Übersichtsarbeiten - OUP 02/2025

Altersgerechte Verfahren an Wirbelsäule und Becken

Chantal Beatrice Zimmermann, Götz Schäfer, Thomas Roger Blattert

Zusammenfassung:
Die Altersmedizin ist bei steigender Lebenserwartung ein zentrales Thema der alltäglichen medizinischen Versorgung. Mit zunehmendem Alter erhöht sich allerdings die Sturzneigung und dementsprechend auch die Frakturrate. Es handelt sich in der Mehrheit der Fälle entweder um Fragilitätsfrakturen oder niederenergetische Traumata (z.B. Stolpersturz). Der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Funktion sind bei alterstraumatologischen Patientinnen und Patienten entscheidend.
Während die Prävalenz osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen in der EU im Jahr 2000 noch bei 23,7 Mio. lag, wird für das Jahr 2050 eine Steigerung auf 37,3 Mio. prognostiziert. Die Inzidenz von Beckenringfrakturen liegt derzeit bei 22,4 bezogen auf 10.000 Einwohner. Betroffen sind häufig ältere Patientinnen mit vorbekannter Osteoporose. Bei steigender Inzidenz aufgrund der demografischen Entwicklung bedarf es altersgerechter Verfahren an Wirbelsäule und Becken.
Ziel dieser Arbeit ist es, nach adäquater Diagnostik und unter Würdigung der aktuellen Klassifikationen sowohl die konservativen, als auch die operativen Maßnahmen zu erläutern, um so die bestmögliche Therapiestrategie bei älteren Patientinnen und Patienten anwenden zu können.

Schlüsselwörter:
Alterstraumatologie, Wirbelsäule, Beckenring, Sakrum, Osteoporose, OF-Klassifikation, Kyphoplastie, dorsale Stabilisierung, Sakroiliakale Schrauben, Sakroiliakaler Stab

Zitierweise:
Zimmermann CB, Schäfer G, Blattert TR: Altersgerechte Verfahren an Wirbelsäule und Becken
OUP 2025; 14: 67–73
DOI 10.53180/oup.2025.0067-0073

Summary: As life expectancy increases, geriatric medicine is a central topic in everyday medical care. With increasing age, however, the tendency to fall increases and, accordingly, so does the fracture rate. In the majority of cases, these are either fragility fractures or low-energy trauma (e.g. tripping and falling). Maintaining or restoring function is crucial in age-related traumatology patients.
While the prevalence of osteoporotic vertebral fractures in the EU was 23.7 Mio in the year 2000, an increase to 37.3 Mio is predicted for the year 2050. The incidence of pelvic ring fractures is currently 22.4 per 10,000 inhabitants. The majority of patients affected are older women with known osteoporosis. Given the increasing incidence due to demographic trends, age-appropriate spinal and pelvic procedures are required.
The aim of this paper is to explain both conservative and surgical measures following adequate diagnosis and considering the current classifications, in order to be able to apply the best possible treatment strategy for older patients.

Keywords: Geriatric traumatology, spine, pelvic ring, sacrum, osteoporosis, OF classification, kyphoplasty, posterior stabilization, sacroiliac screws, sacroiliac rod

Citation: Zimmermann CB, Schäfer G, Blattert TR: Age-appropriate procedures for spine and pelvis
OUP 2025; 14: 67–73. DOI 10.53180/oup.2025.0067-0073

C. B. Zimmermann: Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Ingolstadt

G. Schäfer: Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Ingolstadt, & Interdisziplinäres Wirbelsäulenzentrum, Klinikum Ingolstadt GmbH

