Übersichtsarbeiten - OUP 03/2014

Differenzialindikation zur Hallux valgus-Therapie

M. Gabel1, H. Kirch2

Zusammenfassung: Die Entität des Hallux valgus ist komplex. Er stellt eine kombinierte Deformität der Großzehe mit resultierender valgischer Fehlstellung im Großzehengrundgelenk und Metatarsus primus varus dar. Obwohl der Hallux valgus zum „Alltagsgeschäft“ des Orthopäden gehört – es existieren allein über 150 beschriebene Operationsverfahren speziell für den Hallux valgus – und eine beinahe unüberschaubare Anzahl an Studien/Nachuntersuchungen durchgeführt wurde, sind prospektive, randomisierte Studien, die verschiedene operative und/oder konservative Therapieverfahren miteinander vergleichen, kaum auffindbar.

Die konservative Therapie zielt auf eine Beschwerdelinderung ab. Bei Beschwerdepersistenz und entsprechendem
Leidensdruck des Patienten unter konservativen Maßnahmen sind elektive Operationsmaßnahmen nach gründlicher
Patientenaufklärung zur dauerhaften Stellungskorrektur
indiziert.

Die Selektion des Behandlungsverfahrens, sei es konservativ und/oder operativ, orientiert sich an Leitlinien, bleibt letztlich jedoch abhängig von der Person des behandelnden Orthopäden, seinen Präferenzen und dem im Alltag gewonnenen Erfahrungswissen.

Schlüsselwörter: Hallux valgus, operative/konservative Therapie, Metatarsale I Osteotomie, Deformität der Großzehe, Fußfehlstellung

Zitierweise
Gabel M, Kirch H. Differenzialindikation zur Hallux valgus-Therapie. OUP 2014; 3: 105–113. DOI 10.3238/oup.2014.0105–0113

Abstract: The entity of hallux valgus is complex. Hallux
valgus represents a combined deformity of the big toe with a valgus malalignment in the first metatarsophalangeal joint as well as metatarsus primus varus formation. In its occurrence hallux valgus can be largely described as „day-to-day“ business for orthopaedic surgeons. More than 150 different surgical approaches have been documented for the treatment of hallux valgus. A considerable number of follow-up examinations and studies have been completed. However, prospective and randomised control studies comparing surgical and non-surgical therapeutic methods are hard to find.

A non-operative treatment aims to relieve the associated symptoms. Indication for elective surgery with correction of the deformity follows the patient’s pain intensity which is not adequately controlled by non-surgical means. Reliable
patient information has to be provided in advance.

The selection of treatment, whether operative or non-operative, is based on guidelines. Finally, the choice of treatment depends on the orthopaedic specialist himself, his preferences and experience-based knowledge.

Keywords: Hallux valgus, operative/non-operative treatment, osteotomies of the first metatarsal, big toe malalignment, foot deformity

Citation
Gabel M, Kirch H. Differential indication in therapy of hallux valgus OUP 2014; 3: 105–113. DOI 10.3238/oup.2014.0105–0113

Definition und Epidemiologie

Der Hallux valgus, die laterale/valgische Achsabweichung der Großzehe (Subluxation) im Grundgelenk nach fibular mit gleichzeitig medialer Achsabweichung und somit varischer Stellung des Os metatarsale I (Metatarsus primus varus), sowie Subluxation des Metatarsophalangealgelenks I und Pronation der Großzehe, ist die häufigste und wohl bedeutsamste Vorfußdeformität und somit Alltag in unseren orthopädischen Sprechstunden [1]. Bei den über 65-Jährigen ist bereits eine Prävalenz von ca. 35 % zu verzeichnen [2].

Die Entität Hallux valgus ist im Wesentlichen eine Problematik unseres westlichen Kulturkreises. Der Übergang zwischen normaler und pathologischer Stellung der Großzehe ist fließend. Inadäquates, den Fuß einengendes Schuhwerk hat einen großen Einfluss auf die Ausbildung eines symptomatischen Hallux valgus. Eine genetische Komponente mit familiärer Disposition, das häufigere Betroffensein des weiblichen Geschlechts – neben genetischen Ursachen tritt hier oftmals das Tragen enger, spitzer und schmaler Schuhe mit hohen Absätzen hinzu – koinzidente Fußdeformitäten (Spreizfuß mit Metatarsus primus varus/Pes planovalgus, Instabilität des Tarsometatarsalgelenks I), muskuläre Dysbalancen, Adipositas, posttraumatische oder postarthritische Deformitäten sowie neuropathische Erkrankungen sind ursächlich zu diskutieren [3, 4, 5, 6, 7, 8].

Pathogenese des Hallux valgus

Die Pathogenese des Hallux valgus ist vielschichtig. Das muskuläre Gleichgewicht am Fuß wird meist durch äußere Einflüsse gestört. Es kommt zu einer Dezentrierung der Streck- und Beugesehnen nach lateral, einer Dysbalance zwischen extrinsischer und in den Vordergrund tretender intrinsischer Fußmuskulatur. Das Metatarsale I kippt nach medial in eine varische Fehlstellung und führt zu einer Verbreiterung des Intermetatarsale-Winkels I/II mit Verbreiterung des Vorfußes. Gleichzeitig dezentrieren die Sesambeine. Eine supinatorische Drehkomponente des Metatarsale I führt zu einer Verlagerung der Sehne des Musculus abductor hallucis nach plantar, der hierdurch flektierend und pronierend auf das in der Transversalebene nicht mehr stabilisierte Großzehengrundgelenk einwirkt. Die vormals das Großzehengrundgelenk stabilisierende Kapsel wird medialseitig gedehnt. Die laterale Gelenkkapsel retrahiert und verstärkt gemeinsam mit dem sich verkürzenden, an der Grundphalanx inserierenden Musculus adductor hallucis die Deformität der Großzehe [9, 10, 11, 12, 13].

