Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024

Botulinumtoxin bei Gonarthrose
Eine systematische Übersicht

Bei der Literaturrecherche konnten insgesamt 11 Orginalarbeiten identifiziert werden. In Tab. 2 sind die wichtigsten Studiendesignparameter dargestellt: Zeitpunkte der Nachkontrollen, Vergleichsgruppen, Toxintyp, Dosierung, Probandenanzahl gesamt und Einzelgruppen, Nachverfolgungsmodus (intention to treat oder per Protokoll) und Nachverfolgungsquoten. Die Injektionen erfolgten in der Regel als Einzeltherapie, Ausnahmen sind in der Tabelle vermerkt (Tab. 2).

In allen Studien erfolgte die Zuordnung der Probandinnen und Probanden randomisiert, die Einschlusskriterien umfassten in der Regel eine klinische symptomatische länger bestehende Gonarthrose mit radiologischen Stadien II–III/IV nach Kellgren-Lawrence. In allen Studien wurden die Ausgangsparameter hinsichtlich Alter, Geschlecht, Arthrosegrad und Anamnesedauer etc. als in den einzelnen Gruppen äquivalent beschrieben.

In allen Studien wurden unterschiedliche Anzahlen von Zielgrößen (n = 2–9) definiert, allen Studien gemeinsam war die Erfassung der Schmerzstärke, die Einteilung in Bewertungsschemata (KOOS, Lequesne, Oxford, WOMAC) und eine fehlende Signifikanz dieser Parameter bei den Ausgangswerten. Im Folgenden werden die Ergebnisse hinsichtlich der Schmerzstärke und der Funktionsscores dargestellt.

Schmerzstärke

Die 1. Studie von Boon et al. (2010) verglich BoTX in 2 verschiedenen Dosierungen mit Kortikosteroiden [1]. Hier zeigten sich statistisch signifikante Verbesserungen gegenüber den Ausgangswerten nach 8, 12 und 26 Wochen für die geringere Toxindosis; für die höhere Toxindosis ergaben sich durchgängig bessere Werte im Zeitverlauf, welche aber nur nach 12 Wochen eine Signifikanz aufwiesen. Für die Kontrollgruppe mit Kortikosteroiden ergab sich durchgängig eine Verbesserung ohne statistische Signifikanzen. Ein Gruppenvergleich zu den unterschiedlichen Zeitpunkten bei den Kontrollen erfolgte nicht.

Die 2. Studie von Bao et al. (2015) verglich nach 3 Wochen und 2 Monaten die Ergebnisse einer Gruppe mit konventioneller Therapie (Glucosamin, NSAR, Physikalische Therapie, Physiotherapie) mit einer Gruppe mit BoTX und einer Gruppe mit Hyaluronsäureinjektionen [2]. In allen 3 Gruppen zeigten sich zu beiden Zeitpunkten signifikante Verbesserungen gegenüber den Ausgangswerten, mit Ausnahme der 1. Kontrolle in der Gruppe der konventionellen Therapie. Im Vergleich zeigte sich das Toxin bei beiden Kontrollen als signifikant stärker analgetisch als die anderen beiden Gruppen.

Die 3. Studie von Hsieh et al. (2016) verglich eine abwartende Haltung bei einer Gruppe mit lediglich Edukation und der Einnahme von Paracetamol bei Bedarf mit einer anderen Gruppe mit einer zusätzlichen einmaligen Toxininjektion neben der Bedarfsmedikation [3]. Die Toxingruppe zeigte im Zeitreihenvergleich nach 1 Woche und nach 6 Monaten signifikante Verbesserungen gegenüber den Ausgangswerten, sowie signifikante Vorteile gegenüber der Kontrollgruppe bei beiden Kontrollen.

Die 4. Studie von Ahrendt-Nielsen et al. (2017) verglich nach 1, 4, 8 und 12 Wochen die Ergebnisse von Injektionen mit Botulinumtoxin oder physiologischer Kochsalzlösung [4]. Zusätzlich führten alle Probandinnen und Probanden ein tägliches elektronisches Schmerztagebuch. Lediglich in einer Subgruppenstatistik für eine Untergruppe mit neuropathischem Schmerzbild nach dem PainDetect-Score zeigte sich in der 9. und 10. Woche signifikante Vorteile für die Toxingruppe, Zeitreihenanalysen wurden nicht durchgeführt.