T. R. Blattert: Interdisziplinäres Wirbelsäulenzentrum, Klinikum Ingolstadt GmbH

Altersgerechte Verfahren an der Wirbelsäule

Einleitung

Osteoporotische Frakturen der Wirbelsäule sind angesichts unserer überalternden Gesellschaft ein wichtiges medizinisches und wirtschaftliches Problem, da diese Frakturen zu erheblicher Morbidität und potenziell Mortalität führen können. Die Inzidenz der Osteoporose ist stetig steigend [1]. Grob geschätzt kann man davon ausgehen, dass 30 % aller Frauen und 10 % der Männer nach dem 50. Lebensjahr eine symptomatische Osteoporose erleiden [2]. Hierbei kann die Osteoporose die Ursache für eine Fraktur (atraumatische Fraktur) sein oder die Behandlung einer traumatischen Fraktur beeinflussen. Epidemiologische Daten zur Häufigkeit von osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen liegen nur spärlich vor. In einer Multicenter Studie der Arbeitsgemeinschaft Osteoporotische Frakturen (AG OF) der Sektion Wirbelsäule der DGOU war bei 707 eingeschlossenen Patientinnen und Patienten ein Trauma nur in 49 % erinnerlich bei einem Frauenanteil von 73 %. Am häufigsten waren die Wirbelkörper BWK 12 und LWK 1 betroffen [3].

Diagnostik

Die Anamnese geriatrischer Patientinnen und Patienten ist nicht selten leer. Häufig kann kein Sturz berichtet werden, auch der Beginn der Beschwerden ist oft schleichend und nicht an einem Zeitpunkt fest zu machen.

Ebenso ist die klinische Diagnostik bei osteoporotischen Frakturen meist wenig hilfreich. Die Patientinnen und Patienten klagen über Schmerzen am Rücken oder tief lumbal, vor allem bei Bewegung. In Ruhe bestehen meist keine Beschwerden. Häufig berichten die Patientinnen und Patienten über einen typischen Schmerz beim Lagewechsel vom Liegen zum Sitzen/Stehen, der sich dann nach einiger Zeit wieder gibt. Eine radikuläre Symptomatik ist selten, kann aber insbesondere bei Grundplattenfrakturen durch die relative Verkleinerung der Neuroforamina auftreten. Ebenso sind Querschnittssyndrome eher selten und dann mit eher schleichendem Beginn.

Bezüglich bildgebender Diagnostik steht das konventionelle Röntgen in 2 Ebenen im Stehen in Vordergrund. Allerdings wird hierbei vor allem aufgrund degenerativer Veränderungen nur eine Sensitivität von 51,3 % und eine Spezifität von 75,0 % erreicht [4, 5]. Die CT-Diagnostik ist notwendig, um Frakturen bezüglich ihrer Morphologie und Stabilität einzuschätzen [6], scheitert aber häufig in der Einschätzung des Alters von Frakturen und übersieht okkulte Frakturen. Dementsprechend wird bei Frakturverdacht eine MRT mit „short-tau inversion recovery“- (STIR) Sequenz von BWS und LWS angeraten, um eine therapeutische Unterversorgung zu vermeiden [7].

Klassifikation

Die Sektion Wirbelsäule der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) schlug 2018 eine neue Klassifikation für osteoporotische Frakturen vor [8], da die bisher bestehenden Klassifikationen den Besonderheiten der Frakturen älteren Menschen nicht gerecht wurden. So bestand zu diesem Zeitpunkt z.B. keine Klassifikation für nichttraumatische Frakturen der thorakolumbalen Wirbelsäule. Die OF-Klassifikation besteht aus 5 Untergruppen und basiert auf Röntgen, Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) (Abb. 1):

OF 1: Keine Wirbelkörperdeformation im CT, Ödem in der MRT-STIR-Sequenz

OF 2: Fraktur des Wirbelkörpers mit oder nur mit geringer Beteiligung der Hinterkante (< 1/5). Nur eine Endplatte betroffen

OF 3: Fraktur des Wirbelkörpers mit deutlicher Beteiligung der Hinterkante (> 1/5). Nur eine Endplatte betroffen

OF 4: Fraktur des Wirbelkörpers mit Beteiligung beider Endplatten oder Verlust der Rahmenstruktur (Wirbelkörperkollaps)

OF 5: Distraktions- und Rotationsverletzungen

Die OF-Klassifikation hat sich hinsichtlich der Anwendbarkeit und Reliabilität bewiesen und zeigt im Vergleich zu anderen Klassifikationen eine höhere Interrater-Reliabilität [8].