Diagnostik und Klinik

Belastungs- und/oder Ruheschmerzen oder auch Schuhkonflikte ebnen den Weg in die orthopädische Sprechstunde. Die subjektiven Beschwerden des Patienten korrelieren meist nicht mit dem Ausmaß der Fehlstellung.

Die Untersuchung beginnt mit einer ausführlichen Anamnese. Fragen, die die Familienanamnese abdecken, gehören zur Grundlage. Angeborene sind von erworbenen Fußdeformitäten zu unterscheiden. Im Rahmen der allgemeinen Anamnese sollten insbesondere der Diabetes mellitus, neuropathische/neurogene Erkrankungen, Fußmykosen und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises Beachtung finden. Es sollte abgeklärt werden, ob kürzlich stattgehabte Traumata, eine Veränderung Freizeit- oder Berufsbedingter Aktivitäten oder Veränderungen der Art und Intensität von Aktivitäten vorliegen. Die Schmerzevaluation mit Fragen nach der Qualität, Dauer, Lokalisierung, Schwere, Ausstrahlung sowie Exazerbationszeitpunkt kann entscheidende Hinweise auf dem Weg zur genauen Diagnose bieten. Das Schuhwerk (Brandsohle, Einlagen) sollte auf Passgenauigkeit hin überprüft werden.

Das Gangbild des Patienten sowie seine Fußstellung (Fußgewölbe, Rückfußstellung, Spreizfuß) sind zu untersuchen. Die Diagnose des Hallux valgus erfolgt zunächst am stehenden Patienten unter voller Belastung beider Füße. Eine valgische Achsabweichung der Großzehe im Grundgelenk nach fibular ist erkennbar. Ein Fußinnenrandwinkel (Winkel am Fußinnenrand mit Scheitelpunkt am Metatarsale I Köpfchen, der die Abweichung der Großzehe von der Achse des Metatarsale I misst) von > 15° beschreibt definitionsgemäß einen Hallux valgus.

Die von den Patienten beklagte Pseudoexostose, die der medialen Prominenz des Metatarsaleköpfchens I entspricht, ist häufig Ausgangspunkt der Beschwerden. Diese steht unter einer fortwährenden mechanischen Druckbelastung. Infolge dieser mechanisch-entzündlichen Reizung entwickeln sich hier oftmals Keratosen oder eine Bursa, die in einer äußerst schmerzhaften, entzündlichen Bursitis gipfeln kann.

Des Weiteren kann die Fehlstellung der Großzehe so groß sein, dass sie die Stellung der übrigen Zehen kompromittiert. Die Großzehe kann über oder häufiger unter die 2. Zehe ragen (Digitus II superductus oder infraductus). Der Hallux valgus ist mit Hammer- oder Krallenzehen oder infolge der vorhandenen Spreizfußdeformität und resultierender Fehlbelastung mit metatarsalgiformen Beschwerden (Transfermetatarsalgie) und entsprechender plantarer Beschwielung oder einem 5. Zeh in Varusstellung kombiniert. Der zuletzt genannte Digitus quintus varus oder Bunionette wird in seiner Entstehung ebenfalls durch den zugrundeliegenden Spreizfuß begünstigt. Die Aufspreizung des Mittelfußes lässt die Prominenz der Pseudoexostose noch größer erscheinen.

Der Nagel der Großzehe zeigt bei Hallux valgus-Deformität durch deren rotatorische Komponente in Pronation nach medial. Eine parallele Nagelstellung zur Belastungsebene ist als normal zu werten.

Es bleibt festzustellen, ob die Hallux valgus-Fehlstellung flexibel und somit reponierbar und manuell korigierbar ist, oder ob bereits eine fixierte Deformität vorliegt.

Die Beweglichkeit im Großzehengrundgelenk (ROM, range of motion) ist in Fehl- und Korrekturstellung zu prüfen. Hierzu wird das Metatarsale I mit einer Hand flächig geführt, während die andere Hand den Zeh in Dorsalextensions- und Plantarflexionsstellung bringt. Das Bewegungsausmaß ist für die Wahl des später gegebenenfalls zu wählenden operativen Vorgehens entscheidend und gibt Hinweise auf das Vorliegen eines Hallux rigidus und somit einer Arthrose. Die durchschnittliche freie Beweglichkeit für Dorsalextension/Plantarflexion beträgt im Großzehengrundgelenk 60–0–50°. Bei der Durchbewegung ist auf Bewegungsschmerz und Krepitation zu achten.

