Übersichtsarbeiten - OUP 06/2023

Distale Humerusfrakturen

Trizeps-Split Zugang

Nach mittiger Durchtrennung des M. triceps brachii wird der Streckapparat nach medial und lateral subperiostal am Olekranon unter Bildung von muskulofaszialen medialen und lateralen Lappen abgelöst. Der Zugang kann zwischen Caput laterale und Caput longum zum Humerusschaft nach proximal erweitert werden und eignet sich insbesondere für Humerusschaftfrakturen [28]. Die Darstellung des N. radialis, welcher schaftmittig von proximal medial nach distal lateral über den Humerusschaft verläuft, ist dabei unbedingt erforderlich.

Lateraler Zugang

Der laterale Zugang eignet sich zur Versorgung unikondylärer Frakturen des radialen Pfeilers und koronarer Abscherfrakturen des Capitulums. Die Hautinzision erfolgt vom Epicondylus radialis nach distal zum Radiuskopf und kann bei Bedarf nach proximal verlängert werden. Je nach Frakturlokalisierung kann in das Kocher-Intervall zwischen M. extensor carpi ulnaris und M. anconeus oder weiter dorsal zwischen dem M. triceps und M. brachioradialis eingegangen werden. Hierdurch kann eine Visualisierung des gesamten radialen Pfeilers ermöglicht werden. Ein übermäßiger Hakenzug muss vermieden werden, um den ventral des Zugangs verlaufenden N. radialis zu schonen.

Ventraler Zugang

Bei koronaren Abscherfrakturen, die das Capitulum humuri oder die Trochlea betreffen, kann ein zentraler Zugang nach Henry geeignet sein. Hierfür erfolgt eine S-förmige Hautinzision von proximal-lateral über die Fossa cubitalis nach distal-medial, wobei hier der N. cutaneus antebrachii lateralis geschont werden sollte. Hiernach wird in das Muskelintervall zwischen M. brachialis und M. rachioradialis eingegangen Der N. medianus und die A. brachialis werden nach
medial, der N. radialis nach lateral gehalten. Nach Inzision der ventralen Gelenkkapsel sind das Capitulum und der radiale Anteil der Trochlea darstellbar.

Postoperative
Nachbehandlung

Je nach Stabilität der Osteosynthese kann das Ellenbogengelenk postoperativ in einer Oberarmgipsschiene in Funktionsstellung oder einer Ellbogenorthese ruhiggestellt werden. Aus dieser heraus sollte das Gelenk, unterstützt durch Physiotherapie, passiv beübt werden. Im eigenen Vorgehen verzichten wir bei guter Knochenqualität und stabiler Osteosynthese auf eine Ruhigstellung zugunsten einer frühfunktionellen
belastungsfreien Nachbehandlung direkt nach Konsolidierung der Weichteilsituation. Supportive Lymphdrainage k ann zusätzlich hilfreich sein, um das Abschwellen der Weichteile zu beschleunigen. Sofern der M. Triceps brachii abgelöst und refixiert wurde, ist die aktive Streckung gegen Widerstand für 6 Wochen zu vermeiden. Mit einer Belastungssteigerung kann nach radiologischen Kontrollen 6 Wochen postoperativ begonnen werden.

Klinische Ergebnisse

Die klinischen Ergebnisse operativ versorgter distaler Humerusfrakturen sind auch durch die kontinuierliche technische Verbesserung der Plattenosteosynthesen hin zu winkelstabilen, anatomischen Implantaten in Bezug auf die Wiederherstellung der Funktion und Belastungsfähigkeit insgesamt gut. Sie hängen im Wesentlichen von der Komplexität der Fraktur, Gelenkbeteiligung und dem Repositionsergebnis sowie von begleitenden Nervenverletzungen ab [21, 29–32].

Posttraumatische Bewegungseinschränkungen finden sich in der überwiegenden Anzahl der operativ versorgten Frakturen und betreffen insbesondere die Extension und Flexion, wobei unabhängig des Frakturtyps mit einem durchschnittlichen Flexionsbogen von 110° insgesamt ein guter funktioneller Bewegungsumfang erreicht wird [21, 33].

Bei operativ versorgten C3-Frakturen des distalen Humerus sind bei über 90 % der Patientinnen und Patienten gute und sehr gute Ergebnisse in Bezug auf das Patient Reported Outcome festzustellen [29, 30, 34].

Ungeachtet dessen zeigt eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit mit Metaanalyse bei B- und C-Frakturen hohe Gesamtkomplikationsraten in 53 % und Re-Operationsraten in 21 % der Fälle [21].

Komplikationen

Infektionen

Infektionsraten nach operativer Versorgung distaler Humerusfrakturen treten zwischen 0–12 % der Fälle auf und hängen im Wesentlichen vom Ausmaß des Weichteilschadens und dem Operationszeitpunkt ab [6, 35, 36]. Bei einem Frühinfekt erfordert die Behandlung ein Débridement des infizierten Gewebes, Entnahme von Proben zur mikrobiologischen und histopathologischen Untersuchung und ausgiebige Spülung. Bei einer Spätinfektion wird bei ausreichender Frakturkonsolidierung das Implantat möglichst vollständig entfernt und es wird eine resistenzgerechte antimikrobielle Therapie angeschlossen. Bei unzureichender Durchbauung sollte ein Implantatwechsel oder eine vollständige Implantentfernung mit temporärer Anlage eines Fixateur externe erfolgen.

Non-union

Mit kontinuierlicher Verbesserung der Implantate werden inzwischen sehr gute Konsolidierungsraten von 90–100 % nach einer offenen Reposition und internen Fixation beschrieben [21, 29, 30, 32]. Non-union nach distalen Humerusfrakturen sind typischerweise in der metadiaphysären Region lokalisiert und häufig biomechanisch durch eine primär nicht anatomische Reposition oder unzureichender Stabilität der Primärosteosynthese bedingt [21]. Zudem ist das Risiko einer Non-union bei offenen Frakturen um das Vierfache und bei Hochenergietraumen um das Zweifache erhöht [1, 21, 37].

Ellenbogensteife

Die meisten distalen Humerusfrakturen gehen mit einer gewissen posttraumatischen Bewegungseinschränkung einher, die vor allem die Extension im Ellbogengelenk betrifft. Ursächlich hierfür können intrinsische Ursachen wie Osteophyten oder eine inkongruente Gelenkfläche oder extrinsische Faktoren wie heterotope Ossifikationen, Kapselfibrosen oder freie Gelenkkörper sein. Dennoch zeigen die meisten Studien insgesamt gute klinische Ergebnisse in Bezug auf die Wiederherstellung der Gelenkfunktion [6, 30, 31, 37]. Es sei
an dieser Stelle erwähnt, dass neben dem vollständigen Bewegungsumfang bei der Einschätzung und Therapieempfehlung vor allem der sogenannte „funktionelle Bewegungsumfang“, welcher mit einer Extension/Flexion von 0°-30°-130° sowie
einer Pronation/Supination von 50°-0°-50° gegeben ist, maßgeblich ist [38–41]. Mit diesem Bewegungsausmaß ist die Patientin/der Patient in der Regel in der Lage, allen Alltagsanforderungen gerecht zu werden.

Heterotope Ossfikationen

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