Therapie

Anhand der OF-Klassifikation konnte ein Therapiealgorithmus, der sogenannte OF-Score entwickelt werden [9, 10]. Er beruht auf der Frakturmorphologie (OF-Klassifikation), der Knochendichte mittels T-Score, einer evtl. Sinterung der Fraktur, dem Ausmaß der Schmerzen, einem eventuell vorhandenen neurologischen Defizit, dem Grad der Mobilisation und dem allgemeinen Gesundheitszustand. Für jedes Item werden Punkte vergeben. Kann ein Item nicht bewertet werden – da z.B. keine Knochendichtemessung vorliegt – wird es mit 0 Punkten bewertet. Bei 0–5 Punkten empfiehlt die AG OF ein konservatives Vorgehen, bei 6 Punkten besteht eine relative OP-Indikation und bei mehr als 7 Punkten besteht eine klare OP-Indikation. Hierbei kann der Score zu verschiedenen Zeitpunkten des Krankheitsverlaufes angewendet werden und erlaubt so eine Re-Evaluation der Patientin/des Patienten im Laufe des Behandlungszeitraumes (Abb. 2).

In einer prospektiven Multicenter Studie mit über 500 eingeschlossenen Patientinnen und Patienten konnte gezeigt werden, dass Patientinnen und Patienten, die nach der Therapieempfehlung des OF-Scores behandelt wurden, gute Therapieergebnisse aufweisen, während Patientinnen und Patienten die abweichend behandelt wurden, vermehrt unter Schmerzen, Funktionseinschränkungen und Einschränkungen der Lebensqualität litten [11].

Bezüglich der Art der konservativen Therapie von Wirbelkörperfrakturen besteht eine große Heterogenität aufgrund von unzureichender Datenlage. Insgesamt scheinen positive Effekte für eine frühzeitige Bewegungs-/ Physiotherapie zu bestehen, wobei aber Aussagen über die Therapiedichte, Therapielänge und spezifische Therapieeinheiten unzureichend sind [7].

Angelehnt an die AWMF-Leitlinie [12] „Verletzungen der thorakolumbalen Wirbelsäule“ werden Patientinnen und Patienten in unserer Klinik unter Analgesie nach den WHO-Stufenschema und physiotherapeutischer Anleitung korsettfrei mobilisiert unter Vermeidung von Tragen oder Heben von Lasten mehr als 5 kg sowie Vermeidung von Rumpfrotation und forcierter Beugung. Röntgenkontrollen unter konservativer Therapie empfehlen wir nach 1, 3, 6 und 12 Wochen.

Da verlängerte Bettruhe bei geriatrischen Patientinnen und Patienten mit vermehrten Komplikationen behaftet ist [13], sehen wir die Indikation für ein operatives Vorgehen, wenn die Mobilität der Patientinnen und Patienten kurzfristig nicht erreicht werden kann.

Bezüglich der operativen Therapie orientieren wir uns an der Therapieempfehlung des OF-Scores [9, 10]. Dabei sollte stets auch auf patienteneigene Kontextfaktoren Rücksicht genommen werden. So können z.B. vorbestehende Brüche mit bereits posttraumatischer Kyphose eine frühzeitigere OP indizieren, um die altersentsprechende sagittale Balance zu erhalten. Das Spektrum der operativen Therapie reicht hierbei von der alleinigen Zementaugmentation des betroffenen Wirbelkörpers zur Schmerztherapie und Vermeidung einer zunehmenden Deformierung der Fraktur bis hin zur langstreckigen, zementaugmentierten dorsalen Stabilisierung mittels Fixateur interne. Meist wird hierbei bei geriatrischen Patientinnen und Patienten der frakturierte Wirbel zusätzlich mit einer Ballon-Kyphoplastie im Sinne der Hybridversorgung adressiert, um eine ventrale Abstützung der Wirbelsäule zu erreichen ohne operativ aufwendigeren ventralen Wirbelkörperersatz. Diese Art der Versorgung hat sich bei geriatrischen Patientinnen und Patienten hinsichtlich der Abwägung einer stabilen Instrumentierung bei relativ geringem operativen Aufwand bewährt [13, 14]. Insbesondere lassen sich hiermit auch komplexe Pathologien erfolgreich und komplikationsarm versorgen.