Ebenfalls die benachbarten Gelenke sind orientierend zu beurteilen (oberes und unteres Sprunggelenk, Interphalangealgelenk I, Metatarsophalangealgelenke II-V, Tarsometatarsalgelenk I). Insbesondere das Tarsometatarsalgelenk I sollte genaue Beachtung finden und dessen Stabilität geprüft werden, ebenso wie die Stellung des Rückfußes in den Sprunggelenken und die Vorfuß-Rückfußbeziehung (zum Beispiel Funktionsprüfung mit dem Einbein-Zehen-Spitzenstand). Anlagebedingt und damit den Hallux valgus fördernd, gibt es den Pes adductus. Dieser beschreibt die Medialabweichung insbesondere der Mittelfußknochen 1–3, teils auch 4 und 5. Hieraus resultiert eine Lateralabweichung der Zehen. Trotz deutlichem Hallux valgus ist hier der Intermetatarsal-Winkel I/II eher wenig pathologisch.

Die Berücksichtigung trophischer Haut- und Nagelveränderungen sowie eine Prüfung von peripherer Motorik, Sensibilität und Durchblutung sind obligat. Auffälligkeiten erfordern dringlich eine weitere Abklärung [5, 9, 10, 14].

Bildgebende Diagnostik

Standardmäßig sollte ein Nativ-Röntgenbild [15] des Vor- und Mittelfußes im dorsoplantaren Strahlengang im 15°-Winkel zur Senkrechten unter Belastung des Fußes durchgeführt werden. Ergänzend ist ein seitliches Röntgenbild ohne Belastung erforderlich. Bei möglicher Instabilität des 1. Strahls sollte eine seitliche Belastungsaufnahme ebenfalls erfolgen.

In Einzelfällen sind folgende apparativen Untersuchungen zusätzlich erforderlich:

  • Röntgenaufnahmen in schräger Projektion von Mittel- und Vorfuß oder eine tangentiale Sesambeinaufnahme,
  • Pedobarografie,
  • Podografie,
  • Kernspintomografie.

Neben der Beurteilung der Kongruenz (Subluxation?) und dem Arthrosegrad des Metatarsophalangealgelenks I und des Tarsometatarsalgelenks I sowie orientierend auch der weiteren Fußgelenke, sollten die folgenden Winkel bestimmt bzw. Messungen durchgeführt werden, s. Abbildung 2:

  • der Hallux valgus- (HV) Winkel (Abweichung der Achse des Metatarsale I zum Phalangen I),
  • der Intermetatarsal- (IMT) Winkel I/II (Winkel des 1. zum 2. Metatarsale),
  • der Metatarsaleindex (Länge der Metatarsalia: Index –, Index +, Index +/–),
  • der distale Metatarsaleartikulationswinkel (DMAA, distaler Gelenkflächenwinkel),
  • die Dezentrierung des Metarsale I-Köpfchens im Verhältnis zu den Sesambeinen in 4 Stadien (normal bis dezentiert) [16].

Diese Winkel und Messungen dienen intraoperativ und bei postoperativen Belastungsaufnahmen im zeitlichen Verlauf zur Erfolgskontrolle.

Eine Einteilung in Abhängigkeit des Schweregrads in die Kategorisierung mild, moderat oder schwer ist über die Winkelgrade möglich. Eine mögliche Einteilung gibt Tabelle 1 [16, 17].

Die folgenden weiteren Schemata können Verwendung finden und sind für Studien essenziell und eingeführt:

  • Foot Function Index [18],
  • AOFAS-Vorfuß Score [19].

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnostisch abzuklären sind – neben neurogenen Fußdeformitäten und fehlverheilten Frakturen – eine Arthritis des Großzehengrundgelenks sowie eine Podagra [20]. Die rheumatoide Arthritis kann zu einer komplexen Fehlstellung mit Hallux valgus–Deformität führen. Die im Rahmen einer Gicht durch Harnsäurekristalle verursachte Arthritis des Großzehengrundgelenks ist meist mit einer ausgeprägten Bursitis und einer schmerzhaften Einschränkung der Beweglichkeit verbunden.

Der Hallux valgus ist des Weiteren vom Hallux valgus interphalangeus zu unterscheiden. Hier liegt eine valgische Fehlstellung zwischen der Gelenkfläche der Grundgliedbasis und dem Interphalangealgelenk I vor. Bei der operativen Therapie muss hier ein anderes Operationsverfahren gewählt werden. Handelt es sich um einen Hallux valgus et interphalangeus, ist ein ergänzendes Operationsverfahren zu wählen.

Therapie

Der Patient allein steht im Mittelpunkt unseres Vorgehens. Die Therapie sollte – wie überall in der Medizin – individuell angepasst sein und sich an den Wünschen und Erwartungen des Patienten orientieren. Seine Beschwerden, seine eventuell vorliegenden Grunderkrankungen, die Möglichkeit seiner Compliance sind nur einzelne Aspekte eines Gesamtbilds, das zu erkennen unsere Aufgabe ist. Ziel einer maßgeschneiderten konservativen und/oder operativen Therapie ist ein zufriedener Patient mit reduzierten oder gar keinen Schmerzen, einer Verbesserung oder zumindest einem Erhalt der Funktion sowie gegebenenfalls einer Korrektur der vorliegenden Deformität. Grundlegend ist es erforderlich, den Patienten über potenzielle Formen der Therapie, deren Vor- und Nachteile, realistische Therapieergebnisse und angepasste Verhaltensweisen aufzuklären. Ausdrücklich wollen wir auf die Notwendigkeit der Aufklärung über die realistische Zeitdauer der Rehabilitation hinweisen, ebenso sollte das zu erwartende Ergebnis auch bezüglich des Tragens modischen Schuhwerks erläutert werden. Es ist wichtig, eine Diskrepanz vom Anspruch an das Schuhwerk und den morphologischen Gegebenheiten zu erkennen und offenzulegen [21].

