-Bändern, der Austrittspunkt liegt in der Coracoidbasis. Nach erfolgreich platziertem Bohrkanal kommt nun ein Shuttle-Faden zum Einsatz, um das TightRope-System (knotless AC-TightRope, Fa. Arthrex, Naples, FL, USA) zu platzieren, wobei die beiden Buttons über der Clavicula und inferior des Coracoids gesetzt werden. Das knotless TightRope-System verblockt sich aufgrund des Mädchenfängersystems selbständig, sodass auf ein Knoten der Fäden über dem claviculären Button verzichtet werden kann. Mögliche Weichteilirritationen sollen hierdurch vermindert werden. Die Fäden am claviculären Button werden für eine additive horizontale Stabilisierung belassen. Hierfür erfolgt über eine minimalinvasive laterale Stichinzision eine radiologisch kontrollierte transacromiale Bohrung mit anschließender Überbohrung durch einen kanülierten Bohrer (2,7 mm). Ein Schenkel wird nun nach lateral durch den Bohrkanal unter Zuhilfenahme eines Shuttledrahtes ausgeführt. Der zweite Schenkel wird subcutan nach lateral ausgeführt. Zuletzt werden die beiden Fäden unter lateralem Druck auf das Acromion straff miteinander lateral unter dem Delta verknotet. Das Resultat der operativen Versorgung liegt nun in einer vertikalen und horizontalen Stabilisierung, der Gelenkspalt sollte wieder anatomisch reponiert sein. Nach dem Verschluss der deltotrapezoidalen Faszie und der Wundnaht wird die Patientin/der Patient entlagert [34] (Abb. 2).