Exemplarisch soll diese Therapievariante an einem Patientenbeispiel dargestellt werden: Eine 72-jährige Patientin stellt sich mit Rückenschmerzen in der Notaufnahme vor. Sie habe vor 3 Wochen geholfen, Fliesen zu verlegen, seitdem beklagt sie Rückenschmerzen. Im Röntgen zeigt sich eine LWK 1 Fraktur Typ OF 2 fraglichen Alters mit einem bisegmentalen Kyphosewinkel von 5°. Bei einem OF-Score von 2 (4;0;0;-1;0;-1;0) wurde ein konservativ-funktionelles Therapieregime eingeleitet. Einige Tage später stellt sie sich erneut mit zunehmenden Schmerzen vor. Die radiologischen Aufnahmen zeigten eine minimale Sinterung der Fraktur bei bisegmentalem Kyhosewinkel von 6°. Bei zunehmenden Schmerzen aber weiterhin mobiler Patientin erhöht sich der OF-Score nun auf 5 (4;0;1;1;0;-1;0). 10 Tage später stellt sich die Patientin erneut mit nun immobilisierenden Schmerzen vor. Ein MRT bestätigt die vorbekannte LWK 1 Fraktur. Eine Röntgenaufnahme im Stehen zeigt jetzt eine deutliche Sinterung auf einen bisegmentalen Kyphosewinkel von 14°. Der OF-Score beträgt nun 7 (4;0;1;1;0;1;0), sodass die Patientin zur operativen Therapie aufgenommen wurde. Bei deutlich destruiertem kranialen Wirbelkörper und deutlichem Kyhposewinkel bei ansonsten körperlich aktiver Patientin entschlossen wir uns zur Hybridversorgung. Intraoperativ konnte ein neutraler bisegmentaler Kyphosewinkel erzielt werden und die Patientin wurde schmerzarm entlassen (Abb. 3).

Osteoporose

Zum Zeitpunkt der Diagnose einer osteoporotischen Wirbelkörperfraktur lag bei bis zu 80 % der Patientinnen und Patienten weder eine Knochendichtemessung vor, noch wurde eine antiosteoporotische Therapie durchgeführt [15]. Bezüglich der Indikation und Durchführung der antiosteoporotischen Therapie darf auf die aktuelle Leitlinie des Dachverbandes Osteologie e.V. verwiesen werden [16]. In einer longitudinalen Studie mit mehr als 1,2 Mio. Patientinnen und Patienten konnte eine relative Abnahme des Frakturrisikos für klinisch relevante Wirbelkörperfrakturen für den anabolen Wirkstoff Teriparatid mit 64 % ermittelt werden, für die „klassisch“ antiresorptive Therapie mit Bisphosphonaten für nur 23 % [16]. Eine aktuelle Studie konnte sogar zeigen, dass eine bei Diagnosestellung der osteoporotischen Fraktur eingeleitete anabole Therapie mit Teriparatid unter konservativer Frakturtherapie nicht nur die Entwicklung von Pseudarthrosen vermeiden konnte, sondern dass nach Frakturheilung auch der posttraumatische Kyphosewinkel im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne anabole Therapie halbiert war [17]. Somit kann geschlussfolgert werden, dass durch die anabole antiosteoporotische Therapie nicht nur Frakturen vermieden werden können, sondern auch ein positiver Effekt auf die Therapie stattgehabter Frakturen besteht.

Schlussfolgerung

Die Primärdiagnostik ist mit konventionellen Röntgenbildern durchzuführen, bei Frakturverdacht sind zur weiteren Einordnung MRT und CT indiziert. Zur stadienabhängigen Therapie ist der OF-Score eine reliable Hilfestellung. Regelmäßige Röntgenkontrollen sollten nach 1, 3, 6 und 12 Wochen erfolgen. Die Patientinnen und Patienten profitieren von einer zügig eingeleiteten, individuellen antiosteoporotischen Therapie, wobei die anabole Therapie mit Teriparatid überlegen ist.

Becken

Einleitung

Das Becken besteht aus dem knöchernen Beckengürtel, Beckenboden und Beckenhöhle. Das knöcherne Becken setzt sich aus den Ossa coxae, dem Os sacrum und dem Os coccygeum zusammen und spielt eine bedeutende Rolle beim Gehen [19]. Es wird zwischen Beckenring- und Acteabulumfrakturen unterschieden. Im Falle einer Beckenfraktur wird das Gehen beeinträchtigt und die Mobilität der Patientinnen und Patienten eingeschränkt. Bei älteren Patientinnen und Patienten handelt es sich meistens um osteoporoseassoziierte Fragilitätsfrakturen des Beckenringes/des Sakrums im Rahmen niedrigenergetischer Unfälle [20].