Von der Durchführung rein kosmetischer Operationen raten wir ab. Die Hallux valgus-Chirurgie ist in den allermeisten Fällen eine elektive Chirurgie und erfordert demzufolge ein höchst sensibles Vorgehen. Die Notwendigkeit an orthopädischer und chirurgischer Erfahrung ist nicht zu unterschätzen. Die Vorfußchirurgie gehört nicht, wie oftmals verlautet, in die Hände von Anfängern. Die Einordnung der Vorfußchirurgie durch die Kostenträger in rein ambulante Operationsverfahren werten wir sehr kritisch.

Konservative Therapie

Bis auf wenige Ausnahmen sollte der Hallux valgus initial immer multimodal konservativ therapiert werden. Die primär konservative Behandlung zielt zunächst auf das Schuhwerk ab. Bequeme Schuhe mit genügend Zehenspielraum (große Zehenbox) und flachen Absätzen sind empfehlenswert. Orthopädietechnische Maßnahmen können zur Anwendung kommen. Eine Druckentlastung des Großzehenballens ist durch eine seitliche Ausweitung des Schuhoberleders möglich. Schuhe, die gar keine Stabilität bieten, sind erfahrungsgemäß jedoch wenig hilfreich. Zehenpolster, Einlagen mit retrocapitaler Abstützung bei Vorliegen von Metatarsalgien und Nachtlagerungsschienen oder Orthesen können meist eine deutliche Linderung der Beschwerden bewirken. Langzeitergebnisse hierzu gibt es jedoch noch nicht [22, 23]. Eine Sohlenversteifung mit Ballenrolle ist bei additiver schmerzhafter Großzehengrundgelenkarthrose indiziert.

Eine regelmäßige podologische Behandlung verhindert eine Entwicklung schmerzhafter Keratosen. Ein ‚fußgesundes‘ Leben mit häufigem Barfußlaufen, Fuß- und Zehengymnastik mit insbesondere zu favorisierenden Abspreizübungen für die Großzehe zur Kräftigung des Musculus abductor hallucis und Stärkung der intrinsischen Fußmuskulatur in Eigenregie, sind äußerst dienlich. Eine gezielte physikalische, physiotherapeutische und manuelle Therapie durch geschulte Hände sind aus der Therapie des Hallux valgus nicht mehr wegzudenken. Insbesondere die Spiraldynamik mit Einleitung einer aktiven funktionellen Therapie zur Wiederherstellung des muskulären Gleichgewichts im Fußbereich weist in der konservativen Hallux valgus-Therapie mittlerweile große Erfolge auf [24].

Lokale symptomatische Maßnahmen im Falle einer entzündlichen Bursitis oder eine Verabreichung von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) können alleine oder in Kombination von Nutzen sein. Bei milden oder moderaten Deformitäten ist eine Schmerzlinderung sicherlich zu erzielen. Im Falle einer beginnenden Arthrose (im Vordergrund steht hier der Gelenkschmerz und nicht der Schmerz im Bereich der medialen Pseudoexostose als extraatikuläres Phänomen) kann die Injektion von Cortison oder Hyaluronsäure intraartikulär helfen.

Operative Therapie –
Differenzialindikationen

Eine Vielzahl operativer Verfahren wird in der Literatur zur Therapie des Hallux valgus beschrieben. Über 150 operative Verfahren sind bekannt [25].

Zur Vorbereitung jeder Operation bedarf es einer Planung am Röntgenbild, in bestimmten Fällen sowie komplexen und mittelgradig ausgeprägten Fehlstellungen sowie Reoperationen auch zeichnerisch. Ein Algorithmus ist für die Therapieentscheidung erforderlich.

Einen Algorithmus nach aktualisierter S1-Leitlinie Fuß und Sprunggelenk zeigt Tabelle 2 [26]. Gelenkerhaltende Eingriffe sind von gelenkresezierenden Verfahren und solchen operativen Maßnahmen mit eher historischem Gewicht abzugrenzen, die als alleinige operative Verfahren jedoch kaum bzw. nur als Ergänzung oder bei spezifischen Indikationen Anwendung finden. Zu letzteren gehören:

  • Resektion der Pseudoexostose: Die alleinige einfache Bunionectomy zur Resektion der Pseudoexostose führt zu hohen Rezidivraten und stellt die Patienten häufig nicht zufrieden [27].
  • McBride-Operation: Modifikationen des weichteilig rezentrierenden McBride-Verfahrens erhalten zwar das laterale Sesambein im Gegensatz zur Originalmethode und minimieren damit die Gefahr eines Hallux varus, werden aber im nationalen Raum kaum angewandt und sind kaum durch Studien bestätigt [27].
  • Keller-Brandes-Arthroplastik: Die Keller-Brandes-Resektionsinterpositions-arthroplastik kann eine Hallux valgus-Stellung korrigieren. Da sie eine innere Amputation impliziert, ist sie beinahe obsolet und einzelnen geriatrischen oder rheumatologischen Patienten vorbehalten [28, 29].