Die 5. Studie von Bao et al. (2018) mit Botulinumtoxin versus Hyaluronsäure und versus physiologischer Kochsalzlösung nach 4 und nach 8 Wochen zeigte im Intergruppenvergleich zu beiden Zeitpunkten statistisch signifikante Unterschiede mit besten Werten für die Toxingruppe [05]. Das Toxin zeigte ferner signifikant bessere Werte bei beiden Kontrollen versus den Ausgangswerten, ebenso wie die Gruppe mit Hyaluronsäure.

Die 6. Studie von McAlindon et al. (2018) mit Botulinumtoxin in 2 verschiedenen Dosierungen mit physiologischer Kochsalzlösung als Kontrollgruppe zeigten bei der Erfassung des durchschnittlichen wöchentlichen Schmerzes für alle 3 Gruppen einen raschen Abfall bis ca. zur 4.–6. Woche, welche sich ohne wesentliche Veränderungen bis zum Studienende nach 24 Wochen fortsetzten [6]. Statistische Zeitreihenanalysen wurden in der Studie nicht aufgeführt, im Intergruppenvergleich zeigt sich sowohl im Vergleich Botulinumtoxin niedrige Dosis versus Kochsalzlösung, Botulinumtoxin höhere Dosis versus Kochsalzlösung als auch im Vergleich Botulinumtoxin niedrige und höhere Dosis versus Kochsalzlösung keine statistisch signifikanten Unterschiede.

Die 7. Studie von Shukla et al. (2018) verglich die Ergebnisse einer einmaligen Infiltration mit einem Kortikosteroid mit und ohne Zusatz von Botulinumtoxin [7]. Die Ausgangswerte beim Schmerz zeigten keine signifikanten Unterschiede, in beiden Gruppen zeigt sich die stärkste Schmerzreduktion bei der ersten Kontrolle am ersten Tag, und nahm dann in den folgenden Kontrollen nach 2, 4 und 6 Wochen sowie 3 und 6 Monaten allmählich wieder etwas zu, ohne jedoch das Ausgangsniveau zu erreichen. Eine Zeitreihenanalyse wurde in der Publikation nicht erwähnt, der Intergruppenvergleich zeigte bei allen Kontrollen mit Aufnahme der Endkontrolle nach 6 Monaten statistisch signifikante Unterschiede zugunsten der gemischten Gruppe.

Die 8. Studie von Mendes et al. (2019) mit dem Vergleich von Botulinumtoxin, Kortikosteroid und physiologischer Kochsalzlösung und Vergleich nach 4, 8 und 12 Wochen ergab keine Unterschiede zwischen den 3 Gruppen hinsichtlich des Ruheschmerzes, wohl aber statistisch signifikante Unterschiede beim Belastungsschmerz, wobei die relative Schmerzreduktion im Vergleich mit den Ausgangswerten tendenziell in der Kortikosteroidgruppe stärker und in der Kochsalzgruppe schwächer als in der Botulinumtoxingruppe ausfiel [8]. Eine separate Auswertung der anfänglichen Veränderungen bis zur ersten Kontrolle zeigte analoge Ergebnisse.

Die 9. Studie von Rezasoltani et al. (2020) verglich nach 1 und 4 Wochen sowie 3 Monaten 4 Gruppen mit Botulinumtoxin (einmalig), mit Hyaluronsäure oder Dextrose-Lidocain (dreimalig) und als Kontrollgruppe mit physikalischer Therapie [9]. Die Gesamtanalyse zeigte signifikante Unterschiede in der Gruppenverteilung bei den Kontrollen. Bei vergleichbaren Ausgangswerten zeigte sich die geringste Schmerzreduktion bei der Hyaluronsäure bei der 1. Kontrolle, bei den etwa gleichen Werten bei der 2. Kontrolle und einem Wiederanstieg bei der 3. Kontrolle. Etwas besser war die Gruppe mit physikalischer Therapie mit einer zunehmenden Verbesserung bis zur 2. Kontrolle (danach Gleichstand). Die besten Resultate zeigten Botulinumtoxin und Dextrose-Lidocain mit kontinuierlichen Verbesserungen, wobei Letztgenannte temporär noch etwas besser abschnitt. Gruppenvergleiche zeigten eine statistisch signifikante Unterlegenheit von Hyaluronsäure versus den anderen Verfahren sowie eine statistisch signifikante Überlegenheit Botulinumtoxin versus physikalische Therapie.

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