Anamnese und Diagnostik

Bei der Anamnese sollte man auf sogenannte RED FLAGS achten. Beispiele dafür sind auslösende Ereignisse (Bagatelltrauma), Hinweise auf einem schleichenden Beginn mit langsamer Verschlechterung der Mobilität oder Komorbiditäten wie Osteoporose, Knochenstoffwechselstörung, langfristige Steroidannahme oder Bestrahlung [19].

Die klinische Untersuchung beinhaltet die Stabilitätstestung mit typischen Leistenschmerzen bei vorderen Beckenringfrakturen und/oder lokoregionäre Schmerzen über dem Sakrum; das Durchbewegen der Hüftgelenke, die Untersuchung der arteriellen und venösen Durchblutung, der peripheren Motorik und der Sensibilität, die Neurologie mit Zeitpunkt des Beginns und Progredienz (Kribbelparästhesien, Paresen, Blasen- und Mastdarmfunktion); die Einschätzung und Klassifizierung bei einem Weichteilschaden und die digitale rektale Untersuchung [19].

Die bildgebende Untersuchung umfasst das Röntgen (Beckenübersicht). Zu beachten ist, dass sich mittels Röntgen meist nur vordere Beckenringfrakturen diagnostizieren lassen. Für hintere Beckenringfrakturen hat das Röntgen eine schlechte Sensitivität (laut Studien werden Sakruminsuffizienzfrakturen in 70 % der Fälle prospektiv und in 50 % der Fälle retrospektiv übersehen [20]. Die Computertomografie (CT) sollte daher bei lokoregionären Schmerzen und Immobilität in Betracht gezogen werden [21]. Bei vorderen Beckenringfrakturen ist eine CT-Untersuchung obligat. Das MRT hat allerdings die größte Sensitivität [22].

Klassifikationen

Abhängig von der Lokalisation und dem Grad der Instabilität werden in der FFP- (Fragility Fractures of the Pelvis) Klassifikation 4 Haupttypen unterschieden [21]:

FFP Typ I

Isolierte anteriore Beckenringfrakturen ohne Beteiligung der posterioren Strukturen.

Typ IA: unilaterale Fraktur

Typ IB: bilaterale Fraktur

FFP Typ II

Nicht dislozierte Frakturen des hinteren Beckenringes.

Typ IIA: isoliert dorsale Verletzung

Typ IIB: Kompressionsfraktur der vorderen Massa lateralis des Sakrums mit einer Instabilität des vorderen Beckenringes

Typ IIC: unverschobene, aber vollständige Sakrumfraktur, Iliumfraktur oder iliosakrale Verletzung mit begleitender Instabilität des vorderen Beckenringes

FFP Typ III

Dislozierte unilaterale hintere Beckenringverletzung mit/ohne gleichzeitiger Instabilität des vorderen Beckenringes.

Typ IIIA: verschobene Iliumfraktur

Typ IIIB: verschobene unilaterale iliosakrale Ruptur

Typ IIIC: verschobene unilaterale Sakrumfraktur

FFP Typ IV

Bilaterale verschobene hintere Beckenringverletzungen mit/ohne gleichzeitiger Instabilität des vorderen Beckenringes.

Typ IVA: bilaterale Iliumfrakturen oder bilaterale iliosakrale Rupturen

Typ IVB: spinopelvine Sprengungen mit einhergehenden bilateralen vertikalen Läsionen der Massa lateralis des Sakrums und einer gleichzeitigen horizontalen Komponente, die die beiden vertikalen Läsionen verbindet (U- oder H- Fraktur des Sakrums)

Typ IVC: Kombination verschiedener dislozierter Instabilitäten des hinteren Beckenringes

Eine weitere Klassifikation für osteoporotische Beckenringfrakturen ist die OF-Pelvis-Klassifikation (Abb. 4).