Weit verbreitete und unseres Erachtens wichtige operative Verfahren im Bereich des ersten Strahles werden hier fokussiert, partiell dargestellt und bewertet. Verschiedene, gelenkerhaltende Osteotomien zur Korrektur des Hallux valgus am ersten Strahl sind heute zu favorisieren. (s. Abbildung 3a und 3b):

Einige Operationsverfahren im Einzelnen:

Distaler Weichteileingriff/

Laterales release

In Abhängigkeit des Ausmaßes der Subluxation im Großzehengrundgelenk und der lateralen Kontraktur ist ein Weichteileingriff lateral am Großzehengrundgelenk notwendig. Teils genügt es, die laterale Kapsel zu sticheln, dies gelingt dann auch transartikulär von medialseits bei offenem Gelenk. Teils wird die Kapsel von lateral über einen separaten Zugang inzidiert, die Bandverbindung zum lateralen Sesambein gestichelt. Auch eine Tenotomie der Sehne des Adductor hallucis kann erforderlich sein. Dieses Vorgehen erfolgt limitiert und balanziert stufenweise, da sonst ein Hallux varus droht. Beim sorgfältigen Vorgehen scheint es nicht zur Erhöhung des Risikos der Metatarsale-I-Köpfchen-Nekrose zu kommen [27].

Akin-Osteotomie

Die medialbasige Keilentnahme unter Erhalt der lateralen Kortikalis wird meist basisnah am Grundglied der Großzehe durchgeführt und dient der Korrektur des Hallux valgus interphalangeus, gelegentlich begleitend zur korrigierenden metatarsophalangealen Hallux valgus-Deformität, und nicht mehr, wie vom Erstautor angegeben, zur alleinigen Korrektur der selbigen [30].

Distale Osteotomien

Die distalen Osteotomien werden meist mit einem V-förmigen Sägeschnitt vornehmlich mit einigen Modifikationen durchgeführt [31] und sind für den geübten Operateur gut durchführbar. Die Methode ist nach dem „V“ beim Sägeschnitt benannt (le chevron (frz.) Dachsparren;, Chevron (dt.) Fischgrätmusterstoff; chevron (engl.) Winkel). Die Indikation besteht insbesondere bei kongruenten Großzehengrundgelenken und ergibt eine relativ stabile Osteotomie. Als Verschiebestrecke nach lateral werden bei Männern 6 mm und bei Frauen 5 mm angegeben, dies hilft für die zeichnerische Planung bei der Indikationsstellung [32]. Die Autoren haben – wie andere auch – die Erfahrung gemacht, dass eine Modifikation des Sägeschnitts bei der Chevron-Osteotomie das Spektrum des Verfahrens beträchtlich erweitert. Wenn man statt des ursprünglich gleichschenkligen Sägeschnitts das „V“ ungleich mit einem langen plantaren Schenkel sägt, kommt man bei breiten Mittelfußköpfchen durchaus bis zu einem Intermetatarsalwinkel I/II von 18°, was den Indiktionsangaben zur deutlich technisch aufwendigeren Scarf-Osteotomie entspricht [33, 34].

Schaftosteotomie in der Scarf-Technik

Die Metatarsale-Schaft-Osteotomie in der Scarf-Technik hat für einige geübte Operateure einen hohen Stellenwert, erlaubt biplanare Korrekturen sowie Verlängerungen und Verkürzungen (Abb. 4). Sie steht in der Lokalisation und im Korrekturpotenzial für den Intermetatarsalwinkel I/II zwischen den distalen und den proximalen Verfahren [35].

Basisnahe oder proximale Osteotomien

Die proximalen Osteotomien kann man auf verschiedene Weise durchführen. Dank winkelstabiler Implantate sind die basisnahen Osteotomien primär stabiler und damit früher und sicherer belastbar.

Für eine medial aufklappende Osteotomie bieten sich winkelstabile Platten an, die einen metallischen Keil zur Fixation des Korrekturergebnisses haben. Hierdurch kann auf eine additive Spongiosaplastik in den Osteotomiespalt verzichtet werden, die sonst den Eingriff bei separater Entnahme deutlich komplizieren. Möglich ist auch die Einbringung des Knochenmaterials der resezierten Pseudoexostose vom Metatarsale I-Köpfchen.

Die lateral schließende Osteotomie ist im Zugang etwas aufwendiger als ein mediales Verfahren. Der erste Strahl wird verkürzt, jedoch weniger als allgemein angenommen [36].

Der Erhalt der Gegenkortikalis ist bei diesen Keilosteotomien wichtig, um postoperativ stabile Verhältnisse zu produzieren und eine frühfunktionelle Nachbehandlung einleiten zu können.

Bei der Entscheidung zwischen einer additiven und subtraktiven Osteotomie sollte man das Längenverhältnis des Metatarsale I gegenüber II und somit das Vorliegen einer Index plus- oder Index minus-Variante einfließen lassen.

Die Crescentic-Osteotomie ist dem geübten Operateur vorbehalten. Bei dieser domförmigen Osteotomie kommt man wesentlich leichter mit einem über einen K-Draht geführten Spezialsägeblatt zurecht als ohne diese Führung oder gar mit einem Meißel.

Die proximalen Chevron-Osteotomien sind auch bekannt, werden aber weniger häufig als die anderen proximalen Verfahren durchgeführt.

Arthrodese des Tarsometatarsalgelenks I

Die modifizierte Lapidus-Arthrodese hat ihre Stärke bei instabilem Tarsometatarsalgelenk I, bei großem Intermetatarsalwinkel I/II und in der Revisionschirurgie bei Hallux valgus-Rezidiv. Unzweifelhaft ist sie bei Arthrosen im Tarsometatarsalgelenk I indiziert.

Die Diskussion, wie eine Instabilität des Tarsometatarsalgelenks I bestimmt wird und wann sie dann gegebenenfalls pathologisch ist, ist noch nicht abgeschlossen. Auch die Frage, ob eine mögliche Instabilität des Tarsometatarsalgelenks I den Hallux valgus bedingt oder der Hallux valgus wegen des ausgefallenen Windlass-Mechanismus das Gelenk ungünstig beeinflusst, ist nicht abschließend geklärt. Der Windlass-Mechanismus meint dabei die Stabilisierung des Tarsometatarsalgelenks I beim Abrollen des Fußes; wenn der große Zeh dorsal extendiert wird, wird die Plantarfaszie verspannt. Diese physiologische Funktion ist bei Metatarsus primus varus et Hallux valgus durch ungenügende Vorspannung stark eingeschränkt, die physiologisch wirkenden Kräfte nehmen unphysiologische Ausmaße an und verstärken die Fehlstellung des ersten Strahls.

Eine Verkürzung des ersten Strahls bei der Arthrodese des Tarsometatarsalgelenks I sollte durch das primäre Entknorpeln und das anschließende sparsame, aber konsequente Anfrischen der subchondralen Sklerose vermieden werden. Eine Arthrodese mit winkelstabilen Implantaten zeigt gegenüber den herkömmlich verwendeten gekreuzten Schrauben eine sehr geringe Pseudarthroserate. Um einem postoperativen Hallux varus vorzubeugen, muss man wissen, dass dieses Verfahren sehr viel Korrekturmöglichkeit bietet. Bei Einstellung des Intermetatarsale-Winkels I/II gegen null Grad droht eine Dysbalance im Großzehengrundgelenk. Bei großem Korrekturbedarf wird der distale Gelenkflächenwinkel (DMAA) weiter ungünstig beeinflusst. Demzufolge ist bei pathologischem DMAA, an eine kombinierte, die Gelenkfläche korrigierende Osteotomie distal zu denken, um einer ungenügenden Funktion und einem Hallux valgus-Rezidiv vorzubeugen. Der DMAA weist bei der radiologischen Bestimmung eine hohe Interobserver-Varianz auf, das heißt, er muss nicht zu streng geometrisch in die zeichnerische Planung einbezogen werden, bedarf jedoch intraoperativ der genauen Beachtung. Am Situs kann man die knorpelige (!) Gelenkfläche beurteilen und gegebenenfalls durch einen 3-dimensionalen Sägeschnitt bei einer proximalen Osteotomie mitkorrigieren.

Arthrodese des Metatarsophalangealgelenks I (MTP-I)

Die Arthrodese des MTP-I-Gelenks zur Korrektur des Hallux valgus kann in den Fällen einer schweren Hallux valgus-Deformität diskutiert werden. Liegt gleichzeitig eine Arthrose des Großzehengrundgelenks vor, ist die Indikation großzügig zu stellen. Sind frühere Operationen bereits gescheitert, ist die Einstellung zur Arthrodese eine gute Rückzugsoperation. Neuromuskuläre oder rheumatische Erkrankungen stellen häufig ebenfalls eine gute Indikation zur Arthrodese dar.

Cheilektomie

Bei Hallux rigidus ersten bis zweiten Grades kann in Ergänzung zu den gelenkerhaltenden Osteotomien – das Großzehengrundgelenk ist zur Resektion der Pseudoexostose eröffnet – die Cheilektomie erfolgen.

Minimalinvasive Chirurgie (MIC)

Zurzeit werden minimalinvasive Osteotomien von einzelnen Operateuren in größerer Anzahl durchgeführt. Die Zukunft wird zeigen, ob eine Überlegenheit gegenüber den etablierten Verfahren besteht und wie die Lernkurven aussehen. Positiv zu werten ist eine vorstellbare geringere Gewebetraumatisierung und damit schnellere Rehabilitation. Eine möglicherweise eingeschränkte Übersicht birgt die Gefahr von Schädigungen wichtiger Strukturen oder ungünstiger Sägeschnitte. Auch hier gibt es distale und proximale Osteotomien. Die Differenzialindikationen sind identisch zu den konventionellen Verfahren, teils sind die Sägeschnitte etwas modifiziert und den gedeckten Verfahren anzupassen. Notwendig sind nicht viele, aber sehr spezielle Instrumente.