Konservatives Vorgehen

Bei Insuffizienzfrakturen sollte abhängig von der häuslichen Versorgung und dem ursprünglichen Mobilitätsniveau ggf. eine stationäre Aufnahme auch bei einem konservativen Vorgehen erfolgen. Somit können längerfristige Immobilisation vermieden und die Notwendigkeit einer operativen Behandlung rechtzeitig erkannt werden. Von großer Bedeutung ist die adäquate Schmerztherapie (bspw. mit Paracetamol, Metamizol und Opioden) sowie die Physiotherapie mit Mobilisation unter schmerzadaptierter Vollbelastung [22]. Zusätzlich sind engmaschige radiologische Verlaufsuntersuchungen notwendig.

Operatives Vorgehen

Eine operative Therapie erfolgt bei fehlgeschlagener konservativer Therapie, bei dislozierter uni-/bilateraler Fraktur oder bei horizontaler Fraktur mit Kyphosierung (FFP III- und IV-Fraktur) [21]. Die Tatsache, dass man bei Fragilitätsfrakturen ein belastungsstabiles, weichteilschonendes, perkutanes und minimal-invasives Verfahren anwenden kann, führt dazu, dass eine rasche Mobilisierung mit wenig Komplikationen möglich ist. Im Klinikum Ingolstadt werden Sakrumoperationen in hoher Zahl durchgeführt. Es werden entweder sakroiliakale Schrauben oder ein sakroiliakaler Stab benutzt.

Im Jahr 2024 wurden ein multidimensionales chirurgisches Bildgebungssystem (O-Arm®) und eine intraoperative 3D-Navigationseinheit (StealthStation®) an unserem Klinikum in Betrieb genommen. Vorteile des O-Armes® sind die kürzere Operationsdauer, die hohe Präzision und dadurch die sicherere Implantation ohne Implantatfehllage, was die Anzahl notwendig werdender Revisionseingriffe deutlich verringert. Damit amortisieren sich die relativ hohen Anschaffungskosten zügig, weswegen sich dieses Verfahren sowohl in der Beckenchirurgie, als auch in der Wirbelsäulenchirurgie etabliert hat (Abb. 5).

Sakroiliakale Schrauben

Die sakroiliakalen Schrauben sind eine sichere Methode zur Stabilisierung der Sakrumfrakturen. Die Zementaugmentation von SI-Schrauben scheint umstritten zu sein. Während in manchen Studien die Zementaugmentation eine sichere und relativ komplikationsarme Technik mit höheren Auszugskräften zu sein scheint, besagen andere Studien, dass es weder retrospektive noch randomisiert kontrollierte Studien gäbe, die beide Techniken vergleichen [26]. In unserer Klinik werden sowohl zementfreie, als auch zementaugmentierte sakroiliakale Schrauben verwendet (Abb. 6).

Sakroiliakaler Stab

Der sakroiliakale Stab ist eine sehr gute und schnelle Operationstechnik. Allerdings sollte präoperativ der anatomische Korridor exakt geprüft und ausgemessen werden. In den meisten Publikationen hat sich der S2-Korridor bewährt [27]. Im Gegensatz zu den Schrauben wird dieser allerdings meist zementfrei verwendet, da mittels der beidseitig angebrachten Schrauben eine Kompression möglich ist. Eine Zementaugmentation ist selten und musste bisher in unserer Klinik nicht durchgeführt werden (Abb. 7).

Schlussfolgerung

Zusammengefasst kann man sagen, dass das Spektrum der Alterstraumatologie von konservativer bis zur operativen Therapie reicht, wodurch die Patientinnen und Patienten von einer orthopädischen-geriatrischen Kooperation profitieren. Erfahrungsgemäß können die meisten Patientinnen und Patienten nach erfolgloser konservativer Therapie von einer minimal-invasiven Stabilisierung mittels Navigation ebenfalls profitieren und schneller in ihren Alltag zurückkehren. Trotzdem muss ein Krankenhausaufenthalt nicht zwingend mit einer Operation assoziiert sein.

Interessenkonflikte:

C. B. Zimmermann, G. Schäfer: keine angegeben

T. R. Blattert: Medical Advisory Board und Referentenhonorare (Medtronic)

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Chantal B. Zimmermann
Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie
Klinikum Ingolstadt GmbH
Krumenauerstraße 25
85049 Ingolstadt
chantal.zimmermann@klinikum-
ingolstadt.de

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