Pes adductus

Eine besondere Fußform mit Medialabweichung insbesondere der Mittelfußknochen 1–3, teils auch 4 und 5, weist der Pes adductus auf. Es resultiert eine Lateralabweichung der Zehen. Trotz deutlichem Hallux valgus ist der Intermetatarsalwinkel I/II dabei eher wenig pathologisch. Eine ausschließlich am ersten Strahl vorgenommene operative Korrektur stößt dabei im kosmetischen Sinne an ihre Grenzen. Der mediale Fußrand weist dann postoperativ eine verbesserte, aber nicht ganz normale Silhouette auf. Bei guter präoperativer Aufklärung akzeptieren dies die Patienten – nach der persönlichen Erfahrung der Autoren – zugunsten der Schmerzfreiheit bei immer noch überschaubarem Operationsaufwand. Die konsequente operative Therapie wäre eine aufwendige Korrektur auf Höhe der Basis der Metatarsalia mit entsprechend erhöhten Risiken. Handelt es sich nicht nur um einen Pes adductus, sondern um einen Serpentinenfuß, in der klinischen und radiologischen ap-Ansicht im Stand tritt zu dem zuvor Beschriebenen ein valgischer Rückfuß hinzu, muss der Patient sehr ausführlich über die komplexe Korrektur der Gesamtfehlstellung aufgeklärt werden. Die Indikation ist kritisch zu stellen.

Bei der Entscheidung für die eine oder die andere operative Technik oder die Kombination mehrerer Operationsverfahren fließt auch das zugegeben teils subjektive, klinische Untersuchungsergebnis mit ein:

  • Wo liegen die Beschwerden wirklich?
  • Was ist Ursache – was Symptom?
  • Ist ein eventuell zusätzlich vorhandener Hallux valgus interphalangeus relevant? Bedarf es ergänzender Verfahren, wie z.B. einer Akin-Osteotomie?

Auch wenn grundsätzlich eine gute und sichere Operationsindikation besteht, muss jeder einzelne Schritt ebenso indiziert sein. Auch hier darf man sich nicht zu ergänzenden, rein kosmetischen Teilschritten leiten lassen. Wenn dann noch die persönliche Erfahrung des Operateurs als wichtiger Faktor für die Therapieentscheidung hinzukommt, wird der zunächst starr erscheinende Therapiealgorithmus weicher und individueller. Diese therapeutischen Freiheiten sind „erlaubt“, beinahe zwingend und führen zu patientengerechten und damit guten Resultaten. Sie sollten aber immer begründet und dokumentiert werden.

Operationstechnik

Der Weichteilmantel am Fuß ist wenig belastbar. Darauf ist bei der Indikationsstellung, vor allem aber bei der Operation und bei der Nachbehandlung zu achten. Übermäßige Weichteilpräparation, traumatisches Vorgehen mit dem Einsatz von Haken und eine lange Operations- und Blutsperrenzeit sind zu vermeiden. Auch ist der Elektrokauter sehr sparsam einzusetzen.

Kontraindikationen

Eine Kontraindikation zur Durchführung eines gelenkerhaltenden Eingriffs am ersten Strahl ist der fortgeschrittene Hallux rigidus. Im mittleren Stadium ist ein gelenkerhaltendes Verfahren in Kombination mit einer Cheilektomie und gegebenenfalls einer Mikrofrakturierung bei kleinem Knorpelulcus noch möglich.

Den ersten Strahl diskret verkürzende Verfahren sind bei Index-Plus-Variante ebenfalls druckentlastend für das Großzehengrundgelenk wirksam, wohingegen im Allgemeinen eine Verkürzung des Metatarsale I zu vermeiden ist, um Transfermetatarsalgien vorzubeugen.

Weitere Kontraindikationen – insbesondere für aufwendige Osteotomien – sind eine schlechte Knochenqualität bei Osteoporose und die Charcot-Osteoarthropathie.

Bei neuromuskulären Erkrankungen ist die Indikation für eine Korrekturoperation am ersten Strahl besonders kritisch zu stellen.

Der floride Infekt spricht gegen eine elektive Korrekturoperation, ebenso eine relevante arterielle Verschlusskrankheit.

Aufklärung des Patienten

Eine gute Aufklärung des Patienten soll insbesondere realistisch über zu erwartende Ergebnisse dieser elektiven Eingriffe aufklären, um überzogene Vorstellungen zu vermeiden.

Neben allgemeinen Komplikationen und Risiken sollte der Operateur immer auch die spezifischen Risiken des jeweiligen Eingriffs erläutern und beherrschen.

Postoperative Therapie

Postoperativ wird ein spezieller Zügelverband angelegt (Abb. 5).

Es sollte umgehend eine radiologische Befundkontrolle erfolgen. Die identische Einstellung wie präoperativ ist äußerst hilfreich. Eine systemische Analgesie und Antiphlogese wird von uns durchgeführt. Neben einer initialen, konsequenten Hochlagerung ist eine intermittierende Kryotherapie angeraten. Wir empfehlen die Durchführung aktiver Bewegungsübungen des Sprunggelenks ab dem Operationstag. In Abhängigkeit vom operativen Vorgehen und intraoperativ erreichter Stabilität ist meist eine passive Bewegungsübung unter Extension der Großzehe am kurzen Hebel (Fixation des Metatarsale I Köpfchens mit Daumen und Zeigefinger) direkt möglich. Ebenso kann befund- und verfahrensabhängig mehrheitlich eine frühfunktionelle Therapie mit Vollbelastung in einem Vorfußentlastungsschuh oder flachen Verbandsschuh erfolgen, anfangs schmerzadaptiert unter Zuhilfenahme von Unterarmgehstützen. Proximale Verfahren oder Arthrodesen bedürfen in Abhängigkeit von Knochenqualität, Verfahren und Osteosynthesematerialien teils einer etwas längeren Teilbelastung. Ein geeigneter Therapieschuh bietet genügend Festigkeit der Sohle und Halt für den Fuß. Insbesondere darf der Schuh nicht etwa den Scheitelpunkt mit der Hauptbelastung kurz proximal der Osteotomie aufweisen.

Die unterstützende Durchführung einer Lymphdrainage ist am Fuß erfahrungsgemäß oftmals dienlich.

Eine Thromboembolieprophylaxe empfehlen wir, gemäß der AWMF-Leitlinien zur Prophylaxe der venösen Thromboembolie durchzuführen. Den ersten Verbandswechsel führen wir bei komplikationslosem Verlauf am 2. postoperativen Tag durch und raten weitere Verbandswechsel und Befundkontrollen im regelmäßigen Turnus alle 2–3 Tage an. Der Patient wird bereits von uns in die selbstständige Anlage von Redressionsverbänden bzw. der Anlage von Zügelungsbandagen eingewiesen. Eine weitere radiologische Befundkontrolle ist nach Ablauf von 6 Wochen postoperativ anzustreben. Bei knöcherner Konsolidierung ist dann eine Freigabe der Belastung im Konfektionsschuhwerk möglich. Mit dem Laufsport sollte frühestens nach Ablauf von 3 Monaten begonnen werden.

Fazit

Die Entität des Hallux valgus ist komplex. Es erscheint fast unmöglich, wirklich evidenzbasierte Empfehlungen zur Therapie des Hallux valgus zu geben. Obwohl der Hallux valgus zum „Alltagsgeschäft“ des Orthopäden gehört, – es existieren allein über 150 beschriebene Operationsverfahren speziell für den Hallux valgus – und eine beinahe unüberschaubare Anzahl an Studien durchgeführt wurde, sind prospektive randomisierte Studien, die verschiedene operative und/oder konservative Therapieverfahren miteinander vergleichen, kaum auffindbar. Die Vielzahl der existierenden operativen Behandlungsverfahren weist darauf hin, dass kein Verfahren perfekt ist, keines alle Aspekte der Hallux valgus-Fehlstellung auf einmal adressiert und zu korrigieren vermag.

Die Selektion des Behandlungsverfahrens, sei es konservativ und/oder operativ, orientiert sich an Leitlinien, bleibt letztlich jedoch abhängig von der Person des behandelnden Orthopäden, seinen Präferenzen und einem im Alltag gewonnenen Erfahrungswissen.

Als Beispiel seien die aktualisierten S1-Leitlinien Fuß und Sprunggelenk der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk (DAF) genannt, die Expertenmeinungen zugrunde legen [26].

Mit konservativen Maßnahmen lassen sich insbesondere symptomatisch Beschwerden lindern, erste Erfahrungen zeigen den Wert der Physiotherapie zur Stärkung der intrinsischen Muskulatur. Bei entsprechendem Leidensdruck trotz konservativer Therapie kommen elektive Operationsmaßnahmen zur Therapie des Hallux valgus nach gründlicher Patientenaufklärung zum Tragen. Obwohl diese technisch anspruchsvoll sind, weisen sie bei sorgfältig ausgewähltem Patientengut eine hohe Erfolgsaussicht auf. Dabei zeigt die distale Chevron-Osteotomie vorhersehbar gute Ergebnisse bei milden bis moderaten Hallux valgus-Deformitäten. Bei den Operationen kann ohne erhöhtes Risiko für eine Osteonekrose des Köpfchens, wenn angezeigt, additiv ein balanzierter distaler Weichteileingriff mit Kapsulotomie durchgeführt werden. Bei mittleren bis schweren Fehlstellungen sind verschiedene proximale Verfahren in Kombination mit distalem Weichteileingriff erfolgreich. Erwähnenswert sind die proximale Crescentic-Osteotomie, additive oder subtraktive Keilosteotomien, der proximale Chevron und auch die modifizierte Lapidusarthrodese, die in Abhängigkeit von den klinischen und radiologischen Befunden sowie den Erfahrungen des Operateurs eingesetzt werden können. Die Arthrodese des Großzehengrundgelenks ist besonderen Fällen vorbehalten, in denen sie zu klinisch und subjektiv zufriedenstellenden Ergebnissen führen kann. Geeignete Implantate sollten stabile Osteosynthesen ermöglichen, um Dislokationen zu vermeiden und eine frühzeitige Mobilisation des Patienten zu gewährleisten. Alle angewandten Operationsmethoden sollten in ihrer Technik verständlich sein und zu reproduzierbaren Langzeit-Ergebnissen führen.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Dr. h.c. Michael Gabel

Fußzentrum Stuttgart mit technischer Orthopädie und Rheumaorthopädie

Agaplesion Bethesda Krankenhaus

Hohenheimer Straße 21

70184 Stuttgart

michael.gabel@bethesda-stuttgart.de

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Fussnoten

1 Fußzentrum Stuttgart

2 Pullach

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